Ich wünschte, es wäre eine Liebesgeschichte.
Patrizia Panther
Based on a true story.
Wann immer Sie mich beobachten, schauen Sie hinauf. Und wann immer ich Sie beobachte, tue ich das von oben herab. Selbst wenn Sie sich hinter dem Vorhang des Lehrerzimmers im ersten Stock verstecken und auf den Schulhof hinunter schauen und sich unbeobachtet fühlen, sehen Sie nicht wirklich auf mich herab, sondern haben ein schlechtes Gewissen, bei dem, was Sie tun. Wo immer Sie sich befinden, Sie sind irgendwie unter mir. Das ist doch interessant, finden Sie nicht?
Wir passen zusammen. Sie und ich. Ich möchte wissen, wie es ist, über einen Menschen zu herrschen, und Sie möchten beherrscht werden.
Ich könnte mir irgendjemanden suchen, irgendeinen Typen wählen. Es gibt genug, die sich gerne herumkommandieren lassen. Aber ich will nicht irgendeinen Jungen aus der Schule.
Ich will Sie.
Sie zu beherrschen würde mir gefallen. Sie sind Lehrerin, Sie stehen eigentlich über mir. Sie vor meinen Füßen knien zu sehen, würde mich aufgeilen.
Sie glauben, dass Sie mir überlegen sind. Sie sind um die zehn Jahre älter als ich, schätze ich mal. Sie haben studiert und sind gebildet. Ich bin es nicht. In Ihren Augen bin ich ein kleines Mädchen, eine Schülerin wie alle anderen. Aber in den zehn Jahren, die Sie mir voraus haben, haben Sie bestimmt nur Gänseblümchen und Pusteblumen gepflückt und ich die Blumen des Bösen. Meine Welt ist düsterer als Ihre, und Sie haben mir nichts entgegenzusetzen.
Gestehen Sie es sich ein und ergeben Sie sich mir!
Wie viel darfst du wagen, um glücklich zu sein?
Wie anders darfst du sein?
Wie sehr darf es dich nicht interessieren, was die anderen denken?
Wie viel darfst du riskieren?
Diese Fragen gehen mir durch den Kopf. Es sind Fragen, die bis in das Innerste meiner Seele dringen und alles in Frage stellen, was ich zu sein vorgebe.
Jede dieser Fragen stellt eine eindringliche Warnung für mich dar. Ich kenne jede Antwort auf diese Warnung. Jede Antwort warnt mich mit erhobenem Zeigefinger und schüttelt ungläubig den Kopf ob meines Leichtsinns.
Und dennoch schieße ich all diese Warnungen in den Wind.
Ich will sie nicht hören und nicht meinem Verstand gehorchen. Ich will nicht klug und rational sein. Ich will all das nicht, was mir bislang so wichtig war.
Was ich will, ist mich zu ergeben.
Mich ihr zu ergeben.
Ich riskiere mein bisheriges Leben.
Ich habe meinen Verstand verloren.
Ich lasse den Dingen ihren Lauf und kümmere mich nicht um die Konsequenzen.
Wenn ich den Warnungen in Gedanken folge, dann sehe ich auch ein Morgen. Es ist kein schöner Morgen.
Ich sehe mich nicht in einer anderen Stadt als einfache Schreibkraft in einer kleinen dunklen Mietskaschemme. Nicht in meiner teuren Altbauwohnung, ohne mein üppiges Gehalt, ohne meine sichere Pension, ohne meinen Beamtenstatus.
All das setze ich aufs Spiel. So spricht die Warnung tagein tagaus, wenn ich sie gewähren lasse. Aber mein Verstand hat keinen Schimmer davon, was ich gewinne durch meinen Leichtsinn. Ich gewinne ein Leben. Ich gewinne einen Sinn. Ich gewinne so viel. Was sind da die Risiken? Ich muss nicht in einer Altbauwohnung residieren. Ich bin gebildet und intelligent. Ich brauche nicht die Alimentation und das weiche Bett des Beamtenstatus. Ich könnte auch klar kommen einfach nur, indem ich mich auf mich selbst verlasse.
Und so setze ich mein bisheriges Leben weiterhin aufs Spiel.
Es ist ganz klar Wahnsinn.
Wenn man mich zur Rechenschaft ziehen wird, wenn ich in irgendeinem Büro sitze in irgendeiner Behörde vor irgendeinem strengen Beamten, dann werde ich nur meine Schultern sinken lassen und vor Scham auf den Boden starren.
Es gibt keine Entschuldigung für das, was ich tue. Keine Rechtfertigung. Ich weiß, dass ich mich nicht angemessen verhalte. Ich werde auf die Frage nach meiner Rechtfertigung nur mit brüchiger Stimme kaum hörbar flüstern:
„Ich habe Glück gesucht. Ich habe die Liebe gesucht.“
Der Beamte wird den Kopf schütteln und mich anschnauzen, was ich mir dabei nur gedacht hätte.
Und ich werde schweigen, weil ich weiß, dass er mich nicht verstehen wird. Dass niemand mich verstehen kann.
Mein Schicksal sehe ich vor mir, es läuft vor meinen Augen ab, ich sehe, wohin alles führen wird, und doch kann ich nichts dagegen unternehmen. Ich bin wie eine Drogensüchtige, die einfach nicht lassen kann. Wie vom Teufel besessen oder in den Klauen einer Sekte. Ich kann nicht von ihr lassen.
Ich bin ihr verfallen.
Und alles nur aus Begierde, Perversion, Geilheit.
Wie ein Tier benehme ich mich. Wir beide sind Gottesanbeter. Sie ist das Weibchen. Ich bin das Männchen. Auf dem Höhepunkt wird sie mir den Kopf abreißen.
Einfach nur, weil sie es kann.
Und ich werde es geschehen lassen.
Weil ich es will?
Es ist nichts Böses, Verwerfliches, das mich treibt.
Es ist menschlich.
Es ist so was wie Liebe.
Es ist Liebe.
Wenn auch niemand diese Art der Liebe verstehen wird.
Denn es ist einseitig. Ich bedeute ihr so viel, wie sie sagt. Nichts. Ich bin in ihren Augen nichts. Ich schenke mich ihr jeden Tag, aber sie nimmt es nicht als ein Geschenk. Sie respektiert mich nicht, denn ich benehme mich nicht wie jemand, den man respektieren kann.
Ich bin nicht mehr für sie als die Flusen in ihrem Bauchnabel, wie sie sagt. Sie lachte dabei, aber ich weiß ehrlich nicht, ob es nur ein Scherz war. Ich weiß es nicht. Ich weiß auch nicht, ob es stimmt, wenn sie mir sagt, dass sie mich liebt. Ich weiß es nicht.
Ich bin n ihren Augen etwas Unnützes, das sie ein wenig amüsiert, mit dem sie ein wenig spielen kann. Wie mit den Flusen in ihrem Bauchnabel hat sie ein wenig Freude daran, mit mir zu spielen.
Ich lebe ständig in Angst vor ihrer Willkür und ihren Launen. Ständig muss ich damit rechnen, dass sie mich fallen lässt und im Rinnstein zertritt. Aus Langeweile, aus Laune, aus Sadismus eben. Aus eben jenem Sadismus, den ich so an ihr bewundere.
Niemand kann verstehen, warum mich diese Angst so mit Leben erfüllt und warum ich immer noch so danach giere, ihr zu gefallen und sie glücklich zu machen.
Es ist auch jetzt immer noch eine positive Geschichte.
Ich würde sogar sagen eine romantische.
Sie ist gefährlich, aber sie ist schön. Lassen Sie sich von meinen Sorgen nicht irreleiten. Ich liebe sie wirklich. Und es gibt da ja noch die Hoffnung, dass nichts davon eintreten wird. Dass sie mich nicht verrät, mich nicht verkauft, dass alles unentdeckt bleibt.
Aber von Anfang an.
Wenn ich wirklich ganz am Anfang beginnen müsste, wäre das der Moment gewesen, als ich in dem Cafe saß und mit meinem Zeigefinger die Zuckerkrümel von der Tischplatte aufpickte. Es war Hans Angewohnheit, den Zucker zu verschütten, wenn er mit einem Streuer seinen Kaffee süßte. Meine Angewohnheit war es, ihn dafür zu Recht zu weisen und die Krümel aufzupicken und von meinem Finger zu lecken.
In diesem Moment wies ich Hans nicht zurecht. Er war längst gegangen, aber den Zucker pickte ich auf, gedankenverloren wie unter Schock. Doch ich leckte meine Finger nicht ab. Irgendwo zwischen Picken und Lecken hatte ich verstanden, was er mir zu verstehen gegeben hatte. Und irgendwo dazwischen war ich paralysiert worden.
Mein zuckriger Finger war eine Geste der Vergangenheit, aber so weit war ich noch nicht, das zu verstehen. Ich wollte, dass alles wäre wie vor diesem Treffen, als wir ein Paar gewesen waren. Nur wenige Minuten zuvor waren wir noch eines gewesen. Eines, das vielleicht nicht mehr füreinander brannte wie am ersten Tag, aber immer noch eine gute Beziehung führte voller gegenseitigem Respekt und auch Vertrauen.
Aber so war es offensichtlich nicht mehr.
Er hätte sich weiterentwickelt. Er hätte sich verändert. Es läge nicht an mir, da solle ich mir ganz sicher sein.
Das hatte er gesagt, als die Kellnerin den Kaffee brachte und er wie immer zu hastig den Zuckerstreuer in die Tasse kippte, dass die Kristalle über den Tisch flogen.
Diese vertraute Geste passte nicht zu seinen Worten. Seine Handbewegung war mir so vertraut und selbstverständlich, doch seine Worte waren die eines anderen, die zu einer anderen Konversation gehören mussten.
Später ärgerte es mich schrecklich, wie beiläufig er offensichtlich gewesen war, dass er nicht einmal seine routinierten Bewegungen hatte unterlassen können, als er mir sagte, dass es vorbei sei. Aber in diesem Moment war ich einfach nur vor den Kopf gestoßen und taub.
Wenn ich wirklich am Anfang beginnen wollte, müsste ich dort beginnen. An diesem Nachmittag, als unbemerkt von allen anderen meine Welt zusammenbrach, so wie vielleicht in diesem selben Moment ganze Universen im Weltall untergingen, ohne dass irgendwer auf der Erde das mitbekam.
Aber ich möchte nicht dort beginnen, weil es schon zu lang her und mittlerweile verblasst ist. Es ist auch nicht sonderlich interessant, denn diese Geschichten passieren jeden Tag tausendfach.
Wichtig wäre allenfalls zu beschreiben, wie sehr mich das getroffen hat. Aber wenn Sie einmal verlassen worden sind, und Ihre Welt danach in Trümmern lag, werden Sie mich verstehen können und wissen, dass es nicht in Worte zu fassen ist. Und haben Sie es selbst noch nicht erlebt, so gibt es genug kitschige Lieder, prätentiöse Filme und schmalzige Bücher, die es Ihnen erfolglos zu erklären versuchen.
Ich muss das nicht tun.
Dennoch hat meine Geschichte nichts mit gebrochenen Herzen und Liebeskummer zu tun, sondern mit Obsession.
Es ist eine Liebesgeschichte.
Das erste Mal hatte ich sie im Gang wahrgenommen. Gesehen hatte ich sie schon öfter, obwohl ich sie gar nicht unterrichtete.
Ich war zu spät dran, voll bepackt mit meiner Tasche, dem Medienkoffer und der Jutetasche mit den schlecht ausgefallenen Klassenarbeiten. Es hatte längst geklingelt, und ich hörte, wie die 8c am Ende des Ganges den Klassenraum auseinander nahm. Ich versuchte die verschiedenen Gewichte zu balancieren und schwankte wie eine Betrunkene durch den muffigen Gang. Ich war bereits jetzt genervt, und der Lärm aus der Klasse trug nur dazu bei, dass sich das noch steigern sollte. Mich erwartete kein entspannter Unterricht, sondern Aggression und Geschrei, und ich würde dieses autoritäre Schelten an den Tag legen müssen, das ich so sehr verabscheute, zu dem ich mich so überwinden musste, aber das scheinbar die einzige Sprache war, die diese Klasse verstand.
Mir standen 90 Minuten Tortur bevor.
Ich seufzte und dachte daran, dass ich mich in Gedanken schon anhörte wie einer der verbitterten Kollegen, zu denen ich nie gehören wollte.
Da stand sie mitten im Gang. Besonders lässig. Schwarz gefärbte lange Haare, enge schwarze Jeans, ein ausgewaschenes Shirt mit rotem Stern, Springerstiefel.
Sie quatschte mit ihren Freundinnen, die ähnlich gekleidet waren wie sie, aber nicht die Aufmerksamkeit so sehr auf sich zogen.
Sie hatte etwas. Diese besondere Ausstrahlung, die manche Menschen aus unergründlichen Gründen einfach haben.
Ich beachtete sie zuerst nicht und sie mich nicht, obwohl sie mich kommen gesehen haben musste. Ich bewegte mich in etwa so grazil und dezent wie ein Zirkuselefant, kämpfte mit dem Riemen der Tasche, der mir von den Schultern zu rutschen drohte. Ich verdrehte meine Schulter, um ihn oben zu halten, war mit meinen Gewichten beschäftigt und schaute erst ein paar Meter vor mir wieder auf.
Sie stand da. Übermäßig lässig. Den Daumen in die Jeans eingehakt. Sie war in der Oberstufe, hatte vermutlich eine Freistunde und lungerte nun mit ihren Freundinnen im Gang herum.
Ich kam näher, balancierte und schwankte und stolperte heran.
Und sie versperrte mir den Gang in stoischer Gelassenheit, ohne mich zu beachten. So lange, bis ich gezwungen war, mich an ihr vorbei zu zwängen, wobei der Riemen der Tasche mir von der Schulter rutschte und mein gesamtes mühsam zusammengestelltes Gewichts-Ensemble in sich zusammenbrach und mir entglitt.
Die Jute-Tasche rutschte mir von der Schulter. Ich war gezwungen die Taschen abzustellen, halb fielen sie, halb glitten sie mir aus den Händen.
Ich seufzte einmal tief, wischte mir den Schweiß von der Stirn und packte mir alles wieder auf den Buckel. Ich war einfach nur genervt von dem Tag und der Situation und der 8c und allem.
In meinem Nacken spürte ich ihre Blicke. Ihre und die ihrer Freundinnen. Und ich hätte schwören können, dass sie grinsten. Böswillig und spöttisch. Aber ich setzte meinen Weg fort ohne ein Wort, nur mit einem genervten Seufzer und einer zerknitterten Miene.
Kein Wort der Entschuldigung und kein Wort des Bedauerns. Sie bot mir nicht ihre Hilfe an. Sie stand einfach da. Ich war Luft für sie.
Sie redete weiter, als sei nichts passiert. Ich wusste nicht, worum es ging, um irgendetwas Belangloses vermutlich. Ich glaubte nur, dass ihre Stimme sich um eine Nuance gewandelt hatte. Zu der gleichen Boshaftigkeit und dem gleichen Spott wie ich es in ihrer Stimme vermutete.
Ich hätte mir das nicht gefallen lassen sollen, hätte sie zur Rede stellen müssen, sie über Respekt und Höflichkeit belehren sollen. Aber mein Kopf war so mit anderen Sachen beschäftigt, dass ich einfach nicht daran dachte.
Stattdessen hetzte ich in die Klasse und konnte gerade noch dem nassen Schwamm ausweichen, der in meine Richtung flog. Er war nicht auf mich geworfen worden, sondern auf Martin, der ihn auch voll ins Gesicht bekam, so wie Peter dafür einen Eintrag ins Klassenbuch und einen Anruf bei seinen Eltern bekommen sollte.
Die Stunde und der restliche Tag vergingen genauso mies, wie ich mir das vorgestellt hatte, und ich vergaß den Vorfall im Gang mit dem Mädchen.
Erst als ich abends im Bett lag, musste ich wieder daran denken. Wie konnte jemand so ignorant sein und sich so impertinent einer Lehrerin gegenüber verhalten?
Was sollte das?
Ich war früher jedenfalls nicht so keck gewesen. So frech, respektlos, vielleicht sogar so mutig.
Wir hatten früher nicht so viel Chuzpe gehabt. Solche Unverschämtheiten hatten wir uns nicht erlaubt.
Aber ich rutschte wieder in diese verhärmte Litanei der verbitterten Kollegen. Also schüttelte ich den Gedanken beiseite.
Eigentlich ärgerte ich mich nicht so sehr über sie, sondern vielmehr über mich selbst. Ich hätte einfach anders reagieren müssen. Ich hätte den mir schuldigen Respekt einfordern sollen. Ich hätte es nicht auf sich beruhen lassen sollen, sondern mich durchsetzen müssen. All das hätte ich tun sollen. Aber ich war einfach nicht spontan genug gewesen, um in der Situation angemessen zu reagieren.
Das Ärgerliche lag nicht in ihrem Verhalten, sondern in meiner Reaktion. Jedenfalls nahm ich mir vor, beim nächsten Mal souveräner aufzutreten.
Als ich bemerkte, dass meine Gedanken an der perfekten Replik feilten, die ich ihr nicht gegeben hatte, versuchte ich unwillig an anderes zu denken.
Esprit d’Escalier.
Treppenwitz.
So nennt man die Schlagfertigkeit, die man erst dann besitzt, wenn man schon wieder auf der Treppe auf dem Weg nach draußen ist. Die Schlagfertigkeit, die nicht da war, als man sie brauchte, und die erst viel später einsetzt.
Ich hätte ihr sagen sollen… oder besser noch…
Es hatte etwas Armseliges, so an welken Worten der Vergangenheit zu feilschen. Und zu versuchen, eine innere Genugtuung zu erlangen im Angesicht der offensichtlichen Niederlage. Diese Gedanken wollte ich nicht weiter verfolgen. Ich hatte es in der Situation nicht geschafft, schlagfertig zu sein, nun machte es keinen Sinn mehr, es verspätet zu versuchen. Allein abends in meinem Bett.
Ich versuchte an etwas anderes zu denken.
Es gelang nicht. Seltsamerweise hatte ich immer dieses abwertende Lächeln, das ich nicht gesehen, nur erahnt hatte, vor meinem geistigen Auge. Und ihre Haltung, die so selbstgewiss war.
Wie aus einem James Dean Film geklaut.
Es waren keine Hintergedanken damit verbunden, aber etwas an ihrem Verhalten beschäftigte mich.
Die neue Stadt tat mir gut. Durch den Umzug in eine fremde Umgebung war ich wie Phoenix aus der Asche aufgestiegen. Hier gab es keine schlechten Erinnerungen. Alles war neu. Ein neuer Rhythmus, neuer Lärm in den Straßen, neue Erfahrungen. Ich war zufrieden, und der ganze Trubel um den Umzug und die neue Schule beschäftigten mich, stressten mich auch, hielten mich auf jeden Fall vom Grübeln ab.
Es war eine gute Entscheidung gewesen, die Stadt zu wechseln und Hans hinter mir zu lassen.
Der einzige Makel bestand darin, dass ich hier niemanden kannte. In der Schule waren praktisch keine Kolleginnen oder Kollegen in meinem Alter.
Ich lief nicht mehr ziellos durch die Straßen in der irrsinnigen Hoffnung, Hans zu sehen. Ich hoffte nicht jeden Tag, dass er es sich anders überlegen und mich anrufen würde. Ich verleugnete mich nicht mehr, wenn jemand an der Tür klingelte, weil ich mit keinem Menschen sprechen wollte. Ich versank nicht mehr in Selbstmitleid.
Ich lebte einfach.
In der neuen Stadt schien die Sonne wieder, in der neuen Stadt fand der Sommer mich wieder.
Ich musste mich nicht mit der Frage herumplagen, ob wir noch Freunde sein könnten. Mein Herz musste nicht mehr schneller schlagen, wenn ich an seiner Wohnung vorbei kam und noch Licht im Wohnzimmer sah. Ich musste nicht mehr ständig an ihn denken, und ich musste nicht mehr all die Orte meiden, an denen wir eine gemeinsame Geschichte hatten.
Ich war wieder eine Frau und nicht mehr nur ein biologisch funktionierender Organismus. Ich war wieder existent.
Man sagt, dass Frauen besser damit zurechtkommen, verlassen zu werden als Männer. Für mich gilt das ganz sicher nicht. Das hatte ich gelernt.
Es war in der neun Stadt absolut in Ordnung. Ich hatte mit der Telefongesellschaft zu kämpfen, die mir keinen Anschluss frei schalten konnte, als sie es dann tat, da musste ich mit ihnen kämpfen, weil das Internet nicht funktionierte, als es dann lief, konnte ich wieder niemanden mehr anrufen. Es waren diese kleinen Dinge, über die ich mich ärgerte, und das in einem Maße, dass die existenzbedrohende Krise in den Hintergrund rückte. Die Welt drehte sich nicht nur um Hans. Das lernte ich, und ich war froh über diese Erkenntnis.
Der Kampf mit einer gesichtslosen Telefongesellschaft und bornierten Sachbearbeitern hielt mich von den Kämpfen mit den Monstern ab, die mich in den vorangegangenen Monaten in ihren Klauen gehalten und gewürgt hatten. Wenn man nur genug zermürbende Kleinkriege führen muss, dann wird man wohl auch von der größten existenzbedrohenden Katastrophe abgelenkt.
Und dennoch.
Mir fehlte ein Mensch.
Ich war allein in der Stadt. Es gab niemanden, mit dem ich reden konnte. Zwar hatte ich all die alten Freunde, die ich in der Zeit der Krise verleugnet hatte, wieder angerufen, aber sie erschienen mir nicht nur räumlich weit entfernt. Sie sprachen von Dingen und Menschen, die mir fremd wurden, die verblassten, und an denen ich tagtäglich weniger Anteil nahm. Das war der Preis für die Flucht. Der Tratsch, der Klatsch und die Gerüchte, an denen ich zuvor solch einen Gefallen gefunden hatte, verblassten nun und erschienen mir zunehmend trivial und uninteressant. Ich war nicht mehr Teil dieser Welt, aber eine neue hatte ich für mich noch nicht entdeckt.
In der Schule fand ich keine Kollegin und keinen Kollegen, mit dem ich mich wirklich unterhalten konnte über private Dinge. Sie waren alle recht nett und hilfsbereit, ich hatte keinen Grund mich zu beklagen, aber sie waren praktisch alle zu alt, als dass ich irgendein wirkliches, privates Gespräch mit ihnen hätte führen können. Es lagen Welten und Jahrzehnte zwischen uns, das wurde mir schnell klar.
Ich glaube, es waren diese Umstände, die dazu beitrugen, dass ich auf das Mädchen aufmerksam wurde.
Unsere zweite Begegnung fand einige Tage später statt. Im Nachhinein frage ich mich, ob dieses zweite Treffen sich noch zufällig begab, oder ob sie mich damals bereits im Auge hatte.
Es war nach der achten Stunde. Praktisch niemand war mehr an der Schule. Unterricht fand keiner mehr statt, alle Lehrer waren bereits gegangen. Die Putzfrauen gingen durch die Räume, und der Hausmeister säuberte den Schulhof. Ich sortierte noch Schülerakten und kümmerte mich um Papierkram, den ich lange vor mir hergeschoben hatte, weil ich nichts Besseres mit meiner Zeit anzufangen wusste.
Als ich die Schule schließlich verließ, sah ich sie, wie sie am Eingang stand. Sie war allein, rauchte eine Zigarette und stand so lässig an eine Wand gelehnt, wie man es nur tat, wenn man jemandem zeigen wollte, wie cool man war, oder wenn man eben wirklich cool war und es einen nicht kümmerte, welche Wirkung man auf andere hatte.
Weit und breit war niemand zu sehen, den sie hätte beeindrucken können mit ihrem Gebaren.
Außer mir eben.
Mir kam ihr Verhalten dennoch seltsam gestellt vor, und der Triumph, sie durchschaut zu haben, gab mir die Sicherheit, die mir auf dem Gang ein paar Tage zuvor gefehlt hatte. Ich sah sie kurz an und ignorierte sie dann, wie man jemanden ignoriert, den man offiziell nicht kennt. Hätte ich sie gegrüßt oder zur Kenntnis genommen, ich hätte ihr signalisiert, dass mir unsere letzte Begegnung im Gedächtnis geblieben war.
Sie schnippte ihre Zigarette gegen die gegenüberliegende Wand, dass die Funken stoben. Ich reagierte nicht auf die Provokation. Natürlich hätte ich etwas sagen können wegen des Rauchens auf dem Schulgelände, aber es war Nachmittag und ich gehörte ohnehin nicht zu den pedantischen Lehrern, die ständig auf die Einhaltung irgendwelche Regeln pochten, die von Schülern ganz selbstverständlich missachtet wurden.
Dazu gehörte meiner Meinung nach auch das Rauchverbot auf dem Schulgelände lange nach Schulschluss.
Ich lächelte innerlich, fühlte meine Theorie bestätigt ob dieser betont legeren Geste, die sie aus irgendeinem Halbstarken-Film haben musste, so klischeehaft schoss man seine Zigarette nur in Filmen durch die Luft.
Ich ignorierte sie also, drehte demonstrativ meinen Kopf zum Parkplatz, wie um meinen Wagen zu suchen und fühlte mich überzeugend.
Doch als ich an ihr vorbei gegangen war, spürte ich wieder ihre Blicke in meinem Nacken, und ich bekam ein ungutes Gefühl, wie man es hat, wenn man jemandem, dem man nicht traut, den Rücken zuwendet. Ich glaubte zu hören, wie sie die Nase hochzog und mit ihrem Fuß über den Boden scharte. Irgendetwas beunruhigte mich bei dem Gedanken, ihr den Rücken zuzuwenden.
Sie stand dort wie eine Stalkerin, die ihr Opfer wissen lassen wollte, dass sie es stalkte. Oder wie ein paar Mafiagangster, die auffällig unauffällig vor dem Haus eines Geschäftsmannes, warteten, um ihm klar zu machen, dass sie wussten, wo er wohnte und sein Schutzgeld erwarteten.
Aber war das wirklich so oder bildete ich mir das alles nur ein? Warum sollte sie auf mich warten? Ich schüttelte den Gedanken ab.
Ich neige eigentlich nicht zu Verfolgungswahn, was sollte das also?
Es gab eine ganz einfache Erklärung. Das Mädchen wartete einfach auf irgendeine Verabredung.
Es gab keinen Grund, diese Begegnung auf mich zu beziehen. Dennoch empfand ich es als seltsam.
Ich ging zu meinem Wagen, der einsam auf dem Lehrerparkplatz stand, verstaute meine Taschen im Kofferraum und schaute möglichst beiläufig noch ein weiteres Mal in ihre Richtung. Sie stand immer noch dort, unverändert und in der gleichen manierierten Haltung.
Ich stieg in meinen Wagen und fuhr davon.
Doch meine Gedanken blieben bei ihr.
Von diesem Tag an hielt ich nach ihr konkret Ausschau. Sie war so etwas wie eine Bekannte geworden. Es war seltsam, aber ich empfand es so. Wenn ich sie sah, dann war ich zufrieden, irgendwie glücklich, wenn man das so sagen darf.
Das mag sich seltsam anhören, aber ich hatte ihre Existenz wahrgenommen, und damit war sie nicht nur irgendwer, sondern ein bekanntes Gesicht. Sie war die erste Person in der neuen Stadt, die ich kennen gelernt hatte jenseits des Kollegiums. Auch wenn ich nichts von ihr wusste.
Zunächst hatte ich das Gefühl, als seien meine Beobachtungen einseitig. Ich fühlte mich unbeobachtet, wenn mein Blick ihr morgens folgte, wenn sie in die Schule ging, wenn ich nach Schulschluss mit dem Auto an ihr vorbei fuhr, wenn ich sie bei Stundenwechseln auf dem Weg von einem Klassenraum in den nächsten sah. Ich beobachtete sie, ohne mir Gedanken darüber zu machen, welche Informationen ich erhielt. Ich bemerkte die Bands auf ihren T-Shirts, ich las die mit Edding gekritzelten Nachrichten auf ihrem schweren Bundeswehrrucksack und versuchte mir ein Bild zu machen.
Es waren einfach Facetten, die ich wahrnahm. Unverbundene Beobachtungen. Ich sah nur und fand.
Sie strahlte eine Souveränität aus, die ungewöhnlich war. In ihrer Clique war sie die unangefochtene Anführerin. Sie war kühl und zurückhaltend, und doch bestimmte sie. Andere mochten lauter sein, aber sie schien den Ton anzugeben. Alpha-Mädchen nannte man das wohl neuerdings.
Zuerst glaubte ich, dass ihre Distanziertheit gespielt war, dass sie damit irgendeine jugendliche Unsicherheit zu kaschieren suchte. Ihre ganze Erscheinung, dieser Gothic-Look, diese schwarz gefärbten Haare, die schwarzen Klamotten. Es schien alles zu klischeehaft.
Es waren diese Dinge, die mir an ihr auffielen.
Dann bemerkte ich aber an der Art, wie sie mich ansah, dass sie mich ebenso beobachtete wie ich sie. Ich wusste nicht, was sie dazu gebracht hatte, wie sie auf mich aufmerksam geworden war, aber es war nicht zu leugnen. Wenn wir uns im Gang sahen und unsere Blicke sich trafen, dann waren das keine zufälligen Blickwechsel. Ich spürte, dass ihre Augen und meine sich etwas sagten. Ich bemühte mich um einen unbeteiligten Ausdruck, versuchte, durch sie hindurch zu schauen, mir nichts anmerken zu lassen.
Als ich mir dessen bewusst wurde, wurden mir unsere Begegnungen unangenehm. Es war jetzt so, als sähe man jemanden, den man nicht mehr kennen wollte, oder bei dem man sich nicht mehr sicher war, ob man ihn kennen sollte. Diese Art von unangenehmer Begegnung eben. Ich versuchte mir auch dies nicht anmerken zu lassen.
Ging es ihr ähnlich? In ihrem Verhalten war dafür kein Anzeichen zu finden.
Es war an diesem Dienstag. Ich hatte Pausenaufsicht, eine ungeliebte Aufgabe. Ich sah, wie eine Kollegin ein paar Schülerinnen in die Raucherzone scheuchen musste. Sie war auch darunter. Ich ging zu meiner Kollegin, weil ich einerseits nichts Besseres zu tun hatte und andererseits auf der Suche nach einem Gespräch war.
„Wer ist denn die Schwarzhaarige da?“
„Das ist Liz. Eigentlich Lisa. Wagner. Aus der 13. Warum fragst du?“
„Ich hatte letztens Ärger mit ihr im Gang.“
„Das kann ich mir vorstellen. Die ist eigentlich ganz fit. Pfiffig. Hat kluge Gedanken. Aber in der letzten Zeit lässt sie es in der Schule schleifen und muckt gegen alles und alle auf.“ Seufzen. „Was will man machen? So sind sie halt in diesem Alter.“
Ich nickte und überhörte das generalisierende Statement.
Ich bemerkte, dass sie mich ansah. Liz.
Aus circa 30 Metern Entfernung, quer über den Schulhof. Schon wieder mit diesem spöttischen Lächeln.
Als hätte sie mit einem sechsten Sinn erraten, dass wir über sie sprachen.
Und mein Herz schlug schneller.
Wie aus schlechtem Gewissen, wie aus dem Gefühl, ertappt zu sein.
Aber was hatte ich getan?
Ich hatte mich über eine Schülerin informiert. Dergleichen war ganz normal.
Liz hob den Zeigefinger und machte eine Geste, als würde sie auf mich schießen und formte mit ihren Lippen das Wort „Peng“. Dann zwinkerte sie mit den Augen, lachte und drehte sich weg.
Was sollte diese Geste? Wieder irgendwas aus einem Film? Wieder so eine Mafiosi-Gestik: „Ich kriege dich!“?
Während ich so daran dachte, wurde es in einer anderen Ecke laut, und ich musste ein paar renitente Neuntklässler zur Ordnung rufen. Als ich mich wieder umdrehte, war Liz verschwunden. Mein Blick suchte den Schulhof nach ihr ab. Aber ich konnte sie nirgends entdecken.
Als es dann geklingelt hatte, und die Schüler zurück ins Gebäude strömten, stand sie plötzlich neben mir und lächelte mich an.
Es hatte etwas Mysteriöses. Die Szene dauerte nur wenige Sekunden. Sie sagte nichts, und ich sah ihr nach, wie sie im Strom der Schüler verschwand.
Abends im Bett beschäftigte mich diese kleine Begebenheit und nicht die ernüchternde Konferenz des Nachmittags, in der ich mich mit ein paar stinkkonservativen Silberrücken im Kollegium angelegt hatte, die meinten, Innovation wäre ein Begriff des Teufels.
Dieses seltsame Lächeln auf dem Schulhof.
Dieses Katz und Maus Spiel.
Aber welche Rolle spielte ich darin?
Ich hätte die Katze sein müssen.
Warum kam ich mir so mausig vor?
Der Himmel schien grau und matt. Der Wind war still, nur eine leichte Brise wehte, aber die Windrichtung schien sich ständig zu ändern. Die Brise trug einen schalen, schwefeligen Geruch herbei. Er war fein, störte nicht, aber man konnte erahnen, dass er, wäre er nur ein wenig stärker gewesen, gestunken hätte. Ich stand inmitten einer ausladenden Ebene. Weit und breit war nichts. Eine glatte Fläche, die pastell-ocker erstrahlte unter einem trüben Himmel. Ohne Sonne, ohne Wolken, fahl.
Weit, weit in der Ferne erst konnte man Gebirge ausmachen, die den gesamten Horizont umschlossen. Sie mochten Hunderte Kilometer entfernt sein. Es war schwierig, Distanzen auszumachen in dieser Leere.
Leise, aber durchaus vernehmbar, erschallte der Schrei eines Greifvogels. Es musste ein riesiger sein. Ich sah in den trüben Himmel. Aber nirgends war etwas zu sehen. Der Himmel war leer. Eine einzige grau-blaue Fläche, die sich in der Unendlichkeit verlor. Wo war der Greif? Seine Schreie waren so laut, dass ich ihn sehen musste.
Mit kalten gelben Augen, Krallen, die mich ohne Probleme hätten packen können, einem riesigen, gebogenen Schnabel. Schwarz und mörderisch. So stellte ich ihn mir vor.
Ich lief ein paar Schritte in eine Richtung, erkannte dann aber, wie sinnlos das war. Als ich mich umdrehte, konnte ich sehen, wie die Brise meine schwachen Fußabdrücke auf dem harten vertrockneten Boden verwischte. Wie von einem unsichtbaren Besen weggefegt.
Der Schrei des Greifs wurde lauter, und ich erkannte Hohn in dem Krächzen. Ich lief noch ein paar Schritte, dann fiel ich auf die Knie. Kauerte mich nieder. Verbarg meinen Kopf in den Händen und weinte zitternd.
Nach einiger Zeit merkte ich, dass die Schreie verschwunden waren.
Ich sah auf.
Da stand sie.
Still, irgendwie feierlich. Asketisch. In ihren schwarzen Jeans und dem ausgewaschenen Shirt. Ihre schwarzen Haare wehten ein wenig in der Brise, gütig lächelte sie und bedeutete mir mit dem Hauch einer Handbewegung, aufzustehen und zu ihr zu kommen.
Sie war wunderschön.
Engelsgleich.
Ich stand unsicher auf und stolperte auf sie zu.
Doch als ich kurz vor ihr stand, da änderte sich ihr Ausdruck. Ihre Miene verfinsterte sich, in ihr war Erstaunen. Ich spürte ihre Augen auf mir und sah an mir hinunter.
Ich war vollkommen nackt.
Erschrocken und voller Scham warf ich mir vor ihr auf die Knie und verbarg meinen Körper vor ihren Blicken. Doch sie stand nur dort mit ausdruckslosem Gesicht und sah auf mich herab. Ich flehte sie an, mir zu helfen. Und ihre Stimme erklang plötzlich in meinem Kopf, aber ihre Lippen bewegten sich nicht:
„Wenn du mich ansiehst und keuch sein kannst, nehme ich dich auf!“
Ich nickte schluchzend und hob meinen Kopf. Doch als ich ihr in die Augen sah, da schoss ein solcher Strahl der Wärme in mich, dass mein Schoß entflammte. Ich versuchte das Gefühl zu unterdrücken, aber es gelang nicht. Dieser Strahl schlug geradewegs in mich, wie ein Stromschlag, wärmte mich, bewegte etwas in mir und veränderte sie in meiner Wahrnehmung. Ihre Haut leuchtete, hell und weiß, ihre Augen strahlten in kräftigem Grün. Die Luft um sie schien illuminiert. Das Schwarz ihrer Haare wurde dadurch in ein Unwirkliches Blau getaucht. Sie war wunderschön.
Und ich begehrte sie.
Mein Begehren, meine Lust, mein Verlangen!
Ich wollte es unterdrücken, um von ihr erlöst zu werden. Aber im gleichen Moment kam ich mir als Verräterin vor, dass ich meine Gefühle für sie verleugnete.
Und sie sah alles, was in mir vorging.
Schaute auf meinen Schoß und sah, wie wenig ich in der Lage war, ihre Bedingungen zu erfüllen.
Ich konnte nicht ruhig bleiben, ich konnte diese Wärme und die Wellen, die durch meinen Unterleib wogten, nicht unterdrücken.
Es war mir unmöglich, es gelang mir einfach nicht, und so gab ich mich dem Verlangen hin, hörte auf meinen Schoß, wandte mich meinen Gefühlen zu und ergab mich ihnen. Es war ein kurzer Kampf gewesen. Ich hatte ihn verloren.
Ich gab es offen und ehrlich zu.
Und dann begann sie, sich von mir zu entfernen. Ohne sich zu bewegen. Sie schien einfach in der Ferne zu verschwinden.
Schwebte davon.
Und ich blieb zurück in dieser unwirklichen Wüste.
Dann wachte ich auf.
Die Hände zwischen meinen Schenkeln. Ich rieb die Bettdecke an meinem Geschlecht. Die Schwere des Traumes lastete noch auf mir wie ein Schuldgefühl. Und mit diesem im Kopf berührte ich mich weiter. Mit beiden Händen zwischen meinen Schenkeln. Im Bett zusammengekrümmt flogen die Finger an meinem empfindlichen Fleisch vorbei, massierten mich.
Schnell und unerbittlich.
Es dauerte nicht lange, bis es sich über mir ergoss.
Mit meinen Gedanken bei diesem engelsgleichen Geschöpf und den Schuldgefühlen.
Letztere blieben noch lange, nachdem ich mich längst wieder beruhigt hatte.
Und sie ärgerten mich, denn ich wollte mich von diesen Schuldgefühlen nicht kujonieren lassen. Wer war diese Instanz, die sich anmaßte, mir vorzuschreiben, was ich fühlen durfte und was nicht?
Ich schlief ein. Nach dem ersten Höhepunkt, den ich seit langer Zeit erfahren hatte.
Am nächsten Morgen konnte ich fast nicht sagen, was Traum und was Wirklichkeit gewesen war. Und ich wollte auch nicht daran denken. Das Schuldgefühl war immer noch nicht verschwunden. Es drohte mir nicht mehr in dem religiösen und fanatischen Ausmaß der letzten Nacht, aber immer noch pochte es unüberhörbar in meinem Kopf.
So etwas träumte man nicht. Und man befriedigte sich zu solchen Träumen nicht.
Ich wischte den Gedanken unwirsch beiseite. Immerhin war ich eine erwachsene Frau und konnte unterscheiden zwischen Richtig und Falsch, und zwischen Traum und Realität.
Ich lebte mich langsam in der fremden Stadt ein. Es war nicht so einfach. Ich kannte niemanden in der Stadt und war auch nicht gerade jemand, der leicht Anschluss fand.
Nach dem Stress der ersten Zeit hatte ich nun wieder mehr Zeit für mich, und ich bemerkte, wie die alten Gefühle wiederkamen. Wie all das wieder hochkam, vor dem ich hatte fliehen wollen. Es schien nicht so einfach zu sein, der Vergangenheit zu entfliehen.
Insgesamt war es eine gute Entscheidung gewesen, die Stadt zu wechseln. Es tat alles nicht mehr so weh, und das Suhlen im Selbstmitleid schien mir sogar ein wenig geholfen zu haben. Irgendwann hatte ich dieses billigste aller Gefühle so ausgekostet, bis in jede Pore durchlebt, dass es sich schal und aufgewärmt anfühlte, ständig der Vergangenheit nachzutrauern. Das Messer, mit dem ich mich selbst gepeinigt hatte, war stumpf geworden. Ich konnte es selbst nicht mehr ertragen.
Auf meinem iPod war die Musikgeschichte der Lieder der gebrochenen Herzen versammelt. Von Beethovens Mondscheinsonate bis zu Sinead O’Connors Nothing compares to you. Ich hörte die Zusammenstellung rauf und runter, bis mir beim Joggen der iPod irgendwann geklaut wurde. Wie ich ihn genau verlor, ich wusste es nicht. Irgendwann war er verschwunden.
Was blieb, war das Gefühl der Fremde. Ich war allein in einer anderen Stadt. Ich hatte hier keine Freunde, und auch wenn ich die alten Freunde wieder anrief, blieb die Leere.
Hans tat immer noch weh, aber nun mehr wie die Erinnerung an einen Schmerz. Vielleicht eher wie ein Phantomschmerz. So etwas war er ja auch. Der Schmerz verursacht in einem Körperteil, das nicht mehr existierte. Aber eben ein Schmerz, der noch zu fühlen, nicht zu leugnen war.
Irgendwie entwickelte Liz sich zu einer Art ‑ sagen wir Bekannten. Wenn ich morgens in die Schule kam, hielt ich nach ihr Ausschau. Unauffällig natürlich. Ich lief ihr nicht nach oder so, aber ich schaute nach ihr. Es war so eine Art Ritual. Ich stand oben im Lehrerzimmer hinter dem vergilbten Vorhang und schaute hinunter auf den Schulhof. Wenn ich sie entdeckte, schien der Schulhof schöner, verschwand der Beton ein kleines Wenig, und das Grün der Sträucher trat deutlicher hervor, die bunten Jacken und Hosen der Kinder, die Sonne, der Himmel. Alles wurde ein wenig heller, farbenreicher. Es war nur eine Nuance, aber ich merkte es.
Da war einfach nur das Wissen, dass es jemanden gab, an den man dachte und der offensichtlich an einen selbst dachte. Was auch immer sie bewog oder antrieb. Sie hatte kein professionelles Verhältnis, sich mit mir auseinander zu setzen, wie die Kollegen das taten. Es war eine Wahl, die sie getroffen hatte. Sie wollte mich zur Kenntnis nehmen. Das reichte mir schon.
Wenn es sich anbot, blieb ich ein wenig länger in der Schule. Es gab schließlich immer was zu tun, zu korrigieren, vorzubereiten. Solche Sachen halt. Es war keine verschwendete Zeit, es war Arbeitszeit, die ich halt nicht bei mir zuhause absolvierte, sondern in der Schule.
Ich blieb da, nur um zu sehen, wie sie aus der Turnhalle kam nach dem Sportunterricht. Ich stand dann hinter dem Vorhang und wartete auf sie. Nachdem ich gesehen hatte, wie sie die Schule verließ ging ich mit einem besseren Gefühl nachhause. Ich hatte mir ihren Stundenplan angesehen. Vorher allerdings hatte ich mir einen Grund zusammengereimt, um dies zu legitimieren. Ich erinnere mich nicht mehr, wie ich mich gerechtfertigt hatte. Aber ich fand einen Grund, und dann ärgerte ich mich, dass ich mich vor mir rechtfertigen musste.
Wenn ich mit dem Rad fuhr, dann führte mich mein Weg manchmal an dem Haus vorbei, in dem sie wohnte.
Es war ein großes Haus, ein Stadthaus mit Stuckverzierungen. Was ihre Eltern machten, wusste ich nicht. Ich wollte es auch nicht wissen.
Es war alles ganz harmlos. Ich stellte mir vor, dass sie in ihrem Zimmer wäre. Spät abends brannte oft noch Licht. Ich fragte mich, was sie machte. Ob sie las oder ihre Hausaufgaben machte oder ... oder vielleicht an mich dachte.
So wie ich an sie.
Ich fuhr einfach die Straße entlang, weil sie in einer schönen Gegend lag, in einer besseren Gegend mit einer schönen Allee. Es war einfach ein kleiner Umweg, der sich aus vielerlei Gründen lohnte.
Sie war meine erste Bekannte in der neuen Stadt. Eine unbekannte Bekannte oder eine bekannte Unbekannte.
Wenn wir im Gang in der Schule aneinander vorbei gingen, hatte ich das Gefühl, als sähe sie mich an. Als würde sie meinen Blick suchen, meine Aufmerksamkeit oder was auch immer, den ich ihr ungeschickt verweigerte. Ich starrte starr auf den Boden oder suchte mir irgendeinen Punkt, um mich nicht zu verraten.
Ich meinte, hinter meinem Rücken zu spüren, wie sie süffisant lächelte, als würde sie meine Unsicherheit auskosten und als würde alles nach einem Plan verlaufen, den nur sie kannte. Es war mir unangenehm, und ich spürte, wie das Blut schneller durch einen Körper pumpte, wenn wir solch eine Begegnung hatten.
Einmal grüßte ich sie aus Versehen. Ich war in Gedanken irgendwo anders und sah auf, da kam sie mir entgegen, und ohne zu denken grüßte ich sie, wie man Kollegen grüßt oder eigene Schüler. Es war nur ein Kopfnicken und ein genuscheltes „Hallo“. Wie man das halt so macht. Ich konnte nicht sagen, ob sie den Gruß erwiderte. Sie war wahrscheinlich zu überrascht. So wie ich überrascht über meine unbedachte Handlung war. Es war einfach automatisch gekommen. Immerhin hatte ich ihr mit dieser Geste zu verstehen gegeben, dass wir einander nicht fremd waren, auch wenn das vielleicht durch viele andere Gesten zuvor bereits klar war. Aber ich hatte es nun offiziell getan.
Ich kam mir danach ziemlich blöd vor und ärgerte mich wieder über mich. Wieder so eine Situation, in der ich nicht souverän agiert hatte. Ich versuchte mir einzureden, dass ich nur das getan hatte, was ohnehin schon klar gewesen war und damit so gehandelt hatte, wie man das von jemandem erwartet in meiner Position. Aber das war nur ein schwaches Argument, und ich war selbst davon nicht überzeugt.
Mehr beschäftigte mich nun die Frage, wie ich von da an mit ihr umgehen sollte, wenn sich unsere Wege kreuzten. Konnte ich wieder zum Ignorieren zurück? Sollte ich sie von nun an immer grüßen? Es war einfach ärgerlich. Ich kam zu dem Ergebnis, dass ich bei der nächsten Begegnung einfach ihren Blick suchen und ihr die Reaktion überlassen würde. Aber auch das war nicht besonders geschickt. Immerhin übergab ich ihr damit das Heft des Handelns, dabei wollte ich doch diejenige sein, die die Kontrolle behielt.
Am nächsten Tag sah ich sie in einem Gang verschwinden, als ich aus dem Lehrerzimmer kam. Es war nicht wirklich ein Vorwand, der mich dazu brachte, ihr zu folgen. Seit Wochen schon wollte ich in den Abstellraum gehen, weil ich einen Satz Bücher suchte, die da sehr wohl sein konnten.
Aber als ich in den Gang einbog, war sie schon irgendwohin verschwunden.
Natürlich waren die Bücher nicht in dem Abstellraum. Später ärgerte ich mich über mein Verhalten, aber in diesem Augenblick drehte ich mich nur einige Male sinnlos im Kreis und verließ den staubigen Raum wieder.
Als ich heraus kam, erschrak ich.
„Verfolgen Sie mich?“
Liz lehnte betont lässig an der Wand.
„Was?“
„Verfolgen. Wie so ein Stalker. Sie kennen das doch. Diese Leute, die anderen Leuten hinterher rennen, sie belauschen, Psychoterror ausüben. Stalken.“
„Was?“
„Stalken Sie mich?“
Ich fühlte mich ertappt. Das Blut stieg mir zu Kopf. Es war albern. Was hatte ich mich zu rechtfertigen? Ich hatte sehr wohl das Recht, überall im Gebäude zu sein. Was hatte ich mich ihr gegenüber zu erklären? Aber so liefen meine Gedanken in diesem Moment nicht. Sie hatte mich erwischt. Ich rang um eine Antwort, druckste ein wenig rum, brachte das dann mit den Büchern vor, die ich suchte:
„Ich habe hier was gesucht.“
Aber mittlerweile kam mir diese Lüge auch schon abgestanden vor und meine Worte kamen so tranig heraus, dass ich selbst schon nicht mehr an sie glaubte. Ich begann mich wieder über mich zu ärgern. Warum fühlte ich mich ertappt?
Weil sie mich ertappt hatte. Was gab es zu leugnen?
Aber dann löste sie die Spannung.
„War nur ein Scherz!“
Und sie grinste. Wieder dieses seltsame Lächeln, das ich nicht deuten konnte. War es spöttisch oder wollte sie Sympathie damit ausdrücken? Was wollte sie mir sagen?
Ich atmete jedenfalls auf.
Dann tat sie etwas, das mir die nächsten Tage nicht aus dem Kopf gehen sollte.
Um mir zu zeigen, dass sie es nicht böse meinte, fasste sie meinen Arm und lehnte sich ein wenig zu mir. Eine dieser vertraulichen Gesten, die man unter Freundinnen ganz selbstverständlich macht, aber eben nicht zu Fremden. Schon gar nicht in solch einer asymmetrischen Beziehung, wie sie eine Schülerin zu einer Lehrerin hatte.
Mir schien diese Berührung vollkommen fremd und deplatziert. Aber in ihrem Auftreten war keine Spur Unsicherheit oder Zögern zu erkennen. War ich einfach nur übersensibel?
„Keine Sorge, war nur ein Scherz. Sie müssen sich nicht ertappt fühlen oder so. Suchen Sie nur Ihre Bücher. Geht mich ja gar nichts an!“
Es war überraschend, und erst schreckte ich ein wenig zurück, ihre Hand auf meinem Unterarm zu spüren. Es fühlte sich seltsam an. Auf der einen Seite war ihre Hand weicher als ich erwartet hätte von ihrem in mancher Hinsicht virilen Auftreten. Auf der anderen Seite fühlte es sich wie das Kribbeln einer Spinne auf dem Arm an. Etwas, das man schnell wegwischen wollte. Aus reinem Reflex. Aber der zweite Gedanke war nicht mein eigener, es war meine Moral, die mir dieses bedrohliche Gefühl einreden wollte.
Eine Sekunde später war sie verschwunden.
Später bekam ich diese Geste nicht mehr aus dem Kopf.
Sie hatte so etwas Vertrautes, aber auch Vertrauliches. Es war eine Geste der Nähe. Wie kam sie, wie kam eine Schülerin dazu, sich mit solcher Selbstverständlichkeit und mit solchem Selbstbewusstsein mir gegenüber zu verhalten?
Ich strich über die Stelle, an der ihre Hand meinen Unterarm umfasst hatte. Ihre Hand war nicht außergewöhnlich. Schmal, schlank, eine Mädchenhand halt. Und doch musste ich den ganzen Tag über immer wieder an die Stelle greifen. Als hätte sie ein Mal hinterlassen.
Und am Abend musste ich über ihre Worte nachdenken. Sie hatte erkannt, dass sie mich ertappt hatte. Sie hatte erkannt, dass ich ein schlechtes Gewissen hatte und ihre Bemerkung zu der Suche nach den Büchern zeigte, dass sie meine Ausrede als solche identifiziert hatte.
Ich war nicht gut im Lügen, war es noch nie gewesen.
Liz ersetzte für mich das, was Hans am Ende in der anderen Stadt gewesen war. Jemand, an dessen Schicksal man Anteil nahm.
Warum sie, wo sie doch so verboten war? Eine Lehrerin stellte einer Schülerin nicht nach. Es war ein ehernes Gebot.
Ein absolutes Tabu.
Was ich an ihr mochte? Es war so vieles, und es blieb doch so vage. Was wusste man schon von einem Menschen, den man immer nur flüchtig für wenige Sekunden sah? Immer nur Fetzen und winzige Schnipsel, die man zu einem Bild zusammensetzen musste. Und jedes neues Teilchen bedeutete eine neue Facette. In all dem, was mir an ihr mysteriös vorkam, glaubte ich doch auch immer ein Stück Erkenntnis zu finden. Ich bildete mir, dass ich ihr Herr werden konnte, wenn ich sie nur entschlüsselte.
Insgeheim gab es dahinter aber noch etwas anderes.
Ich bewunderte Liz einfach. Sie strahlte solch eine Sicherheit und Souveränität aus, die man einer Neunzehnjährigen nicht zutraute. Unsicherheit, Zweifel, Hadern, all das schien ihr fremd zu sein. Wie eine Zauberin, die bereits über alle Weltmeere, alle Gebirge und durch alle Länder gereist war, erschien sie mir. Die Weltwunder bei den ersten Sonnenstrahlen gesehen hatte und gegen grimmige Zentauren gekämpft und sie bezwungen hatte. Als hätte der fahle Mond der Unterwelt ihre Haut weiß gegerbt.
Sie hatte so viel Mystisches.
Ich weiß nicht.
In ihren Augen.
So phantasierte ich.
Sie schien durch nichts zu erschüttern zu sein.
Ich bewunderte sie dafür.
Für ihre Sicherheit und das Amazonenhafte, das sie ausstrahlte.
Wäre ich doch auch so unverwundbar wie sie! Hätte ich ihre Stärke!
Obwohl ich mehr als zehn Jahre älter war, konnte ich ihr nicht das Wasser reichen.
Niedergeschrieben wirkt dies vielleicht alles albern und wie blinde Schwärmerei. Aber muss ich mich dessen schämen? Dass ich sie idealisierte? Ich wollte es nicht, und doch tat ich es.
Es waren so viele kleine Dinge an ihr.
Als ich an diesem Abend ein Glas Rotwein zu viel getrunken hatte, in meinem Sessel saß, die Beine angezogen und die Gedanken schweifen ließ, und einmal wirklich ehrlich zu mir war: Da sehnte ich mich danach, in ihren Armen zu liegen und von ihr gestreichelt zu werden. Dann würde sie meine Schmerzen und mein Unsicherheit wegwischen. Sie würde sich meiner annehmen, und ich könnte loslassen und alles fahren lassen, könnte mich treiben lassen. Ich würde mich ihr schenken und ihr die Möglichkeit geben, sich an mir zu laben. Wenn sie sich nur meiner annehmen würde. Ich würde ihr bedingungslos Zugang zu mir gewähren.
Ich sah mich, wie ich vor ihr stand. Sie saß in einem Sessel, die Arme auf den Lehnen. Wie eine Herrscherin trotz ihrer abgerissenen Gothic-Klamotten, die mehr grau als schwarz verwaschen waren. Obwohl es dunkel war, leuchteten ihre Augen in der Nacht.
Sie würde mir mit einer lässigen Handbewegung gebieten. Und ich würde gehorchen. Ich würde vor ihr knien. Den Kopf gesenkt und den Blick auf ihre Schuhe gerichtet, auf die Converse mit den Totenköpfen.
Sie würden leicht wippen. Zu einer Musik, die sich in ihrem Kopf abspielte. Irgendwas Bizarres, das ich nicht kannte.
Sie ließe mich dort warten in meiner Demut, bis es ihr beliebte, sich mir zu widmen. Ich genoss dieses Warten, denn es zeigte, wie geduldig ich war und wie ergeben ich ihr war. Sie würde stolz sein auf mich, und ich würde stolz sein, dass sie es auf mich war.
Ich würde einfach dort knien und darauf warten, dass sie etwas anderes befahl. Wenn ich nur weiterhin zu ihren Füßen sein durfte.
So dachte ich an diesen Abend in meinem Sessel nach einer Flasche Rotwein.
Waren diese Gedanken frevelhaft?
Sie waren es.
Es kümmerte mich in diesem Moment nicht.
Es scherte mich nicht, ich schämte mich nicht. Und ich schämte mich auch nicht meiner Finger, die ich über meinen Körper gleiten ließ in der unerhörten Wunschvorstellung, dass es ihre waren.
Am nächsten Tag tat sie es dann.
Ich hatte bis spät Unterricht, danach noch ein etwas unangenehm verlaufendes Elterngespräch. Es war ein langer Tag.
Als ich schließlich um fünf Uhr zu meinem Auto auf dem Parkplatz kam, sah ich sofort, was los war. Der linke Vorderreifen war platt.
Scheiße!
Wir hatten einen mysteriösen Reifenstecher an unserer Schule. Er hatte schon die Reifen einiger Kollegen aufgeschlitzt. Das hatte für große Empörung im Lehrerzimmer gesorgt. Ich hatte das eigentlich nie so richtig mitbekommen. Bis jetzt hatte es immer die Kollegen getroffen, die es vielleicht sogar verdient hatten. Die, die Schüler hassten, die sich ihnen gegenüber unmöglich benahmen. Ich hatte mir daher keine Gedanken gemacht, hatte geglaubt, dass ich nichts zu befürchten hätte von diesem Vandalen. Unter den respektierteren Lehrern galt der Vandale als namenloser Rächer, und darin schwang durchaus ein wenig Genugtuung, denn nicht nur die Schüler, auch die Lehrer, die ein besseres Verhältnis zu ihren Schülern pflegten, hatten darunter zu leiden, wenn sie mal wieder aufgefordert wurden, sich zu den rassistischen, frauenfeindlichen Sprüchen zu äußern, die ihnen um die Ohren gehauen worden waren.
Jetzt war also auch ich dran.
Es kränkte mich schon, hatte ich doch immer das Gefühl oder zumindest die Hoffnung gehabt, fair und verständnisvoll zu sein. Wer sollte es auf mich abgesehen haben? War ich so schlimm wie Herr Meier, der ständig anzügliche und ausländerfeindliche Witze machte oder wie Dr. Börner, der Kinder nur anbrüllte und sie als minderwertig bezeichnete?
Was hatte ich mit diesen Leuten gemein? Welcher Schüler hatte es wohl auf mich abgesehen? Was hatte ich ihnen getan?
Weit und breit war kein Mensch mehr auf dem Schulgelände zu sehen. Auch der Hausmeister nicht, der sonst immer irgendwo werkelte.
Es war kein so riesiges Problem.
Einen Reifen bekam ich noch gewechselt. Ich hatte das schon gemacht, aber ich war eben müde und hatte mich auf eine heiße Wanne und ein paar Nudeln gefreut.
Es blieb mir nichts anderes übrig, als mich selbst um die Angelegenheit zu kümmern. Also seufzte ich und legte los. Ich holte den Ersatzreifen und den Wagenheber aus dem Kofferraum und versuchte die Radmuttern zu lösen, bevor ich den Wagen aufbockte. Ich kannte die Routine. Ich hatte es als Ehrensache empfunden, einen Reifen wechseln zu können, um nicht so hilflos dazu stehen.
Als ich irgendwann aufsah, sah ich Liz, die auf ihrem Hollandrad vor der Schule hin und her fuhr.
Wie so eine Leopardin, die aus der Entfernung eine Herde Antilopen umkreist, unschlüssig, ob sie nun eine reißen soll oder nicht.
Das war zumindest mein erster Gedanke.
Es hatte etwas Raubkatzenhaftes, wie sie dort herumfuhr. Und ich konnte mir nicht vorstellen, dass dies ein Zufall war.
Aber hatte sie meinen Reifen zerstochen? Ich konnte es mir nicht vorstellen. Was hatte ich ihr getan?
Ich versuchte sie zu ignorieren und widmete mich meiner Arbeit und der fest sitzenden Radmutter. Wahrscheinlich sah es schon albern aus, wie ich auf dem Kreuzschlüssel rumsprang, vor allem, da ich auch nicht wusste, in welche Richtung ich die Schraube eigentlich zu drehen hatte.
Aus den Augenwinkeln sah ich immer wieder, wie sie da herum radelte. Sie schien mich nicht zu beachten, zumindest tat sie so, und ich tat so, als beobachte ich sie nicht.
Schließlich löste sich die Schraube, ich drehte sie los, wusste nun, in welche Richtung ich drehen musste und bekam auch die anderen drei Schrauben schnell gelöst und bockte das Auto mit dem Wagenheber auf.
Irgendwann hörte ich, wie sie angefahren kam. Ich unterbrach meine Arbeit, wischte mir einen Tropfen Schweiß von der Stirn und eine Strähne aus dem Gesicht und sah sie stumm an.
Sie war zu mir gekommen, dann sollte sie auch das Gespräch beginnen. Ich jedenfalls war weder in der Stimmung noch vorbereitet auf Smalltalk.
Sie hielt sich nicht mit einer Begrüßung auf und kommentierte auch nicht meine Arbeit oder den Reifen.
„Sie haben gestern ziemlich schuldig geguckt.“
„Was?“
Sie stieg vom Rad, kam zu mir und lehnte sich an den Kotflügel, obwohl der in der Luft hing.
Ich sorgte mich ein wenig, dass sie den Wagenheber wegknicken könnte.
„Gestern, als ich Sie gefragt habe, ob sie mich verfolgen. Da haben Sie ziemlich komisch aus der Wäsche geglotzt. Als hätte ich Sie ertappt.“
Die Position war seltsam. Ich kniete da vor meinem Wagen und sie stand über mir. Ich musste zu ihr aufschauen, als ich antwortete.
„Oh, das meinst du“, ich versuchte beiläufig zu klingen. „Ich glaube, das bildest du dir nur ein.“
Ich tat, als kümmerte ich mich um den Wagen und schaute sie nicht an.
„Das glaube ich nicht!“
Ihre Stimme war eine Nuance härter geworden.
Ich sah zu ihr auf. Dieser Höhenunterschied, auf der unsere Kommunikation ablief, war nicht gut. Ich so zu ihren Füßen, aufschauen müssend. Dazu noch angestrengt und verschwitzt, während sie die Lässigkeit in Person war.
Und doch hatte das auch etwas Wahres. Eine Schwere erfüllte jedenfalls meinen Rumpf, als ich aufstehen wollte, um diesen Positionsunterschied wett zu machen. Irgendwas in mir wollte mich zurückhalten, in dieser untergebenen Position belassen. Ich musste jedenfalls etwas in mir überwinden, um aufzustehen.
Aber als ich dann stand, auf Augenhöhe mit ihr war, da fühlte ich mich auch nicht wirklich anders, nicht überlegen. Ich schob es auf meine Verfassung, meinen Anblick, den späten Nachmittag. Aber ich wusste, dass ich mir etwas vormachte.
„Ich wollte Sie in Ihrer Arbeit nicht stören. Machen Sie nur weiter!“
Die Frage, ob sie wirklich so naiv und schlecht erzogen war, stellte sich mir nur für den Hauch einer Sekunde. So unaufmerksam konnte niemand sein. Sie hatte mir ganz bewusst ihre Hilfe nicht angeboten.
Ich sah sie stumm an, und sie blickte kühl zurück. Der Schweiß stand auf meiner Stirn und meine Hände waren dreckig. Ich konnte sie nicht in die Tasche stecken, ich konnte sie nicht in die Hüften stemmen, ich konnte die Arme nicht vor der Brust verschränken. Ich wusste nicht wohin mit ihnen und fühlte mich unwohl und unangemessen.
„Also, was sagen Sie?“
„Wozu?“
„Sie haben mir nachgestarrt.“
„Wie gesagt. Das musst du ‑“
„Ist ja auch egal, ob Sie es zugeben oder nicht.“ Ihre Stimme klang ungeduldig, doch als ich nicht sagte, was sie hören wollte, machte sie eine lange Pause, in der wir uns stumm gegenüberstanden.
„Wissen Sie, ich habe Sie auch beobachtet. Länger schon als Sie mich, glaube ich.“
Ich hatte plötzlich einen Kloß im Hals, ohne dass es dafür einen Grund gegeben hätte. Warum fühlte ich mich jetzt schon wieder schuldig?
„Und?“
„Ich denke, ich weiß, was Sie an mir so interessiert.“
„Wie gesagt, du musst dir da was einbilden.“
„Ok, hören Sie zu!“
Wieder diese Ungeduld.
„Ich muss hier nicht stehen. Ich habe extra auf Sie gewartet, um mit Ihnen zu sprechen. Sie brauchen es ja nicht zuzugeben, aber dieses ständige Leugnen nervt mich langsam. Wenn Sie nicht hören wollen, was ich Ihnen zu sagen habe, dann ist das Ihre Entscheidung. Aber was ich Ihnen sagen wollte, hören Sie nur hier und jetzt, und wenn Sie noch einmal leugnen, dann bin ich weg, und Sie werden es niemals hören.“
Mein Verstand sagte mir, dass ich jetzt einzuschreiten hatte. Mein Verstand sagte mir, dass ich mir diesen Ton nicht gefallen lassen durfte. Ich musste sie zu Recht weisen. Als die Ältere, als die Lehrerin, als die Respektsperson. Das war die gleiche Situation wie vor wenigen Wochen im Gang. Ich musste mich von ihr doch nicht herumkommandieren lassen! Ich musste mir von ihr doch keine Ultimaten stellen lassen!
Aber das war nicht der Moment der Ratio. Sie drohte mir, dieses Spiel, oder was immer es war, zu beenden. Das konnte ich nicht zulassen. Ihre Drohung traf mich. Die gleiche Macht, die mich vor ihren Füßen verharren lassen wollte, hielt mich zurück, das Spiel zu beenden. Sie gewann wieder. Ich wollte hören, was sie zu sagen hatte, was sie anzubieten hatte.
Also sah ich sie stumm an. Ohne Widerworte und schicksalsergeben.
„Na also. Geht doch. Sie finden irgendwas an mir, sonst würden Sie mir nicht so nachstellen. Ich seh’s in Ihren Augen. Ich bin geradeheraus und offen und so. Und Sie suchen so jemanden wie mich.“
Sie hatte recht, so wenig ich mir das eingestehen wollte.
„Ich habe auch über Sie nachgedacht. Ich glaube, es würde mir Spaß machen, Ihnen das zu geben, was sie so dringend brauchen.“
Sie sah mich an.
Ihre Stimme hatte sich geändert. Sie klang jetzt ernst und seriös, sprach wie eine Erwachsene.
„Und was suche ich deiner Meinung nach?“
Der Frosch in meinem Hals ließ mich ein wenig krächzen. Dabei wollte ich doch neutral und unbeeindruckt klingen.
Sie sagte nichts, sondern trat einen halben Schritt näher und starrte mich an. Mit diesen grünen Augen. Funkelnd. Ich weiß nicht, ob sie sich auf Zehenspitzen stellte oder ich unwillkürlich zusammensank, jedenfalls war da wieder dieser Größenunterschied.
Dieser Unterschied in der Hierarchie.
Ich blickte wieder zu ihr auf, und was ich ihren Augen entnahm, entsprach all meinen Sehnsüchten. Diesen neuen Sehnsüchten, die ich bisher nie gekannt hatte.
Dann zerschnitten ihre Worte leise diesen Moment:
„Das weißt du ganz genau.“
Es war ein beschwörendes und gehauchtes Flüstern, ich erkannte, dass sie mich duzte, dass sie Grenzen überschritt, aber es waren die, die ich überschritten sehen wollte.
Da war etwas. Es war etwas Dunkles. Ich konnte es nicht sehen, ich roch es allenfalls. Es roch schwer und animalisch, nach Moschus vielleicht. Ein schwerer Duft. Ich hätte es nicht in Worten ausdrücken können. Damals nicht, und ich glaube, Liz konnte es auch nicht. Sonst hätte sie es formuliert. Sie war geradeheraus und druckste nicht herum.
Mir fiel keine Antwort ein. Was konnte ich erwidern? Aber sie erwartete eine Replik.
Es gab eine richtige Antwort. Eine klare Antwort:
„Nein! Was bildest du dir ein? Wer bist du? Was nimmst du dir heraus? Was glaubst du, was ich riskiere? Was immer du meinst, ist falsch!“
Und doch erschien am Horizont eine Armee der Visionen, die Unerhörtes versprachen. Die Schritte ihrer Stiefel im Gleichklang, die immer lauter in meinem Hirn widerhallten. Stark und unwiderstehlich.
„Gib dich ihr hin! Gib dich ihr hin! Gib dich ihr hin!“
So klang es im Rhythmus ihres Marsches.
Ich bekam Angst vor meinen eigenen Fantasien. Und dazu dieses Hämmern in meiner Brust.
„Gehorche ihr! Gehorche ihr! Gehorche ihr!“
Es war mein Herzschlag und all dieser Lärm in meiner Seele.
Das Vibrieren und Marschieren einer wohlorganisierte Armee. Einer Armee von dunklen Gestalten, die nach Moschus und heißem Schweiß stanken.
Sie verscheuchten die klaren Antworten der Moral, die in alten zerschlissenen Tuniken da standen und räsonierten. Blasiert mit grauen Haaren von Anstand faselten. Sie liefen watschelnd und degeneriert davon, verscheucht durch die übermächtige Armee am Horizont. Mit ihren grimmigen Blicken und einem Funkeln in den grünen Augen.
Was gab es noch zu überlegen?
„Gehorche ihr! Gehorche ihr! Gehorche ihr!“
Ich senkte meinen Blick in Kapitulation.
Sie hatte gewonnen. Ich konnte ihr nicht widersprechen.
Aber sie missinterpretierte diese Geste wohl, oder sie war ihr nicht eindeutig genug. Ich konnte es nicht sagen.
„Denken Sie drüber nach. Ich gebe Ihnen eine Woche.“
Ihre Stimme hatte wieder diese erwachsene Sachlichkeit angenommen, als hätten wir über irgendeine geschäftliche Abmachung gesprochen.
Bevor ich antworten konnte, hatte sie sich schon umgedreht, war auf ihr Fahrrad gestiegen. Bevor sie fortfuhr sagte sie noch:
„Haben Sie mal gecheckt, ob Ihnen nicht irgendwer einfach die Luft raus gelassen hat? Aus dem Reifen meine ich. Könnte ja sein“
Dann radelte sie davon.
Sie sah sich nicht um.
Ich verharrte dort.
Stumm und hilflos mit laut schlagendem Herzen.
Und zwischen den Kieselsteinen sah ich die Ventilkappe meines Vorderreifens.
Ich stand wieder in dieser Ebene, sah mich um, versuchte am Horizont etwas auszumachen.
Der schweflige Geruch stach diesmal stärker in meiner Nase. Am Horizont war etwas. Es dauerte, bis ich es als Staubwolke ausmachen konnte. Sie kam rasend schnell näher, türmte sich vor mir auf, hielt genau auf mich zu. Dann hörte ich ein dumpfes Rauschen. Leise erst. Wie die Brandung am Meer. Irgendwann schälten sich dort Schreie heraus. Es waren Kampfschreie.
Ich drehte mich um und versuchte zu fliehen. Aber weit und breit war nichts als Ebene. Ich machte drei halbherzige Schritte, versuchte ihnen zu entfliehen. Dann hielt ich an. Es machte keinen Sinn. Als ich mich umdrehte, standen sie da. Ein Dutzend Kriegerinnen. Wie Amazonen gekleidet. In schweres Leder und matt glänzendes Metall. Ringe, Reife, Ornamente, geschnürte Ledersandalen. Korsette, die ihre vollen Brüste anhoben, Kriegsbemalung in den grimmigen Gesichtern.
Schwer und klirrend kam eine auf mich zu, während die anderen dastanden, überheblich und spöttisch. Eine Hand am Knauf des Kurzschwertes. Sie war zwei Köpfe größer als ich. Die schwarzen, langen Haare wehten strähnig im Wind. Die grünen Augen schienen das einzige zu sein, das der Umgebung Leben gab. Ein giftiges, unwirkliches Grün.
Ich drehte mich um, wollte weglaufen. Doch sie griff nach mir und fasste das weiße Kleid aus Stoff dünn wie Gaze und riss es mir vom Leib.
Ich blickte ihm nach, wie der Wind es einer beseelten Skulptur gleich fort wehte. Ich starrte an mir herab. Ich war vollkommen nackt.
Mein Körper war so viel heller als der von der Sonne gegerbte Körper der Amazone. Mein Fleisch war so viel weicher als der muskelgestählte Körper der Amazone.
Ich wich vor ihr zurück, doch sie war flinker. Mit einer blitzschnellen Bewegung griff sie mit einer Hand meine Kehle. Ich sah das Hervorzucken ihres Armes kommen wie eine angreifende Schlange, die gekrümmten Finger wie die Giftzähne einer Schlange.
Wie rau ihre Hand sein muss, dachte ich verwundert. Doch als die Finger meine Kehle umschlossen, da griffen sie zwar hart und erbarmungslos zu, doch auch irgendwie zart und weich. Es machte keinen Sinn.
Mit einer Hand hob sie mich an der Kehle in die Luft. Ich blieb steif, zappelte nicht, war von ihrer Übermacht überzeugt und eingeschüchtert.
Die andere Hand griff mir plötzlich zwischen die Schenkel. Es war ein rüder Griff, aber auf der anderen Seite waren die Bewegungen dann auch samten. Ich spürte, wie das Blut in meinen Unterleib schoss, wie sie mich erregte und meine Säfte zu fließen begannen. Ich blickte in ihre Augen, die mich mit einem kalten Blick musterten. Ich sah flehend zurück.
Flehend.
Aber was erflehte ich?
Wollte ich, dass sie mich losließ und verschonte?
Wollte ich, dass sie ihre Hände dort ließ?
An meiner eingeschnürten Kehle?
In meinem brennenden Schoß?
Sie zog mich ganz nah an sich, dass unsere Nasen sich fast berührten.
Dann flüsterte sie, als hätte sie meine Gedanken erraten:
„Ich lasse dir die Wahl. Wenn du meinen Fingern widerstehen kannst, lasse ich dich frei und in Frieden gehen. Wenn du ihnen nicht widerstehst, mache ich dich zu meiner Sklavin. Dein Platz wird zu meinen Füßen sein. Du wirst mir dienen. Dein Wohl wird nichts bedeuten. Meines alles. Du wirst mir ausgeliefert sein. Ich werde machen mit dir, was mir beliebt, und wenn ich deiner überdrüssig bin, werde ich dich auslöschen wie Ungeziefer. Dieser Test wird vielleicht die letzte Möglichkeit sein, deinen freien Willen unter Beweis zu stellen. Hast du mich verstanden?“
Ich nickte, doch nur ein Röcheln entkam meiner Kehle, als ich sprechen wollte.
Augenblicklich spürte ich ihre Finger. Sie streichelten über meine Schenkel. Hinauf und hinab, umfuhren ihre Kurven, untersuchten mal die Innenseiten, dann fuhren sie wieder hinauf bis zu meinem Po. Mal griffen sie zu, griffen kraftvoll in mein Fleisch, dass ich meine Muskeln anspannen musste, damit sie mich nicht verletzten, nicht in mich eindrangen. Dann wieder streiften sie so zart über meine Haut, dass meine Nerven nicht mal sicher sein konnten, ob sie mich überhaupt berührten oder es nur ein Lufthauch war, von ihr aufgewühlt, der mich erregte.
Ich versuchte mich zu wehren, sträubte mich gegen die Berührungen, zappelte in ihrem Griff, auch wenn mich das wieder und wieder der Luft zum Atem beraubte. Doch ich konnte ihr nichts entgegensetzen. Ihre Hand an meinem Leib war gnadenlos und fing mich immer wieder ein.
Meine Augen flehten ihre an. Doch sie sah mich nur unverwandt und kalt an. Sie las in meiner Seele, erriet, wonach ich dürstete.
Ich schloss die Augen, wollte ihr diesen Schlüssel zu mir verwehren. Doch auch die Dunkelheit schaffte keine Linderung. Nun musste ich mich der Bilder erwehren, die mein eigenes Auge heraufbeschwor. Nun gab es keine Ablenkung und die Manipulationen ihrer Hand trafen mich umso tiefer.
Ihre Hand an meinem Bauchnabel, fuhr hinab, über meinen Venushügel, brachte mich zum Erschaudern. Zwischen meinen Beinen hindurch, über meine Pobacken. Immer wieder und wieder.
Ich konnte mich ihrer Beschwörung immer weniger entziehen, nicht mehr wehren. Mein Unterleib brannte, pochte und schrie.
Der Schweiß stand mir auf der Stirn und rann mir den Rücken hinunter.
Feucht.
Und doch konnte er mich nicht kühlen und brachte keine Linderung.
Es waren Wellen, die über meinen Körper spülten.
Heiß und aberwitzig.
Ich merkte, dass ich mich ihnen nicht entziehen konnte, und ich wollte es auch nicht.
Ich wollte ihre Erlösung.
Ich wollte von ihr erlöst werden.
Ich wollte ihr sein.
Diese eine Erlösung für das Ende aller Freiheit?
Ein Höhepunkt für das restliche Leben?
Wie aberwitzig.
Ich fasste meinen Entschluss.
Ich öffnete die Augen.
Ich ließ sie in mich blicken.
Ich ließ sie mich besitzen.
Schenkte mich ihr.
Gab den Widerstand auf.
Ließ es über mich ergießen.
Und wenn mich danach ewige Sklaverei erwarten würden.
Es war egal.
Nur für dieses eine Mal.
Ich konnte nicht sagen, ob ich diesen Orgasmus geträumt hatte, oder ob ich bereits wach war, als er über mich wusch wie eine Welle gegen die Felsküste brandet. Doch als ich wieder bei Sinnen war, lag ich nassgeschwitzt im Bett. Eine Hand an der Kehle, die andere zwischen meinen Schenkeln.
Ich hätte des Traumes nicht bedurft. Meine Entscheidung war gefallen in der Sekunde, in der sie ihren Vorschlag vorgebracht hatte. Was ich brauchte, war Zeit diese anzunehmen und all die gerechtfertigten Einwände in die hinterste Ecke meines Verstandes zu schieben.
Es war unmoralisch, es war undenkbar, es war gefährlich. Es war das Risiko nicht wert.
Ich setzte meine Karriere aufs Spiel.
Meinen Job und mein bisheriges Leben.
Wenn das herauskäme, hätte ich alles verspielt. Und es würde herauskommen, weil man so etwas nie auf Dauer verheimlichen konnte.
Ich hatte keinen Grund, ihr so weit zu vertrauen. Sie war eine Fremde, die ich seit wenigen Wochen erst kannte.
Ich wusste nichts über Liz, außer den wenigen Informationen, die ihre Akte hergaben, und die Schnipsel meiner Beobachtung.
Was wollte Liz überhaupt von mir?
Ihre Worte hatte ich aufgeschrieben. So wie ich mich ihrer erinnerte.
Wiederholt hatte ich dort gesessen und sie aufgeschrieben. Beim ersten Mal war meine Schrift dem Inhalt nicht angemessen. Es war nervöses Gekritzel gewesen, durchgestrichen und wieder neu angesetzt, um ihre Wortwahl aufzufangen. Ich holte meinen besten Federhalter hervor und schrieb sie wieder auf. Auf das teuerste Papier, das ich finden konnte, das man nur für die ganz wichtigen privaten Briefe benutzte. Die Liebesbriefe halt, die ich nie geschrieben hatte. Dann las ich ihre Worte wieder und wieder. Es gab mir ein Gefühl der Kontrolle. Es war lächerlich, aber ich wollte irgendeine Form der Erkenntnis haben. Meine ganze Welt war im Begriff, zusammenzufallen. Was sollte ich machen?
Ich glaube, was mich am meisten zu ihr zog, war eine Beiläufigkeit:
Ich habe über sie nachgedacht.
Ein harmloser Satz.
Aber wer sonst tat das?
Mir war klar, wie absurd das klang, mir war auch klar, wie aberwitzig meine Hoffnung in sie war.
Aber meine Seele war auch ziemlich übel zugerichtet. Warum sollte Liz sie nicht heilen? Vielleicht hätte ich ihr auch etwas zu bieten. Irgendetwas, und wenn es nur Gehorsam wäre. Ich wusste nicht, was sie antrieb in all dem, aber ich wusste, was ich ihr schenken wollte.
Die Woche verging in der schmerzhaften Träge, die man sich leicht vorstellen kann. Ich haderte, wägte das Für- und Wider solch einer amour fou ab und hatte mich doch eigentlich längst entschieden.
Es war ein sehnsuchtsvolles Warten, schön und schrecklich zugleich. Ich war in dieser Woche recht unausstehlich. Leicht zu reizen, einfach aus der Fassung zu bringen, impulsiv, selbstgerecht. Ich merkte es selbst, konnte aber nichts dagegen tun.
Liz ging mir in dieser Woche aus dem Weg. Zumindest erschien mir das so.
Am Tag nach unserem Gespräch am Parkplatz fand ich eine Nachricht hinter dem Scheibenwischer meines Wagens.
Ich las sie mit klopfendem Herzen, trug sie immer bei mir und legte sie abends auf meinen Nachttisch, um sie ein letztes Mal vor dem Einschlafen zu lesen und mit ihr einzuschlafen.
Es ging ihr um Macht und Herrschaft, um das Gefühl, jemandem überlegen zu sein. Ihre Worte waren eindeutig, wenn sie auch vage blieb in der Frage, welche Mittel sie einzusetzen gedachte, um diese Macht zu demonstrieren. Es ging um sexuelle Überlegenheit natürlich. Aber wie würde die sich äußern?
Mittlerweile hatte ich mir selbst ähnliche Gedanken gemacht, sodass der Informationsgehalt des kurzen Briefes mich nicht überraschte. Es war seine emotionale Bedeutung, die ihn mir so teuer machte.
Sie glauben, dass Sie mir überlegen sind. Sie sind um die zehn Jahre älter als ich, schätze ich mal. Sie haben studiert und sind gebildet. Ich bin es nicht. In Ihren Augen bin ich ein kleines Mädchen, eine Schülerin wie alle anderen. Aber in den zehn Jahren, die Sie mir voraus haben, haben Sie bestimmt nur Gänseblümchen und Pusteblumen gepflückt und ich die Blumen des Bösen. Meine Welt ist düsterer als Ihre, und Sie haben mir nichts entgegenzusetzen.
Gestehen Sie es sich ein und ergeben Sie sich mir!
Der entscheidende Abend war gekommen.
Liz hatte mir am Tag zuvor wieder einen Zettel unter den Scheibenwischer geklemmt:
Wenn Sie mein Angebot annehmen, erwarten Sie mich um 20:00 Uhr in ihrer Wohnung. Lehnen Sie die Haus- und Wohnungstür nur an und setzen Sie sich mit dem Gesicht zum Fenster in ihr Wohnzimmer und warten dort. Wenn irgendeine Tür geschlossen ist, dann nehme ich das als Absage.
Der Tag kroch noch langsamer dahin, als ich es erwartet hatte. Ich hätte korrigieren müssen, ich hätte eine Konferenz vorbereiten müssen, ich hätte mich ablenken müssen. Aber ich konnte mich auf nichts anderes konzentrieren. Also, was wunderte mich das?
Es fühlte sich an wie ein erstes Date. Die Aufregung eines kleinen Teenagers. Die Hoffnung und Erwartungen. Die Sehnsucht und die Angst vor Enttäuschung. Die Angst etwas falsch zu machen.
Um fünf vor acht Uhr ging ich nach unten, peinlich bemüht, die Zeit genau einzuhalten.
Ich nahm einen Stuhl und stellte ihn vors Fenster und setzte mich darauf. Es war 19:57 Uhr. Die Zeiger der Uhr waren meine größten Feinde an diesem Tag gewesen.
Gerade auf dem Stuhl sitzend wartete ich, beide Hände flach auf die Schenkel gelegt in einer diszipliniert wirkenden Haltung, die jedoch nichts als eine Farce war, denn es brannte in mir, dass jede Beherrschung mir abhanden gekommen war. Mein Körper mochte sich diszipliniert zeigen, in mir brannte das Chaos.
Ungeduldig, mit pochendem Herzen saß ich dort.
Um fünf nach Acht bemerkte ich, dass ich auf dem falschen Stuhl saß. Es war einer der harten Holzstühle, die ich nicht sonderlich mochte. Ich hatte ihn ohne groß nachzudenken ausgesucht und vor das Fenster geschoben. Es war noch nicht einmal der dem Fenster nächste gewesen. Ich hatte ihn aus der Küche geholt. Als ich das nun reflektierte, erschloss sich mir meine Wahl. Der Stuhl erinnerte mich in seiner Einfachheit an die Stühle, die man in Filmen in Verhörzimmern sah.
Ich bekam ein unbehagliches Gefühl als ich erkannte, in welchen Bahnen sich meine Seele unbemerkt zu bewegen schien.
Sollte ich den Stuhl wechseln? Mir einen bequemeren suchen? Da war der gepolsterte in der Ecke, nur ein paar Schritte entfernt. Wenn ich den Kopf drehte, konnte ich ihn sehen.
Der Sessel wäre sicherlich unpassend gewesen, aber der Polsterstuhl wäre besser für meinen Po und meinen Rücken.
Ich müsste sie nur austauschen. Einen Augenblick würde das nur in Anspruch nehmen. Mehr nicht.
Und doch wagte ich es nicht. Mein Auftrag war ein anderer. Ich sollte dort sitzen bleiben, warten und vor allem gehorchen.
Dies war das erste Treffen. Das durfte ich nicht mit einer Disziplinlosigkeit beginnen.
Was, wenn sie mich am Fenster beobachtete?
Was, wenn sie sich durch das Treppenhaus bereits in meine Wohnung geschlichen hätte?
Was, wenn sie bereits hinter mir stand?
Die Haare in meinem Nacken stellten sich auf und, ich spürte diese Wärme, wie von ihren Blicken erhitzt an meinem Hals.
Ich musste mich dazu zwingen, mich zu entspannen.
Mein Verstand spielte mit mir.
Meine Paranoia tanzte.
Liz spielte mit mir. Liz tanzte mit mir.
Warum ließ sie mich so lange warten?
Ich drehte mein Handgelenk etwas. 20:21 Uhr.
Warum kam sie nicht? Hatte sie es sich anders überlegt? Hatte sie mich nur narren wollen?
Warum kam sie nicht?
Hatte sie der Mut verlassen?
Den letzten Gedanken konnte ich nur harsch verneinen. Nein, der Mut hatte sie sicher nicht verlassen. Nicht meine Liz.
Sie wollte mich einfach warten lassen. Sie wollte mich quälen.
Sie wollte meine Loyalität prüfen. Sie saß vermutlich irgendwo draußen und observierte mich. Nur um zu sehen, ob ich gehorchte oder hier vielleicht mit einem Weinglas durch die Wohnung schlurfte.
Aber so war ich nicht. Ich nahm ernst, was sie sagte. Ich wollte ihr gefallen. Ich würde ihr zeigen, dass sie die richtige Wahl getroffen hatte. Ich würde ihr genügen.
Das Wohnzimmerlicht brannte hell. Ich hätte es ausmachen und ein paar Kerzen anmachen sollen. Ich hätte zumindest einige Birnen herausschrauben sollen. Das hatte ich schon lange vorgehabt.
Nun war es zu spät.
Ich wartete, gerade auf dem Stuhl sitzend, beide Hände flach auf die Schenkel gelegt.
Es war 20:37 Uhr, als ich unten ein Geräusch hörte.
Die Tür wurde geschlossen, jemand kam die Treppe hoch, öffnete meine Wohnungstür. Ich hörte das leise Quietschen. Dann wurde die Tür geschlossen.
Ich richtete mich auf, spannte mich an. Meinem Herzen musste ich nicht sagen, dass es schneller schlagen sollte. Das Blut schoss durch meinen Körper. Es rauschte mir in den Ohren.
Ich verfolgte das Geräusch ihrer Schritte durch den Flur. Sie blieb am Bad stehen und öffnete die Tür. Dann ging sie in die Küche, schaute in mein Arbeitszimmer, in mein Schlafzimmer und erst dann kamen die Schritte näher. Sie ließ sich Zeit. Ich hörte das Knarren der ersten Holzdiele im Wohnzimmer und hatte wieder das warme Gefühl in meinem Nacken.
„Sie haben eine schicke Wohnung. Guter Geschmack, das muss ich Ihnen lassen. Vielleicht ein wenig kahl und weiß für meinen Geschmack. Aber es muss ja Ihnen gefallen.“
Ihre Stimme klang beiläufig. Kein Wort zu ihrer Verspätung, kein Wort dazu, ob sie mich beobachtet hatte, kein Lob für meine Folgsamkeit. Ich blieb stumm sitzen, drehte mich nicht zu ihr um und hörte nur zu.
Sie ging durch mein Wohnzimmer, sah sich die Regale an, blieb am CD-Regal stehen.
„Komischen Musikgeschmack haben Sie.“
Ich konnte ihre Schemen aus den Augenwinkeln erkennen. Mühsam nur. Ganz langsam wendete ich den Kopf. Es war, als würde sich jede Faser meiner Halsmuskeln gegen die Bewegung wehren.
Sie sah genauso aus wie immer. Chucks, ausgefranste und verwaschene Jeans, ein enges, ausgeblichenes T-Shirt.
Was hatte ich erwartet? Es war ihre normale Kleidung. Wie hätte sie sonst hier auftauchen sollen? In einem Lackoverall wie Catwoman mit einer langen Peitsche lässig in der Hand?
Mehr jedenfalls als ihre normalen Klamotten.
Begriff sie die Situation? Begriff sie, worum es hier ging? Dass dies ein feierlicher Moment war? Etwas Besonderes?
Ihre Schritte kamen näher.
Nun stand sie hinter mir.
Ich hielt den Atem an.
Was würde sie tun?
Der Gedanke schoss mir durch den Kopf. Sie würde mit beiden Händen meinen Kopf packen, zu sich herumdrehen, über mich herfallen und mich wild küssen. Keiner dieser zarten Küsse, sondern ein harter, verlangender, brutaler Kuss. Ihre Arme würden mich umschließen, ihre Finger würden sich in meinen Rücken krallen und vom Stuhl reißen. Wir würden uns auf dem Boden wälzen, und ich würde mich ihrer Führung ergeben.
Nichts davon geschah.
Stattdessen stand sie hinter mir und schwieg.
Hinter mir.
Sah mich an.
Das fühlte ich.
Und dann sprach sie:
„Wissen Sie, ich habe mir lange überlegt, wie ich das hier anfangen soll. Ich finde dieses SM-Zeugs irgendwie spannend. Ich habe viel danach gesucht. Im Internet und so. Ich sehe mir Bilder und Videos an und lese Geschichten. Sie auch?“
Sie erwartete keine Antwort, und ich war froh, dass ich nicht antworten musste auf diese Frage. Ja. Ich hatte das auch getan. Erst in dieser Woche hatte ich damit begonnen, aber ja, ich hatte mich auch darüber informiert. Ein wenig nur, aber es hatte mich erschreckt, was es alles gab an Perversitäten, und es hatte mich erschreckt, dass ich in diese Welt eintauchen wollte. Dass ich solche Neigungen in mir entdeckt hatte.
Ich hatte das mit einer Mischung aus Erregung und Abscheu zur Kenntnis genommen. Da waren diese Bilder, die mich erregten. Ich stellte mir vor in der Situation dieser Opfer zu sein, stellte mir vor, wie es sein musste, für jemand anders zu leiden und dadurch meine Zuneigung und meinen Gehorsam auszudrücken. Meine vollkommene Zuneigung und meinen bedingungslosen Gehorsam.
Ich hatte mich aber auch schuldig gefühlt, denn was ich dort sah, waren teilweise kranke Dinge, und ich wollte nichts mit ihnen zu tun haben, sie mir nicht zu eigen machen. Ich wollte nicht in diese Welt gehören. Ich hatte mich angewidert davon abgewandt und hatte mich am nächsten Tag doch wieder vor dem Rechner gefunden und war auf die gleichen Seiten gesurft.
„Wissen Sie, ich finde das alles so albern. Rollenspiel und Kerker und Auspeitschen. Das machen diese Goths auch so, aber ich finde, das ist Karneval und Kinderkram. Stehen Sie auf so was?“
Nun erwartete sie eine Antwort.
„Nein.“
„Gut, denn das werde ich auch nicht machen. Hier die Gutsherrin aus dem Mittelalter spielen mit dem Folterkeller und so. Ich bin nicht Ihre Herrin und Sie sind nicht meine Sklavin oder so. Es wird keine Verträge geben und keine idiotischen Anreden. Verstanden?“
„Ja.“
Meine Stimme war belegt.
„Ich kann mit diesem ganzen Domina-Kram nichts anfangen. Schreiende Frauen mit motzigen Gesichtern und Reitpeitschen und so. Das ist nicht mein Ding. Korsetts und Lackstiefel. Stehen Sie auf so was?“
Ich schüttelte den Kopf, ohne die Antwort wirklich überlegt zu haben. Aber sie suggerierte das Nein in ihrer Frage. Dann war es auch mein Nein:
„Nein.“
„Gut. Ich auch nicht. Wissen Sie, ich habe mir überlegt, wie ich das hier machen soll. Das erste Treffen und so. Ist ja schon wichtig. Der erste Eindruck. Ich dachte, ich lasse Sie vielleicht wie ein Hund über den Boden krabbeln und bellen. So als Zeichen der Erniedrigung oder als Test. Wie hätten Sie das gefunden?“
Sollte ich darauf antworten? Erniedrigend und falsch. Das waren meine Gedanken. Konnte ich die aber so äußern? Ich sagte nichts.
„Es hätte mich interessiert, ob Sie so was mitmachen. Aber ich fand es dann doch eine doofe Idee. Sie sind kein Hund für mich. Ich weiß nicht, was Sie sind. Keine Ahnung, was das hier überhaupt werden wird. Ich meine, ich will ehrlich sein. Ich habe so was noch nie gemacht. Vielleicht machen Sie ja ständig solche seltsamen Sachen. Dann würde ich Sie enttäuschen. Aber Sie wissen ja, worauf Sie sich einlassen. Haben Sie so was schon gemacht?“
„Nein.“
„Na, dann sind wir ja auf einem Level. Also, keine Hundesachen für den Anfang. Wir werden sehen, wie es weiter geht. Vielleicht macht es mir ja Spaß, Sie für mich bellen zu lassen. Irgendwann.“
Ihre Offenheit überraschte mich. Ich hatte mit vielem gerechnet, aber nicht mit solch einer offenen Reflexion. Es war keine Enttäuschung, die sich in mir breit machte, aber die Anspannung ließ ein wenig nach, obwohl ich im Hinterkopf den Gedanken hatte, dass solch eine rational denkende Herrin weitaus gefährlicher wäre.
„Ich dachte, ich mach das mal langsam, und wir sehen, was passiert. Sie haben mir die Tür offen gelassen, Sie haben meine Anweisungen befolgt und sogar auf mich gewartet. Ganz artig. So in etwa hatte ich mir das vorgestellt. Mir scheint, wir werden viel Spaß miteinander haben“. Sie schwieg eine Weile. „Wie fühlt sich das an, mir zu gehorchen?“
Ich zögerte. Es war mir peinlich. Die Stille erwartete eine Antwort.
„Es fühlt sich ungewohnt an.“
„Was ist das denn für eine Erklärung? Ein wenig mehr Mühe hätten Sie sich schon geben können. Meine Güte!“
„Es ist nur, dass es so neu für mich ist.“
„Na, das werden wir schon ändern!“
Sie lachte.
„Ich war mir auch nicht sicher, ob Sie es sich nicht anders überlegen. Das hier, das ist doch bestimmt nicht erlaubt, oder? So Schülerin und Lehrerin? Auch wenn Sie mich nicht unterrichten und wir in der Schule nichts miteinander zu tun haben. Das ist doch bestimmt alles illegal oder zumindest nicht im Sinne des Erfinders. Wie sieht das so aus?“
Ehrlich gesagt wusste ich das auch nicht. Man hörte schon mal von Beziehungen zwischen Schülern und Lehrern. Es gab da etwas wie Unzucht mit Abhängigen oder so ähnlich, aber wie das mit Schülern war, die man gar nicht unterrichtete, das konnte ich nicht sagen.
„Ich glaube nicht, dass es im Sinne des Erfinders ist. Wenn es herauskäme, hätte es sicher üble Konsequenzen für mich.“
„Und trotzdem riskieren Sie das. Soll ich sagen: Respekt für Ihren Mut oder wie blöd kann man sein?“
Ich hatte mich das auch schon gefragt.
„Ich weiß es nicht. Mir geht es nicht um Mut.“
„Sie haben’s einfach so richtig nötig, nicht wahr?“
Sie war mir einen Schritt näher gekommen.
Ich spürte ihre Nähe nun.
Ihre Präsenz.
Und dann legte sie ihre Hand auf meinem Hals, am Haaransatz.
Ich zuckte zusammen.
„Ganz ruhig! Es passiert nichts.“
Ihre Stimme hatte sich gewandelt. Sie hatte nicht mehr diese grau schimmernde Überlegenheit geschmiedeten Stahls, sondern war nun sanfter, fast fürsorglich.
„Mir gefällt Ihr Hals. Der ist mir schon früh an Ihnen aufgefallen. So schlank und schön geformt.“
Langsam streichelte sie mich mit einem Finger, und ich ließ es geschehen. Nach all den Worten endlich eine Berührung, endlich ein physischer Akt, und wenn es auch nur ein winziger war.
Es war falsch.
Die Gänsehaut, die sich über mich ergoss, sagte mir, dass es richtig war.
Meine Nerven schrien nach ihrer Berührung. Meine Nackenhaare stellten sich auf, der lang ersehnte Körperkontakt. Eine erste Verbindung zwischen uns. Und so sehr ich es genoss, so sehr fraßen Zweifel und schlechtes Gewissen an mir. Es waren die Finger einer Schülerin, die da über meine Haut glitten, mich erregten, mich nach mehr sehnen ließen.
Sie war eine Schülerin.
Es war falsch.
Es war schön.
Ich lehnte mich ihrem Finger entgegen, der um meinen Hals herum gefahren war, einer Linie meines Körpers gefolgt war, an der kleinen Erhöhung meines Adamsapfels kurz angehalten hatte, dann hinunter mäandert war in die Senke zwischen meinen Halssehnen, von da der Linie meines rechten Schlüsselbeins gefolgt war, bis der Kragen meiner Bluse den weiteren Weg versperrte.
Ich hatte die Augen geschlossen und stellte mir vor:
Wie ihre ganze Hand hoch fuhr, meinen Hals wieder hinauf, bis zu meiner Wange. Wie ihre Hand Druck auszuüben begann und meinen Kopf zur Seite drehte. Nicht gewaltsam, aber doch bestimmt. Ich folgte ihrer Bewegung, drehte den Kopf nach links, soweit ich konnte, bis ein Ziehen in meinen Muskeln andeutete, dass es nicht weiter ging. Ihre Hand hatte nun mein Kinn umfasst, um mehr Kontrolle zu bekommen. Daumen und Zeigefinger drückten leicht in meine Wangen, und ich verstand das Signal und öffnete meine Lippen leicht und verführerisch.
Ich wollte ihr gefallen. Mit den leicht geöffneten Lippen, wie eine frische Blüte. Rot und unwiderstehlich. Wenn sie mir doch nur das gäbe, nach dem ich mich verzehrte. Den lang ersehnten Kuss. Die Erlösung meines Sehnens. Keine Worte mehr. Nur noch Taten. Nur noch Küsse und Berührungen.
Aber sie verwehrte ihn mir.
Sie spielte einfach weiter mit ihrem Zeigefinger an meinem Hals, brachte meine Haut, meine Nerven zum Schreien. Zum Schreien nach mehr. Ich wollte es. Wann würde sie damit aufhören und mir das geben, was ich brauchte, nach dem ich verlangte?
Warum quälte sie mich so?
In diesem Moment erkannte ich, wie es sein würde. Das dunkle Tier meiner Gelüste, das ich in mir gespürt und weggeschlossen hatte. Nun stand es plötzlich da, zeigte sich auf einer Lichtung im Mondschein. Da stand es und ließ sich betrachten, und ich verstand.
Ich saß dort und nahm die Brosamen entgegen, die Liz mir hinwarf. Einen einziger Finger. Und ich reckte mich ihm entgegen, wollte doch noch viel mehr.
Liz spielte, und sie frustrierte mich.
Sie hätte in diesem Moment alles haben können. Ich war bereit, vor ihr auf die Knie zu fallen und um mehr zu bitten und zu betteln.
Ich war bereit, mich ihr zu öffnen und ihr alles zu geben, was sie wollte. Ich würde auch wie ein Hund im Zimmer umher kriechen und bellen, wenn sie mir dafür nur das gab, was ich brauchte. Mehr als diesen einen Finger.
Wie perfide!
Wusste sie, was sie da mit mir anstellte?
Wusste sie ihrer Wirkung?
Woher hatte sie das Wissen?
Nie zuvor hatte man mich mit einem Finger so berührt.
Wie ignorant und uninteressiert sie sich meinen Wünschen gegenüber gab!
Und dann tat sie noch etwas. Ähnlich in seiner Beiläufigkeit und in seiner Symbolik.
Während ich mich da nach ihr verzehrte, nach dem Finger, der mir den Haaransatz entlang fuhr und mich in Aufruhr versetzte, stellte sie klar, wie wenig ihr das alles bedeutete und wie weit weg sie von mir war. Wie weit über mir.
Sie machte eine spöttische Bemerkung.
„Sie sind ja rollig wie ein ungeficktes Miezekätzchen! Tss!“
Und ich versank vor Scham in den Boden wie ein ertapptes Kleinkind! Ertappt von einer 19-Jährigen.
Ja, sie hatte Recht. Ich war erregt. Sie hatte mich erregt, und dann warf sie mir genau das vor, mit einer Kälte und Überheblichkeit, mit einer schneidenden Stimme und Herablassung. Welche Hoffart darin lag!
Sie spielte mit mir. Erst machte sie mich heiß, nur um mich dann mit einem einzigen Satz zu Boden zu treten.
Und ich genoss es, in dieser Zerrissenheit zwischen Lust und Schuld hin und her gezerrt zu werden.
Ich genoss es, wie ein Verbrecher sich an seinen niederträchtigen Taten entzückte.
Wie klein ich mich fühlte und wie geil!
Ich glaube, sie hätte mich nur mit diesem Finger an meinem Hals und der von ihr geschaffenen Situation zum Höhepunkt gebracht, wenn sie nicht auf einmal einen Schritt zurück gemacht und das Spiel beendet hätte.
„Wissen Sie, das geht mir hier alles ein bisschen zu schnell mit Ihnen. Dass Sie so eine sind, das hätte ich nicht gedacht. Ich glaube, Sie brauchen eine kalte Dusche, um wieder runterzukommen.“
Wieder dieser Spott und diese Herablassung in ihrer Stimme.
„Haben Sie erwartet, dass wir heute in der Kiste landen?“
Ihr Schweigen verlangte eine Antwort.
„Nein. Ich habe nichts erwartet. Ich habe nichts zu erwarten.“
„Das ist ja mal ein kluger Satz. Frau Klugscheißerin! Ich habe nichts erwartet, Ich habe nichts zu erwarten! Sie sind mir ja eine richtige kleine Dichterin!“
Sie lachte wieder.
„Ich habe es auch nicht erwartet, obwohl ich die bin, die von Ihnen Dinge erwarten kann. Mhh, der Satz war nicht so schick wie Ihrer. Tja, Sie können sich klüger ausdrücken als ich. Dafür könnte ich Sie bestrafen. Ich könnte Sie übers Knie legen. Jetzt und hier. Und Sie würden geil finden. Wenn ich das so abwäge – kluge Worte auf der einen Seite, die Macht auf der anderen, dann stehe ich auf der richtigen Seite. So sehe ich das zumindest.“
Sie ging wieder in meinem Wohnzimmer umher.
„Sie haben meine Frage noch nicht beantwortet. Was haben Sie erwartet? Ich habe mich gefragt, ob Sie die schicken Dessous für mich anziehen würden, die so jemand wie Sie sicher in der Schublade hat, oder ob Sie die Baumwollschlüpfer tragen, die Sie jeden Tag anhaben.“
Der Gedanke war mir gar nicht gekommen, musste ich gestehen. Ich hatte natürlich auch ein paar sexy Teile, aber mir war gar nicht der Gedanke gekommen, die zu tragen. War das ein Zeichen von Respektlosigkeit?
„Nein, ich trage meine normale Unterwäsche.“
„Mhh, so ein bisschen enttäuscht bin ich schon, wenn ich ehrlich bin. Mehr Mühe hätten Sie sich geben können! Aber ich will mich trotzdem selbst überzeugen. Stehen Sie auf!“
Der Imperativ kam nicht scharf, sondern in der gleichen gleichgültigen Intonation, die sie das ganze Gespräch über schon benutzt hatte. Ich fand mich auf den Beinen, bevor mein Verstand das d’Accord gegeben hatte.
„Machen Sie mal Ihre Jeans auf und ziehen Sie die ein bisschen runter!“
Mein Herzschlag beschleunigte sich wieder.
Meine Finger zitterten ein wenig, ich musste zweimal greifen, bis ich den Knopf geöffnet und den Reisverschluss ein wenig hinunter gezogen hatte.
Ich hakte die Daumen in die Gürtelschlaufen ein und zog die Jeans ein wenig nach unten. Zehn Zentimeter. Hätte Liz nicht stopp gesagt, ich hätte sie ganz hinunter gezogen.
„Einen Strip brauchen Sie hier nicht hinzulegen. Ich sehe schon, was ich wollte. Mein Gott, Sie sind wirklich rattig, was?“
Sie lachte wieder, und wieder versank ich im Boden vor Scham.
„Setzen Sie sich. Es sind wirklich nur die hässlichen Baumwollschlüpfer aus dem Fünferpack. Naja, was soll’s. Ich nehm Sie, wie es mir passt, und wenn es mir nicht passt, dann sage ich Ihnen einfach, wie ich es gerne hätte, und Sie werden das dann machen.“ Sie stakste ein wenig durch mein Wohnzimmer. „Fürs Erste hab ich genug gesehen. Ich werde meinen Spaß mit Ihnen haben, das ist aber mal sicher. Ich gehe jetzt, und Sie bleiben noch, sagen wir eine halbe Stunde hier so sitzen. Einfach nur, um mir zu gefallen. So wie jetzt. Man kann Sie von der Straße beobachten. Rutschen Sie noch einen Tick näher ans Fenster, dann muss ich den Kopf nicht so strecken, um einen guten Blick zu erhalten.“
Ich gehorchte.
„Ich melde mich bei Ihnen!“
Ich wusste nicht, was ich sagen sollte, also blieb ich stumm.
Ihre Schritte verschwanden in meinem Flur, mit einem lauten Knall fiel die Wohnungstür zu, mit einem gedämpfteren wenig später die Haustür.
Ich versuchte sie aus meiner sitzenden Position unten zu erspähen, aber ich konnte in der Dunkelheit nichts sehen. Sie mochte in einem Schatten stehen. Vor meiner Haustür stand keine Straßenlaterne. Ein Zustand, den ich schon mehrmals verflucht hatte, als ich nachts nachhause gekommen und den Schüssel gesucht hatte.
Sie war fort.
Ich saß immer noch dort.
Gedemütigt und klein, wie ein geprügelter Hund.
Nie hatte ein Mensch in solch einer Position so mit mir geredet.
Nie hatte jemand von mir verlangt, dass ich mich ihm beim ersten Gespräch so öffnete.
Nie hatte man sich meinen Gefühlen gegenüber so gleichgültig gezeigt.
Nie hatte man mich so klein gemacht.
Nie hatte sich das so gut angefühlt.
Ich hatte nicht mal ihre Augen gesehen. Die ganze Zeit über hatte ich in die Nacht gestarrt. Sie hatte sich mir nicht ein einziges Mal gezeigt. Wie gerne hätte ich sie angesehen! Sie hatte es mir verweigert.
Und doch war ich erfüllt und erleichtert. es fühlte sich ebenso richtig an, wie es falsch sein mochte. Aber die Zweifel waren fortgespült. Ich hatte keine Wahl, als mich ihr zu ergeben.
Ich saß keine halbe Stunde dort, sondern eine ganze. Ob Liz mich immer noch beobachtete, als ich mit schweren Gliedern und gesenktem Kopf endlich aufstand, um ins Bett zu gehen, konnte ich nicht sagen. Es war meine Geste der Dankbarkeit, länger zu verharren als gefordert. Wenn sie mich beobachtete, sollte sie wissen, dass ich ihr zu gehorchen gewillt war. Ich würde folgsam sein und tun, was immer sie mir auftrug.
Ich überlegte, ob ich die kalte Dusche, die sie mir verordnet hatte, wirklich noch nehmen sollte. Aber das Eis der Arktis hätte das Feuer in meinem Schoß nicht löschen können. Und keine Ketten der Welt hätten meine Hände in dieser Nacht davon abhalten können, zwischen meinen Schenkeln zu wühlen.
Als ich am nächsten Morgen aufwachte, erschien der der vergangene Abend unwirklich.
Ich räkelte mich in meinem Bett und hatte ein bekanntes Gefühl. Ich war verliebt. Widersinnig erschien es. Ich war verliebt in ein junges Mädchen, von dem ich wenig mehr wusste als das, was in ihrer Schulakte stand und was ich beobachtet hatte.
Ich war nicht in Liz verliebt. Das würde kommen, wie ich hoffte. Sie war mir fremd. Was hatte ich mit ihr gemein? Würde ich mich mit ihr unterhalten können? Über Kultur, über Mode, über Politik? Würde ich mit ihr klönen können? Das erschien mir alles unwahrscheinlich. Sie war eine Schülerin mit den Interessen von Schülerinnen. Es war nicht mein Stil, mich vor den Schülern wie eine von ihnen zu geben. Das hatte ich immer als Anbiederung empfunden. Wir würden nicht beste Freundinnen werden. Wir würden etwas anderes werden. Wir würden nicht reden müssen, ich würde einfach zu ihren Füßen liegen. Ich wäre glücklich zu gehorchen, sie wäre glücklich zu gebieten. Wir wären ein perfektes Paar.
Wie eine junge Liebe, aber eben eine Liebe nicht zu einem Menschen, sondern einer Position, einer Hierarchie, einer Lebenseinstellung.
Ich stand auf, widmete mich meinem Tag und empfing von Kollegen und Schülern erstaunte Blicke und anerkennende Bemerkungen wegen meiner guten Stimmung. Das erstaunte mich ein wenig. Welches Bild gab ich wohl gemeinhin ab, wenn man mich nun so lobte? Verhielt ich mich wirklich so anders? Machte ich bereits jetzt auf mich aufmerksam? Nein, ich hatte nichts zu befürchten. Ich war einfach gut gelaunt, was war daran? Man würde mir einen Grund unterstellen, und er wäre so weit von der Realität, dass ich nichts zu befürchten hätte.
So langsam der vergangene Tag verstrichen war, so schnell und kurzweilig verlief dieser.
Ich ertappte mich dabei, dass ich an freien Augenblicken an Liz dachte.
Was mochte sie wohl jetzt machen, dachte sie an mich wie ich an sie? Was würde sie denken? An den letzten Abend? An den nächsten vielleicht sogar schon?
Ich sah sie einmal im Gang nach der Pause. Sie verschwand gerade in einem Klassenraum und sah mich nicht. Ich überlegte kurz, ob ich nicht einen Vorwand suchen konnte, um in den Klassenraum zu gelangen, dort irgendeine Bagatelle von der Lehrkraft zu erfahren, um einen kurzen Blick auf sie werfen zu können.
Aber ich entschied mich dagegen. Die Frage erhob sich, wie wir beiden eigentlich miteinander umgehen würden in der Schule. Das lag nicht an mir. Das war ihre Sache.
Am Abend hatte ich einen kleinen Durchhänger, weil ich Liz erwartete. Ich hatte keinen Grund, sie hatte sich nicht angekündigt, ich hatte keine Anweisungen erhalten. Aber irgendwie erwartete ich, dass sie bei mir auftauchen würde. Ich öffnete gar die Türen wie am vorherigen Abend und wartete. Mir kam gar der Gedanke, mich wieder vor das Fenster zu setzen, aber ich verwarf es. Meine Arbeit litt beträchtlich, ich konnte mich auf nichts konzentrieren, aber ich hatte schon irgendwie damit gerechnet.
Ich sah ständig nach draußen und hielt nach ihr Ausschau, lief durch die Wohnung, versuchte mich abzulenken. Ich staubsaugte die Wohnung noch spät abends und räumte meinen Kleiderschrank auf. Manuelle Arbeit, die keine Konzentration erforderte, aber Zeit totschlug.
Aber sie ließ sich nicht blicken.
Kurzzeitig bekam ich Zweifel. Hatte sie es sich anders überlegt, hatte ich am Tag zuvor etwas falsch gemacht, hatte sie keine Lust mehr? Aber diese Zweifel erhielten kein Gewicht. Ich war mir ziemlich sicher, dass ich einfach zu ungeduldig war. Und wie sie mich am Tag zuvor fast eine Stunde hatte warten lassen, ließ sie mich auch jetzt warten. Es war einfach eine Masche. Sie hatte am Tag zuvor keine Zweifel geäußert, sie hatte Vorfreude signalisiert. Ich musste mir keine Gedanken machen. Die Gewissheit, sie in dieser Sache zu durchschauen, gab mir ein Gefühl der Kontrolle.
Ich räumte also meinen Schrank auf, fand dabei auch einige Dessous wieder, die Hans mir geschenkt hatte und die ich eigentlich hatte wegwerfen wollen, weil sie mit schmerzhaften Erinnerungen vergiftet waren. Ich drehte den dünnen Stoff zwischen meinen Fingern, probierte sie sogar an, posierte vor dem Spiegel und fand mich ausgesprochen hübsch und sexy. Wenn ich mich auch eigentlich selbst nicht als übermäßig attraktiv empfand. Ich hatte mich immer mehr über meine Bildung und meine kulturellen Interessen definiert als über Äußerlichkeiten.
Daher hatte ich eigentlich auch immer ein gespaltenes Verhältnis zu aufreizender Kleidung, zu tiefen Ausschnitten, kurzen Röcken und Dessous. Letztere hatte ich getragen, weil es meine Partner aufreizte, nicht weil ich mich selbst darin gut fühlte. Das hatte bisher in meinem Leben keine Rolle gespielt.
Aber als ich mich so vor dem Spiegel drehte und betrachtete und mich der Komplimente erinnerte, die Liz mir gemacht hatte, da konnte ich nicht anders als mich hübsch zu finden. Ich war kein Model, aber immerhin!
Meine Brüste waren nicht übermäßig groß, aber gleichmäßig und wohl geformt, meine Schenkel waren noch straff, obwohl ich nichts dafür tat, selbst mit meinen Hüften, die ich früher als zu breit empfunden hatte, war ich im Reinen.
Liz hatte einen guten Fang gemacht. Sie hatte Geschmack, das musste man ihr lassen.
Ich war mit mir zufrieden. Dazu trug sicherlich auch die Flasche Rotwein bei, die ich aufgemacht hatte und die am Ende des Abends leer war und mir ein schlechtes Gewissen bereitete.
Ich ging mit einem guten Gefühl und ein wenig zu beschwipst ins Bett an diesem Abend.
Der nächste Tag wurde ein wenig hektischer, und ich war dankbar dafür. Mit einem Haufen kleiner Aufgaben wurde ich konfrontiert. Hier und da wollten Kollegen etwas, Schüler suchten mich auf mit Problemen, die für sie durchaus belastend und teilweise schwerwiegend und für mich leicht zu lösen waren. Ich hatte das Gefühl, gebraucht zu werden und eine sinnvolle Arbeit zu leisten, die etwas bewirkte und zu etwas führte. Was wollte man mehr?
Um halb drei verließ ich die Schule, war müde, hungrig, erschöpft, aber auch zufrieden. Ich hatte gute Arbeit geleistet und viel geschafft.
Als ich an meinem Auto stand, die Taschen auf den Rücksitz gewuchtet hatte und schon die Hand an der Fahrertür hatte, war sie da.
Ich erschrak, als sie die Hand auf meine Schulter legte und mich umdrehte.
„Ich habe auf Sie gewartet. Seit eins!“
„Oh!“, was sollte ich sagen? Ich hatte das nicht gewusst. Es war nicht ungewöhnlich, dass ich länger an der Schule blieb, um dort zu arbeiten.
„Das tut mir leid, ich wusste nicht, dass ...“
„Seien Sie still“
Liz packte mich an der Hand und zog mich in das Gebüsch hinter dem Lehrerparkplatz.
Ich folgte ihr, ganz perplex. Sie schien wütend. Was hatte ich falsch gemacht? Wir hatten keine Verabredung oder so gehabt. Wenn sie so lange auf mich gewartet hatte, dann war das doch nicht meine Schuld. Wie hätte ich das wissen können?
Die Äste klatschten gegen meine Stirn, als wir durch einen ausgelatschten Weg liefen. Ich wusste, dass die Schüler hier immer heimlich rauchten, man munkelte, dass hier Drogen verkauft oder konsumiert würden. Manche Kollegen berichteten von süßlichem Rauch, der aus der Ecke aufstieg. Ich konnte dazu nichts sagen. Meine Drogenerfahrungen gingen gegen null. Ich sah nur den Müll, die zerknüllten Trinkbecher. Kein sonderlich idyllischer Ort.
Sie zog mich bis in die hinterste Ecke, drehte mich um und schubste mich gegen die Bretterwand des angrenzenden Grundstücks. Ich knallte mit Wucht dagegen, dass meine Schulterblätter schmerzten und die Wand bedrohlich nachgab und wackelte. Zwei Gärten weiter bellte ein Hund.
Sie blickte mich böse an, und stand näher an mir, als man das gewöhnlich tat.
Ich spürte ihren Atem auf meinem Gesicht. Er roch ein wenig süßlich, als hätte sie einen Orangensaft getrunken.
Zum ersten Mal fielen mir ihre Augen wirklich auf. Dass sie grün waren, hatte ich vorher schon registriert, aber nun bemerkte ich erst, wie schön sie waren. Ein wenig wässrig im Zentrum mit kleinen braunen Spritzern und kräftiger an den Rändern.
Sie bewegten sich nervös und aufgebracht hin und her, fanden meine Augen, die mit gutem Willen so ein wenig bläulich, eigentlich aber eher unscheinbar grau waren. Unsere Blicke verfingen sich ineinander, und ich sah, wie sie meinen Blick erwiderte und ruhiger wurde. Ich betrachtete ihr Gesicht. Die helle, bleiche Haut, die wenig Sonne zu sehen bekam, aber dadurch auch ein wenig vornehm aussah, die schmalen Augenbrauen, die sich über ihren Augen schwangen. Aus dieser Nähe war sie schön wie die Prinzessin eines fernen, dunklen Landes.
Ihre Augen musterten nun auch mich. Sie blickten auf meine Nase. Was war an der besonders? Folgten hinauf zu meiner Stirn, meinem Haaransatz. Sicher nahm sie wahr, dass die Färbung raus gewachsen war und das konturlose Braun meiner natürlichen Haarfarbe die blonde Färbung zu vertreiben begonnen hatte. Sie blickte auf meine Brauen, die ich ein wenig zu breit empfand und an ihren Ansätzen diesen kleinen Wulst hatten, den ich nicht mochte. Wieder hinunter zu meiner Nase, zu meinen Lippen, auf die ich stolz war, die durchaus Volumen hatten und mit aufgetragenem Lippenstift kräftig leuchteten. Ihr Blick folgte ihnen von einem zum anderen Mundwinkel, dann zu meinem Kinn hinunter, das ich früher als zu kantig empfunden hatte, das meinem Gesicht nun aber Kontur gab, wie ich fand. Dann wurde ihr Blick diffuser, meinen Hals glitt er hinunter. Er streifte meine Brüste, fand dort aber scheinbar nichts. Ich hatte den Blouson an, der keinen tiefer Einblick gewährte, also nahm ich ihr das nicht übel.
Ihr Blick konzentrierte sich wieder auf meine Augen.
Was sah sie darin?
Ich spürte ihren Blick, der sich tief durch meine Pupillen bohrte und etwas suchte.
Was fand sie?
Meine Ergebenheit oder meine Lust? Meine Hingabe? Meine Loyalität oder mein Vertrauen?
Es war einer dieser Momente, der nur einen Augenblick andauerte, aber wie eine Ewigkeit erschien. Ein Moment wie in einem Film eben, der mit aufwallender Streichermusik endete.
Wir wussten beide, was geschehen würde.
Und es geschah.
Mit beiden Hände knallte sie mich erneut gewaltsam gegen die Bretterwand, doch ich merkte nichts mehr davon, dass sie nachfederte, ich merkte auch nichts mehr von dem Hund, der wieder, aber nun wütender, bellte. Ich spürte nur noch ihre Lippen auf meinen.
Sie drückte sie mit solcher Wucht auf meinen Mund!
Es war kein Kuss, es war mehr wie der gierige Angriff eines Vampirs. Es war nicht zärtlich oder sinnlich, es war einfach nur hart und gewaltsam. Wie ein Raubtier sich in sein Opfer verbeißt.
Ihre Zunge drängte hervor, stieß in meinen Mund. Ich spürte die Kraft selbst in ihrer Zunge, die sich gegen meine drückte. Sie verschlangen sich ineinander, aber es war ihre, die die Richtung und die Bewegung vorgab, und meine Zunge konnte nur symbolischen Widerstand leisten. Sie hatte ihr nichts entgegenzusetzen.
Liz drückte meinen Kopf gegen die Bretterwand, unsere Oberkörper aneinander gepresst wanden sich, und ich glaubte ein Reißen zu hören oder zu spüren, als würde mein Blouson von einem Nagel zerrissen.
Was kümmerte es?
Ich spürte, wie sie schwer auf mich atmete, durch die Nasenflügel schnaubend wie ein Stier.
Immer wieder ihre Lippen, die mit meinen rangen, mit weit geöffneten Mündern. Einmal klickten unsere Schneidezähne gegeneinander, dass ich Sorge bekam.
Ihre Fäuste hatten erst mein Revers umkrallt, nun glitten sie roh über meinen Körper, umarmten mich, folgten den Linien meines Körpers, aber ohne Erkenntnisgewinn, sondern in erratischer Suche nach irgendeiner Erfüllung.
Meine Arme hielt ich starr an meinem Körper, folgsam und passiv, um ihren Händen nicht im Wege zu sein.
Sie schob mich den Zaun entlang in unserem Kuss, ich stolperte, hoffte, dass sie mich fangen würde, aber wir waren zu verschlungen, um uns mit Gravitation aufzuhalten. Ich knickte ein, und sie folgte mir, war über mir. Mein Knie fiel auf eine feuchte Stelle im Boden, ich dachte an den Flecken auf meiner hellen Hose, ob er wieder heraus ginge und daran, dass ich noch viel mehr solcher Male auf meiner Kleidung haben wollte. Liz könnte sich mit mir hier wälzen.
Oh täte sie es doch!
Ich würde jeden Fleck mitnehmen als stolzes Zeichen dessen, was sich hier abgespielt hatte.
Welch irrsinniger Gedanke in diesem Moment.
Halb hockten, halb lagen wir an diesem Zaun, meine Beine unangenehm gespreizt. Ich ignorierte das Ziehen in meinen Schenkeln, dafür spürte ich ihre Hände an meinem Hals. Mal griffen sie zu, dann ließen sie wieder locker, suchten sich eine andere Stelle, griffen wieder.
Ihr Knie lag irgendwie zwischen dem Dreieck, das meine Schenkel bildeten, auch in einer unvorteilhaften Position. Ich wünschte, dass es weiter vordrang, mich berührte, wo ich es brauchte. Ich versuchte mein Becken vorzudrücken, doch ihr gesamtes Gewicht lastete auf mir, sodass ich mich nicht mehr bewegen konnte und meine Bemühungen keine Frucht trugen, höchstens ungelenk aussahen.
Das hier hatte nichts mehr von der Choreographie eines Films. Hier war nichts mehr manieriert oder stilisiert.
Als sie sich von mir löste und aufstand, blieb ich in meiner unangenehmen Position verharren. Es schien mir richtig, ich richtete nur ein wenig meine verrenkten Glieder, mehr nicht.
Ich wollte, dass sie auf mich hinab sah in meinen Kleidern, die verknittert, verrutscht und verdreckt waren. Sie sollte über mir stehen und auf mich herabblicken. Sie sollte spüren, was gerade geschehen war. Und ich wollte sie über mir stehen sehen. Wie ein Besiegter auf seinen Gegner hinauf schaut. Geschlagen und hilflos auf dessen Gnade angewiesen.
Sie tat mir den Gefallen, stand dort, stumm, ihre Brust hob und senkte sich nach der Anstrengung. Auch sie war erregt.
Liz sagte nichts, es war einfach ihr Blick von oben herab. Als sie ihren Fuß bewegte, zuckte ich zusammen. Ich hatte befürchtet, dass sie mir einen verächtlichen Tritt verpassen könnte. Aber sie tat nichts. Unsere Blicke trafen sich. Ihrer stählern, meiner geschlagen. Ein winziges Lächeln zog sich über ihr Gesicht.
Sie drehte sich um und verschwand durch das Gestrüpp. In wenigen Augenblicken war sie verschwunden, und ließ mich dort zurück.
An diesem Ort, der mir nun so unpassend erschien für das, was gerade passiert war. Langsam nahm ich den Hund wahr, der immer noch, wenn auch lustloser bellte und protestierte.
Ich spürte meine verrutschte Kleidung, zog sie ein wenig zurecht, spürte nun auch den leichten Schmerz an meinem Mund von diesem rohen Kuss, griff mir an den Mund, um zu sehen, ob ich blutete. Aber die Feuchtigkeit, die mein Zeigefinger aufnahm war nur Speichel. Meiner und ihrer untrennbar vereint. Ich müsste ihn eigentlich konservieren. Irgendwie aufbewahren für die Ewigkeit. Ich ließ meinen Finger sinken, ohne ihn abzuwischen
Trotzdem schmeckte ich den erdigen und metallischen Geschmack von Blut. Nicht stark, nicht dominant, aber dennoch unzweifelhaft. Wieder kam mir das Bild des Vampirs in den Sinn.
Ich mochte noch einige Minuten dort verharrt haben, dann war ich wieder so weit zu mir gekommen, dass mein Verstand lästige Fragen stellte. Was, wenn mich hier jemand fände? Wie würde das aussehen? Was würde man denken oder sagen?
Ich raffte mich mühsam auf, strich meine Kleidung glatt und stakste ungelenk durch das Gebüsch auf den Parkplatz zu meinem Wagen. Die Fahrertür war immer noch angelehnt.
Ich stieg ein, steckte den Schlüssel ins Schloss, aber drehte die Zündung nicht um.
Ich musste mich erst sammeln.
Der Treffpunkt war eine Grillhütte am Rande des Stadtwaldes freitagabends.
Die Jogger waren längst weg.
Es war stockfinster.
Ich war am Tag zuvor bereits dort gewesen, um sicher zu stellen, dass ich den Ort finde. Nun stapfte ich durch die Dunkelheit. Das Licht der Taschenlampe meines Handys half mir mehr schlecht als recht. Einmal knallte mein Kopf an einen Ast, den ich vor lauter Beobachtung des Bodens nicht gesehen hatte. Ich fluchte in die Dunkelheit und musste dann unwillkürlich über mich selbst schmunzeln. Wahrscheinlich bot ich ein lächerliches Bild im Kampf mit dem Weg und den Dornen, die nach meiner Jeans griffen und daran zerrten.
Schließlich erreichte ich die Hütte.
Es roch schwach, aber eindeutig nach Urin. Um diese Abendstunde war es still.
Das Rauschen der Stadt war weit weg und mehr zu erahnen als wirklich zu hören. Meine Augen starrten in die Dunkelheit der Hütte. Kein Lichtstrahl drang herein und keiner heraus.
Ich stand unschlüssig davor. War Liz schon da oder ließ sie mich wieder warten? Sollte ich eintreten? Ich war von dem Gedanken nicht begeistert. Denn ich vermutete, dass der Urin-Gestank seinen Ursprung in der Hütte hatte. Der Ort war nicht sehr angemessen. Weder romantisch noch sonst wie passend. Es war der Ort, an dem sich verboten Liebende heimlich trafen. Ein Notbehelf, ohne Stil oder Aura. Vollkommen kontraproduktiv in seiner Atmosphäre.
Liebe.
Wieder so ein Wort, das nicht richtig klang.
Der Treffpunkt der verboten Liebenden.
Geheime Raucherecken hinter der Schule, Tiefgaragen, öffentliche Bedürfnisanstalten, Autobahnbrücken?
Der beißende Geruch getrockneten Urins ein ständiger Begleiter? So hatte ich mir das nicht vorgestellt. Vielleicht war das nur Ausdruck eines kulturellen Altersunterschieds. An solchen Orten verbrachten Jugendliche, die knapp bei Kasse waren und nicht im Einkaufszentrum lungern wollten, einen Teil ihrer Freizeit eben. Die trafen sich nicht in gestylten Kaffeehäusern, wählten zwischen Hundert Sorten Kaffee aus und surften auf ihren Laptops im W-Lan.
Vielleicht war ich einfach zu alt für so etwas. War ich zu alt für sie?
Dumme Fragen, die ich wegwischte.
Ich war angekommen. Stand an dem Eingang, und aller Ärger, alle Rationalität, streifte ich ab. Was blieb, war das Herzklopfen und die Erwartung.
Ein letztes Mal beschäftigte mich die Wahl des Ortes. An solch einem Ort zu solch einer Zeit stellte ich mir vor, dass sich nur Psychopathen dort aufhalten würden.
Ich blieb vor dem Eingang stehen und versuchte irgendetwas zu erkennen oder zu hören. Es dauerte nur einige Augenblicke, aber ich war so auf meine Sinne konzentriert, dass ich furchtbar erschrak, als plötzlich das leise, aber unerwartete Ratschen des Feuerzeugs ertönte und ein gespenstiger Lichtstrahl auf Liz’ Gesicht fiel, als sie ihre Zigarette anzündete.
Das Licht des Feuerzeugs erlosch nach wenigen Sekunden wieder. Es reichte aber, dass ich sie erkennen konnte. Sie saß lässig auf einer Bank, hatte einen Arm über die Holzlehne ausgestreckt und ein Bein angezogen auf der Sitzfläche der Bank stehen.
Wieder eine dieser überlegten Posen. War Liz so plakativ oder versuchte sie mir damit angestrengt eine Nachricht zu übermitteln?
Was nach dem Erlöschen der Flamme blieb, war das Glühen der Zigarette, das einen Teil ihres Gesichtes schwach erleuchtete und in ein warmes, aber auch diabolisches Licht tauchte.
„N‘Abend“, unterbrach sie die Stille.
„Guten Abend.“
„Ich habe Sie von weitem kommen hören. Sie sind ganz schön durch das Gestrüpp getrampelt.“
Ich hatte schon angesetzt, mich zu rechtfertigen, hielt dann aber inne, und entschuldigte mich mit leiser Stimme.
„Ist halt dunkel. Sie müssen sich nicht entschuldigen.“ Eine kurze Pause. „Auf der anderen Seite mag ich das. Sie haben Manieren. Es ist nicht ihre Schuld, trotzdem entschuldigen Sie sich. Das nennt man wohl devot. Ich lerne im Moment viel über all das hier. Aus dem Internet und so.“
Ich blieb stumm und sah mich um. Erst jetzt erkannte ich, das Kletterseil vor mir auf dem Boden. Gelb und schwarz gemustert, locker aufgerollt.
Sofort war das Gespräch vergessen, und die Frage rückte in den Vordergrund, was es mit diesem Seil auf sich hatte?
Würde sie mich fesseln? Hier in der Nacht, in dieser stinkenden Hütte? Konnte ich das zulassen? Mich ihr vollkommen auszuliefern? Was könnte sie alles mit mir anstellen, wenn sie mich einmal all meiner Freiheit und Kontrolle beraubt hatte? Konnte ich mich ihr wirklich so ausliefern?
Angst stieg in mir hoch und ertränkte meinen Verstand.
Ihre Stimme war wieder leise und kontrolliert.
„Ich habe sie beobachtet, wie Sie mich beobachtet haben. Die Gardinen im Lehrerzimmer sind nicht so dicht, wie Sie vielleicht glauben. Das hat mir gefallen. Ich meine, dass eine Lehrerin einer Schülerin nachstellt. das schmeichelt mir. Das schmeichelt jedem, nehme ich an. Und Sie sind ja nun auch nicht unansehnlich. Ich müsste mich mit Ihnen nicht schämen.“
Was sollte ich sagen?
Welch schiefer Gedanke. Sie müsste sich mit mir nicht schämen? Was sollte das? Stellte sie sich vor, dass sie mich in aller Öffentlichkeit zur Schau stellen konnte? In mir schrillten Alarmglocken.
Sollte ich das richtig stellen?
Sollte ich protestieren?
Sollte ich mich dazu äußern?
Das war eine Sache, die nun vollkommen jenseits jeder Diskussion stand. Am Nasenring durch die Schule geführt zu werden von ihr. Da könnte ich gleich meine Kündigung einreichen.
Aber ich sagte nichts. Das war nicht die Zeit für Verhandlungen über die Natur unserer Beziehung.
Liz ging über den Gedanken hinweg.
„Sie reizen mich. Im wahrsten Sinne des Wortes. Wenn Sie mich ansehen, dann fühle ich etwas. Etwas ... Wölfisches. So was wie einen Jagdtrieb oder so. Ich weiß nicht, was es ist. Irgendwie senden Sie so was aus wie: Ich bin ein Opfer. Friss mich!“
Ich schwieg. Sie hatte recht.
„Ich habe mich jedenfalls gefragt, was Sie von mir wollen. Ist ja nicht üblich, dass das Opfer dem Raubtier auflauert. Was wollen Sie von mir?“
Sie wollte mir zeigen, dass sie mir auch intellektuell das Wasser reichen konnte, dass sie sich Gedanken gemacht hatte.
„Also?“
Was wollte ich von ihr? Das war eine gute Frage. Ich hatte sie mir so explizit noch nie gestellt. Was wollte ich von ihr? Mir schien der Gedanke absurd. Hatte ich hier etwas zu wollen? In der Rolle, die ich mir vorstellte, hatte ich allenfalls auf die Brotkrummen zu hoffen, die sie mir vor die Füße warf. Lief es nicht so? Aber natürlich war das Unsinn. Natürlich hatte ich Erwartungen zu haben. Ich hatte eine Entscheidung getroffen, in freien Stücken hatte ich mich entschlossen. Natürlich hatte ich Erwartungen.
Zu Dienen.
Ihre Aufmerksamkeit zu erlangen.
Mich hinzugeben.
Glücklich zu sein.
Erfüllung zu finden.
Zu ihren Füßen zu liegen.
Geliebt zu werden.
Sie saß immer noch still da und wartete auf meine Antwort. Ihre Zigarette hatte sie längst weggeschnipst, doch meine Augen hatten sich ein wenig an die Dunkelheit gewöhnt, und ich konnte ein paar Linien in ihrem Gesicht ausmachen.
In meinem Kopf spielte sich ein Lied ab. Es kam aus dem Nichts, es war einfach so da. Es hatte mir zuvor nichts bedeutet, ich kannte es, hatte es aber in der Kategorie Kuriositätenkabinett eingeordnet. Unter dem Stichwort: Wie erbärmlich können manche Frauen doch sein?
„Kennst du die Band Hole?“ Meine Stimme krächzte ein wenig.
„Von der Frau von Kurt Cobain. Wie heißt die noch?“
„Courtney Love“
„Genau.”
„Die haben mal ein Lied gecovert aus den 60ern. Von Carol King und Phil Spector. Der sitzt jetzt wegen Mordes im Knast und hat mit den Beatles gearbeitet.“
„Und?“
„Das Lied geht so:
He hit me.
And it felt like a kiss.
He hit me.
And I knew he loved me.
If he didn’t care for me,
I could have never made him mad.
But he hit me.
And I was glad.”
Baby won’t you stay?
„Krank.”
„Das sagt Courtney Love auch.”
„Und, was hat das mit uns zu tun?“
Die Frage war einfach, sie war zu erwarten gewesen. Es war die natürlichste Frage der Welt. Nur musste ich es jetzt tun. Ich musste meine Gefühle vor ihr ausbreiten, mich vor ihr entblößen. War ich dazu in der Lage? Aber was für eine Alternative hatte ich? So lief es nicht. Ich hatte mich nicht zu zieren. Das hier hatte etwas damit zu tun, sich zu überwinden.
„Nun, wie soll ich sagen. Es ist nicht einfach. Da ist diese Frau, und die wird wie Dreck behandelt von ihrem Mann, und sie sieht das als Zeichen seiner Zuneigung. Er könnte sich ja auch eine andere suchen, aber er gibt sich mir ihr ab, obwohl er das nicht müsste.“
„Und Sie sind schon froh, wenn sich einer mit Ihnen abgibt? Egal was der mit Ihnen macht? Hauptsache er gibt sich mit Ihnen ab? So verzweifelt sind Sie?“
Ihre Worte schnitten wie Rasierklingen. Sie hatte einen Nerv getroffen. Ich wusste nicht, welche Reaktion ich gerne gehabt hätte, vielleicht Mitgefühl oder lieber gar keine Antwort. Aber sicherlich nicht diese kalte Analyse.
„Sie sind also von einem Typen verlassen worden und wollen nun, dass sich irgendwer um sie kümmert? Selbst wenn er sie wie Dreck behandelt? Bin ich also so was wie eine Verlegenheitssache, die Sie sausen lassen, wenn Sie wieder einen anderen Typen finden?“
„Nein, so ist es nicht.“
Da steckte etwas Tieferes dahinter, das ich auch schon gefühlt hatte, als ich noch mit Hans zusammen war. Ein Wesen, das ich nie wirklich erkundet hatte, das in einer Gegend meiner Seele beheimatet war, die mir unheimlich zu erforschen gewesen war. Etwas, das ich immer von mir geschoben hatte und nicht näher betrachten wollte. Ich hatte nie darüber nachgedacht, ich hatte es nie kennen lernen wollen. Aber nun hatte es sich eben hervor gedrängt, war ans Licht gekrochen und nun musste ich mich damit auseinandersetzen. Ein schwarzes Wesen, geschmeidig, gewandt, mit weichem Fell, aber eben auch unheimlich. Wie eine schwarze Raubkatze. Grazil, mit weichem Fell aber scharfen Krallen und tödlichem Instinkt. Wunderschön, aber auch mordsgefährlich.
Ich konnte es nicht genauer beschreiben. Meine Worte fehlten mir, die Situation raubte mir meine Gedanken, und so blieb es bei Klischees von schwarzen Katzen. Platt und abgestanden.
„Wissen Sie, ich muss das auch nicht verstehen. Jetzt zumindest noch nicht. Ich kann mir das irgendwie denken, aber ich werde rauskriegen, was Sie so antörnt dabei. Von jetzt an will ich jedenfalls regelmäßig ein Lied, das Ihre Gefühle ausdrückt.“
„Ich glaube, so viele kenne ich nicht.“
„Können auch Gedichte sein oder Bilder oder was auch immer. Oder Sie schreiben selbst ein paar Verse. Sollte ja nicht so schwer sein für eine Lehrerin.“
Ich nickte.
„Zur Not können Sie ja schreiben, was Ihnen die Stücke auf Ihrem IPod bedeuten.“
Sie warf mir das Teil vor die Füße. Das blaue Display erleuchtete meine Füße für einige Sekunden.
„Sie sollten besser drauf aufpassen.“
Ich schwieg. Sie hatte mir nachgestellt. Wieder so eine Szene wie aus einem billigen Film. Wer stalkte hier wen? Der Gedanke beruhigte mich. Nicht ich hatte ihr nachgestellt wie eine verzweifelte und frustrierte Frau. Sie hatte sich auch für mich interessiert. Das war ein Interesse, das auf Gegenseitigkeit beruhte. Eine Wahlverwandtschaft.
Ich bückte mich, um ihn aufzuheben und steckte das Teil ein.
„Ich sage Ihnen, was mich an Ihnen interessiert. Sie versprechen mir etwas. Wenn ich an sie denke, stelle ich Sie mir als Opfer vor und wenn ich an mich denke, finde ich, ich bin eine Wölfin. Das finde ich irgendwie geil. Sie bieten sich mir an. Ich kann Ihnen nicht versprechen, dass ich Ihnen das gebe, was Sie wollen. Weil es mir eigentlich egal ist, was Sie wollen. Ich möchte es nur verstehen. Es geht mir um mich. Das ist egoistisch, ich weiß, aber wenn ich Sie richtig verstehe, dann müsste Sie genau das antörnen, richtig?“
Ich senkte den Kopf.
„Richtig?“, die Wiederholung klang schärfer.
„Ja.“
Es war mir peinlich, so da zustehen. Ich kam mir ziemlich unterlegen vor. Weil sie sich solche Gedanken machte, und ich nur da stand und stammelte. Zumindest auf meine Eloquenz hatte ich mir mehr eingebildet. Und jetzt übertraf sie mich auch in dieser Disziplin.
„Wissen Sie was. Ich sollte aufhören, Sie zu siezen. Jetzt, wo die Rollen verteilt sind. Aber es gefällt mir so. Es erinnert Sie daran, dass Sie eigentlich über mir stehen sollten. Aber das ist ja jetzt vorbei.“
Sie lächelte, ich konnte es sehen, und ich verging vor Scham. War es das, was ich wollte? Wollte ich mir so in die Seele schauen lassen? Wollte ich mich so der Inquisition eines Teenagers aussetzen? Wollte ich wirklich mein ganzes Sein auflösen lassen in den Demütigungen dieser Halbwüchsigen?
Ja.
Ja, ich wollte genau das.
Dieses Gefühl dabei.
Diese Demut und diese Scham.
Diese Lust daran, ihr zu gefallen. Diese Verzweiflung, mit der ich alles tat, sie glücklich zu machen.
Liz hatte keine Ahnung, wie weit meine Loyalität ginge. Ich wusste es selbst nicht. Aber als ich da stand mit gesenktem Kopf, mich vor ihr seelisch entblößte, da wusste ich, dass ich sehr weit gehen würde und sehr viel auf mich nehmen würde, ihr zu gefallen. Ich hoffte, dass sie mich nicht allzu schnell durchschauen würde. Die Grenzen dessen, zu dem ich glaubte, bereit zu sein, waren weit, verschwanden irgendwo im Horizont, vielleicht wie das Ende der Chinesischen Mauer, das irgendwo hinter den Bergen verschwindet.
Liz stand auf.
„Jetzt möchte ich sehen, was ich mit Ihnen alles machen kann.“
Sie war aufgestanden, aus der Grillhütte gekommen und hatte mir bedeutet, das Seil mitzunehmen und ihr zu folgen. Als sie an mir vorbei gegangen war, hatte sie mich ignoriert. Ich hatte irgendeine körperliche Geste von ihr erwartet. Irgendeine Berührung. Nachdem wir so viel gesprochen hatten und sie mich innerlich bereits so berührt hatte.
Aber nichts dergleichen.
Ich war ein wenig enttäuscht.
Als hätte ich sie mit irgendetwas verärgert, ohne zu wissen, warum oder womit.
Das fahle Mondlicht, das zwischen den nächtlichen Wolken und den Baumwipfeln nun hervorbrach, brachte ihre helle Haut zum Leuchten. Es schien gar, dass ihre Haut von sich aus glühte. Kalt und elfenbeinen. Ich folgte durch diese gespenstige Szenerie und stolperte hinterher durch das Unterholz.
Irgendwann hielt sie an. Ich würde allein nicht wieder zurück finden in der Dunkelheit, in der die Baumstämme schemenhaft wie erstarrte Gestalten erschienen.
Der Stadtwald war nicht so unmäßig groß, ich würde nicht verloren gehen, aber es würde dauern, ließe sie mich hier allein. Der Gedanke, in dieser Umgebung verloren zu sein, behagte mir nicht.
Liz drehte sich zu mir um, drückte mich rückwärts an einen dicken Stamm.
Sie sagte nichts, schob mich einfach in die Position, die sie wollte. Eine neu angezündete Zigarette klemmte in ihrem Mundwinkel, manchmal zog sie daran und blies dann den Rauch aus. Einmal mir genau ins Gesicht. Ansonsten blieb sie stumm, was mich verunsicherte.
Dann nahm sie meine Arme, zog sie hinter den Stamm und band sie hinter dem Stamm zusammen mit dem Tau, das sie zusammengerollt über die Schulter geworfen die ganze Zeit getragen hatte.
Meine Arme waren angespannt und die Muskeln waren gestreckt. Ich fragte mich, wie lange ich das würde aushalten können.
Sie legte das Seil um meine Taille, meine Hüfte, zog es einmal kräftig straff, dass ich erschrak, dann hoch, quer über meine Brüste und um meinen Hals, was ich als besonders unangenehm empfand, auch wenn sie Wert darauf legte, dass es dort locker lag. Dann führte sie das Seil von dort hinunter, wickelte es ein paar Mal um meinen Körper und den Stamm, zu meinen Füßen und fesselte es schließlich um meine Knöchel.
Alles schweigend.
Ich spürte ihren Atem auf mir, ich spürte ihre Finger, aber da war keine Sinnlichkeit in ihren Berührungen, sondern nüchterne Präzision. Ihre Finger streichelten nicht zufällig über meine Brüste, als sie das Seil in das Tal meiner Brust führte, und sie berührte auch nicht meinen Schoß, als sie das Tau daran vorbei führte.
Als sie fertig war, ging sie drei Schritte zurück und betrachtete mich, zog an der Zigarette. Ihre Miene im Schein der Glut sagte mir, dass sie zufrieden war.
Die Fesseln schnitten nicht in meinen Körper, aber ich merkte, dass sie fest saßen.
„Seltsame Situation, nicht wahr?“
Ich nickte. Endlich brach Sie das Schweigen.
„Ich meine, Cowboy und Indianer haben wir als kleine Kinder gespielt. Und jetzt spielen wir es wieder. Sie und ich. Ich bin der Indianer und Sie stehen am Marterpfahl oder so. Aber es ist anders. Kein Kinderspiel.“
Sie hielt inne, schwieg und sah mich an. Ich glaubte ihre Augen in der Dunkelheit leuchten zu sehen wie die eines Wehrwolfes. Aber es war nur die Glut, die ihre Pupillen illuminierte.
Ich sagte nichts.
Dann trat sie auf mich zu, hakte ihren Zeigefinger unter das Seil um meinen Hals und zog leicht daran, dass es sich um meine Kehle zuzog. Es war nicht genug, dass sie mir die Luft abschnitt, aber genug, um zu zeigen, wie leicht sie es könnte. Genug um mir Angst zu machen.
„Ist es ein Spiel oder nicht?“
Aber ich fühlte mich wie in einem Kinderspiel. Ich war hilflos und badete in diesem Gefühl ihr ausgeliefert zu sein. Sie konnte alles mit mir anstellen.
Sie wiederholte die Frage, erwartete also eine Antwort.
„Nein, es ist kein Spiel.“
Meine Stimme klang klein und schwankend. Ich hatte es nicht beabsichtigt, wollte souveräner klingen, aber es gelang mir nicht.
„Sie müssen mir ziemlich vertrauen. Ich meine, sich hier von mir an den Baum binden zu lassen. Ich könnte alles mit Ihnen machen. Oder auch nichts. Ich könnte Sie einfach hier stehen lassen. Die Nacht über. Morgen finden Sie dann die Jogger, und ich warte an der Schule, ob Sie da auftauchen, oder ob Sie sich vielleicht krank melden. Was würden Sie davon halten?“
„Ich würde das nicht gut finden.“
„Das ist ja sehr vornehm ausgedrückt. Ich an Ihrer Stelle wäre scheiße sauer. Aber Sie sind ja gut erzogen.“
Ich schwieg.
„Ich könnte das ausnutzen. Ihre Situation. Ich könnte alles Mögliche mit Ihnen machen. Was meinen Sie, was ich tun werde?”
Sie trat auf mich zu, stellte sich ganz nah an mich, dass unsere Körper sich fast berührten. Mein gefesselter und ihr freier. Unser Atem traf sich, verwirbelte sich ineinander. Wäre es kalt gewesen, man hätte es sehen können.
Sie blickte mir in die Augen.
Tief. So tief, dass ich es nicht ertragen konnte, wegschauen, den Kopf senken wollte. Aber ich wusste, dass sie das Sagen hatte. Sie würde es nicht zulassen.
Da war wieder diese natürliche Überlegenheit, die sie einfach so hervorholen konnte.
Ich versuchte ihrem Blick stand zu halten, aber er hatte etwas Hypnotisches, injizierte Schwäche und Unterlegenheit in mein Herz. Es schoss grell grün durch meinen gesamten Körper und ließ meine Knie weich werden. Hätten die Fesseln mich nicht gehalten, ich wäre zusammengesackt.
Dann spürte ich ihre Hände an meinem Bauch. Sie zogen die Bluse aus meiner Jeans, dann fingerten sie am Knopf meiner Jeans. Für einen winzigen Moment berührten ihre kühlen Hände meinen warmen Bauch. Ich zuckte zusammen.
Schließlich hatte sie den Knopf geöffnet. Dabei hielt sie immer noch meinen Blick in ihren grünen Augen.
Mit einem wenig sanften Ruck zog sie mir die Jeans ein Stück herunter.
Die kühle Nachtluft auf meinem Bauch brachte sofort eine Gänsehaut hervor.
Oder war es das Bewusstsein der Hilflosigkeit?
Oder war es die Lust, meine Geilheit?
Mit ihrer Hand fuhr sie über meinen Slip.
„Satin. Sie haben sich heute fein gemacht!“
Sie klang amüsiert.
„Nur für mich. Das ist ja nett von Ihnen. Das schmeichelt mir, dass Sie auf den letzten Abend reagiert haben. Finde ich gut. Sie denken mit. So soll das sein!“
Natürlich hatte ich das getan. Es war selbstverständlich gewesen.
Sie strich mit ihrem Zeigefinger den Bund entlang.
Wenn sie mich doch richtig anfassen würde!
Wenn sie mich doch wirklich berühren würde!
Ich wollte von ihr geküsst werden.
Ich wollte ihre Hände auf mir spüren!
Ich wollte erfahren, wie sie über mich fuhren. Sie mussten nicht zart sein, sie mussten nicht vorsichtig sein. Sie können fordernd und aggressiv sein.
Sie sollten nur da sein in ihrer strahlenden Macht und meiner Ohnmacht.
Ich wollte, dass sie mir zeigte, dass ihre abweisende Kühle nur gespielt war.
Fühlte sie denn gar nichts?
Warum nahm sie sich nicht einfach, was ich ihr schenken wollte?
Warum packte sie mich nicht einfach wie vor einigen Tagen?
Sie könnte sich doch einfach hingeben. Ihre Macht ausleben und mich meine Ohnmacht spüren lassen.
Wir bekämen beide, wonach uns gelüstete.
Was sprach sie von Spielen? Sah sie nicht, dass das kein Spiel für mich war?
Ich bewegte meine Hüften leicht, um ihr zu signalisieren, wie sehr ich nach ihrer Berührung gierte.
Aber sie stand nur da und strich weiter über den Bund. Von links nach rechts und dann wieder zurück und blickte mir kalt und unverwandt in die Augen wie bei irgendeinem Ritual.
„Sie sind ein ziemliches Luder. Sie brauchen es scheinbar wirklich!“
Die grünen Augen funkelten giftig.
„Wenn Sie es so dringend brauchen, dann holen Sie es sich doch! Ich gebe Ihnen die Erlaubnis. Küssen Sie mich!“
Ich zögerte. War das ein Test? Sie hatte sich nicht gerührt.
„Kommen Sie schon! Küssen Sie mich!“
Ich streckte den Kopf vor. Ihr Mund war nur Zentimeter von meinem entfernt. Doch als unsere Lippen sich fast bewegten, zog sie ihn ein wenig zurück. Ich streckte ihn ein wenig weiter hervor, bis ich das Tau an meinem Hals spürte.
Sie grinste böswillig.
„Klappt’s nicht? Der Ponyhof ist drei Straßen weiter. Wenn Sie wirklich wollen, dann schaffen Sie es. Sie müssen es nur versuchen!“
Das Tau an meiner Kehle lag straff, aber es schnitt nicht ein. Zwei Zentimeter fehlten zu ihrem süßen Mund.
„Kommen Sie schon. Wenn Sie es wollen, dann schaffen Sie es.“
Ich schob den Kopf vor. Nun drückte das Seil stärker, aber ich wollte es eben.
Ich wollte den Kuss!
Schließlich gab ich mir einen Ruck und machte auch noch den restlichen Zentimeter, der mir die Luft abschnitt. Unsere Lippen berührten sich.
Ihre Lippen waren feucht, ihr Atem roch nach Nikotin, aber darum ging es nicht. Sie fühlten sich weich an, süß wie eine verbotene Frucht.
Aber Liz gewährte mir nur einen kurzen Augenblick, dann zog sie den Kopf zurück und entzog sich mir.
Frustriert stöhnte ich auf.
„Sie müssen es stärker versuchen!“
Sie beugte sich etwas vor und spitzte ihre Lippen. Dabei sah sie mir angriffslustig in die Augen.
Ich beugte mich wieder vor zu ihrem Mund, der nur wenige Zentimeter entfernt war. Soweit es ging. Das Seil um meinen Hals hielt mich zurück. Ich stemmte mich dagegen. Mit meiner Kehle. Spürte die Unnachgiebigkeit des Seils und ignorierte sie. Ich stemmte mich weiter vor, dass das Seil auf meine Luftröhre zu drücken begann. Nur um diesen Kuss zu bekommen. Würden unsere Lippen sich richtig treffen, ich könnte sie überzeugen, dass ich es wert wäre, von ihr geküsst zu werden. Ich war mir sicher, dass sie ihre Spiele aufgeben würde. Wenn sie mir nur einmal gestattete, sie wirklich zu küssen. Mit all meiner Leidenschaft und Hingabe. Ich würde es richtig machen.
Liz bewegte sich nicht. Sah mir immer noch tief in die Augen und machte mich verrückt durch die Demonstration ihrer Macht. Und das angedeutete spöttische Lächeln.
Sie gewährte mir wieder nur einen kurzen, oberflächlichen Kuss. Einmal flackerte ihre Zunge gegen meine Oberlippe, einmal griffen ihre Zähne leicht meine Unterlippe. Dann zog sie sich wieder zurück.
Und ich musste mich auch zurücklehnen, um wieder Luft zu bekommen. Das Gefühl des Erstickens, der Druck auf meiner Kehle war durchaus unangenehm, aber ich ertrug ihn.
Innerlich schrie ich vor Frustration.
„Ich sage Ihnen was. Wir machen ein Spiel.“
Ihre Stimme signalisierte einen Bruch.
Ich fühlte mich vor den Kopf gestoßen und musste mich erst darauf einstellen.
„Sie nennen mir fünf schreckliche Sachen, die ich mit Ihnen hier und jetzt anstellen könnte, und Sie bekommen erst den richtigen Kuss, den Sie ja scheinbar so sehr brauchen, und ich werde Sie danach frei lassen. Ich will wissen, was Sie so richtig Scheiße fänden in dieser Situation. Was ich nicht machen soll. “
Ich überlegte.
„Ich soll dir meine größten Ängste nennen? Hier? Also quasi die Ideen liefern für die Torturen, die ich dann selbst zu erleiden habe?“
„Das hört sich so negativ an. Nennen Sie es einfach ein Brainstorming. So bezogen auf das, worauf ich dann Rücksicht nehmen muss.“
Der Spott troff aus ihrer Stimme.
„Habe ich eine Wahl?“
„Natürlich. Wenn Sie nicht wollen, verschwinde ich einfach und lese morgen in der Zeitung von der Lehrerin, die am Baum gefesselt gefunden wurde mit heruntergelassener Hose. Das käme doch total klasse. Wie sieht’s aus?“
In meinem Kopf sträubte sich alles. Ich sollte ihr meine größten Ängste in dieser Situation nennen, nur damit sie eine davon in die Tat umsetzen konnte? Aber ich war halt nicht in der Situation, Regeln aufzustellen.
Ich nickte meine Zustimmung.
„Dann fangen Sie mal an!“
Ich überlegte, oder vielleicht war es ehern ein Zögern.
Die Schreckensszenarien waren nicht weit, ließen nicht lange auf sich warten und schwirrten bald durch meinen Kopf wie Motten um die Laterne.
Ich schluckte.
„Du könntest mir wehtun. Ich kann mich schließlich nicht wehren.“
Ihre Augen funkelten.
„Das ist richtig.“
Sie trat einen Schritt näher an mich, hob die rechte Hand an meine linke Brust. Kurz davor inne hielt, als würde sie meinen erigierten Nippel durch Bluse und BH greifen und durchbohrte mich mit ihrem Blick.
Aber sie hielt inne kurz davor.
„Netter Gedanke, naheliegend. Habe ich auch dran gedacht. Aber mir ist nicht danach.“
Trotzdem griff sie mit einer schnellen Bewegung meine Brustwarze durch Bluse und BH und drehte sie kurz, aber schmerzhaft und lächelte. Ich schrie ein eher empörtes als durch Schmerz verursachtes „Aua!“.
„Weiter!“
„Du könntest irgendwelche Leute holen und mich ihnen zeigen in meiner prekären Situation.“
„Netter Gedanken, aber fürs Erste möchte ich Sie allein für mich haben. Außerdem wäre es schwer, hier jemanden aufzutreiben. Ist ja doch eine einsame Gegend hier. Aber danke für die Idee. Nummer Drei!“
Wieder zögerte ich.
„Du könntest mir die Kleider abnehmen, dass ich nackt nachhause kommen müsste.“
„Oh, netter Gedanke. Daran habe ich gar nicht gedacht. Sehr schön! Sie, wie Sie von Busch zu Busch huschen, sich dann in Ihren Wagen retten, über die entlegensten Feldwege und Nebenstraße nachhause manövrieren, damit Sie nicht an einer roten Ampel halten müssen und neben Ihnen ein Auto mit irgendeinem schmierigen Typen drinnen anhält und Sie bewundert. Mhh, super Idee. Machen wir vielleicht mal. Vier.“
„Du könntest mich fotografieren und später mit den Bildern erpressen.“
„Daran habe ich auch gedacht. Ich könnte bestimmt viel Material sammeln, um Sie zu erpressen. Das könnte so richtig Profit abwerfen, meinen Sie nicht? So eine Art Nebenverdienst für mich für den Rest Ihres Lebens! Aber so bin ich nicht.“
Sie machte eine Pause, wartete offensichtlich auf eine Replik.
Ich wusste nicht, was sie erwartete und schwieg daher.
„Das sind vier. Einer fehlt noch.“
Ich dachte nach. Mir fiel nichts mehr ein. Nur noch Variationen der obigen. Mein Kopf war vollgestopft mit den Ausarbeitungen der Schreckensszenarien. Koloriert und bis in die Details ausgemalt. Die Bilder waren so machtvoll, dass ich an nichts anderes mehr denken konnte. Mein Verstand lief blank. Sie erwartete einfach zu viel. Zu viele Dinge gingen mir durch den Kopf. Schließlich kam ich mit einer schwachen Antwort.
„Du könntest mich hier einfach stehen lassen.“
„Das zählt nicht, das war meine Idee. Noch eine!“
Ich dachte nach, aber es kam nichts. Ich begann zu überlegen, was ich wollte und was nicht, was ich begehrte und was ich verabscheute, und was auf gar keinen Fall eintreten sollte. Schließlich dachte ich daran, was ich jetzt am meisten wollte und was ich am wenigsten missen konnte.
„Kommen Sie schon, kommen Sie schon!“
Sie war an mich heran getreten, drückte ihren Körper gegen meinen. Ich spürte ihre Wärme, sie, ihren Einfluss auf mich. Sie versuchte, meinen Verstand zu benebeln.
Es funktionierte tadellos.
Sie schmiegte sich an mich, gurrte in süßen Worten, ihre Lippen ganz nah an meinem.
„Wie könnte ich Sie ärgern? Wie könnte ich Sie ärgern? Sagen Sie schon. Sagen Sie. Sagen Sie!
Schließlich fiel mir etwas ein, vielleicht die persönlichste Antwort, vielleicht die aber auch eine irrelevante.
„Du könntest das hier beenden, mich nachhause schicken, ohne dass ich dich hätte richtig küssen dürfen.“
Sie hielt inne, trat einen Schritt zurück, blickte mich lange an. Ich konnte ihren Ausdruck nicht deuten.
Schließlich sagte sie.
„Der gefällt mir irgendwie. Ist originell. Ich könnte das hier beenden, Sie nachhause schicken, ohne dass Sie mich hätten küssen dürfen. Das wäre eine so schreckliche Strafe, schlimmer als all die anderen?“
Ich nickte vage.
„Sie gefallen mir besser, wenn Sie sich zusammenhängend äußern. In ganzen Sätzen und so! Das wäre auch irgendwie respektvoller, finde ich. Sollten Sie mir nicht Respekt zeigen?“
Wieder dieser Stimmungswechsel. Wieder diese Kühle. Ich hatte Probleme, ihr zu folgen.
„Das tut mir leid, ich muss mich erst in dieser Rolle zu Recht finden.“
„Kann ich verstehen, geht mir nicht anders.“
Sie schwieg, sah mich an, trat wieder einen Schritt auf mich zu, ganz nah an mein Gesicht, dass sich unsere Nasen fast berührten.
„Nun, dann wird Ihre schlimmste Strafe wohl wahr werden.“
Ich spürte den warmen Hauch ihres Atems auf meinen Wangen, als sie die Worte flüsterte. Es machte mich wahnsinnig.
„Denn den Kuss kriegen Sie nicht.“
„Aber du hast ihn mir versprochen!“
„Und jetzt habe ich es mir anders überlegt. So läuft das halt. Ich habe das Sagen, ich ändere meine Meinung, wenn mir danach ist! Ich habe nie gesagt, dass ich gerecht wäre oder mein Wort hielte. Ich kann machen, was ich will. Ich bin hier so eine Art Königin. Können Sie mögen oder lassen, ist mir scheiß egal.“
Ich war sauer und frustriert. Sie hatte es mir versprochen.
Dabei waren unsere Lippen so nah, dass jedes Spitzen sie zusammengeführt hätte. Sie trat zurück und ließ mich enttäuscht in meinen Fesseln zappeln.
„Wissen Sie, ich habe schon verstanden, dass ich in diesem Spielchen mehr Disziplin aufzubringen habe als Sie. Sie werfen sich einfach vor mir auf die Knie und betteln. Ich muss hier die Lady spielen, die sich im Griff hat und Nein sagt. Vielleicht will ich auch, aber es ist meine Aufgabe Nein zu sagen, damit sie nur noch mehr winseln und sich nur noch mehr erniedrigen. Das müssen Sie verstehen. Je mehr Sie winseln, desto besser wird das hier. Desto mehr Macht und so habe ich. Und wenn ich es Ihnen dann gebe, dann sind Sie umso dankbarer und umso kleiner. So läuft das Spielchen doch. Das verstehen Sie bestimmt. Ich kann Ihnen diesen Kuss nicht geben. Weil ich einfach ein mieses kleines Miststück bin. Mich geilt das alles hier genauso auf wie Sie. Aber ich habe einen Ruf zu verlieren. Sie nur Ihre Würde, und so wie ich das hier sehe, ist davon nicht mehr viel übrig.“
Wieder einer dieser langen Momente, in denen sie ihre Macht demonstrierte und ich erkennen musste, wie wenig ich galt. Sie hatte natürlich irgendwie recht. Aber wenn sie es wollte und ich auch, warum gab sie sich dann nicht hin? Zum Teufel mit unseren Rollen!
Als sie sprach, hatte ihre Stimme wieder diesen ätzenden Spott.
„Ich fand Ihre Fotoidee nicht schlecht.“
Sie zog eine Digitalkamera hervor.
„Ob ich Sie damit erpresse, das weiß ich noch nicht. Aber ich möchte ein Andenken.“
Ich bekam Panik.
„Nein bitte nicht, keine Bilder! Das zwischen uns muss alles geheim bleiben. Bitte, du kannst mit mir machen, was du willst, aber niemand darf davon erfahren! Ich bitte dich. Das ist mir ernst! Da endet alles, alle Spielchen enden da!“
Der Blitz signalisierte, dass sie sich für meine Worte nicht interessierte. Meine Ängste galten ihr nichts, dachte ich, doch ihre Worte versicherten mir anderes.
„Wissen Sie, Sie müssen mir mehr vertrauen. Ich bin enttäuscht von Ihnen. Glauben Sie wirklich, ich würde Sie erpressen? Das ist billig, und ich will nicht billig sein. Zumindest nicht in der Sache zwischen uns hier. Die Bilder sind nur für mich, und vielleicht für Sie, wenn Sie so richtig artig sind.“
Konnte ich das glauben?
Ich hatte wirklich an ihr gezweifelt. Ich zweifelte immer noch. Konnte ich ihr vertrauen? Es war vollkommen aberwitzig. Und doch hinterließen ihre vorwurfsvollen Worte ein schlechtes Gewissen. Sollte ich ihr vertrauen?
Ich musste es.
Ich musste nichts. Ich könnte das alles beenden, und wenn ich nur noch einen Funken Verstand in mir hatte, würde ich das auch tun. Aber da war eben dieser andere Waldbrand, der den Funken Verstand wie ein winziges Glühwürmchen in einer tiefen Nacht verschwinden ließ.
Ich wusste nur, dass ich nichts mehr wusste. Meine Intuition war gestört wie ein Kompass am Nordpol. Ich ließ sie einfach gewähren.
Mir blieben Zweifel, ein ungutes Gefühl und keine Wahl.
Sie knipste weiter.
„Kopf hoch!“
Blitz
„Lächeln!“
Blitz
Ich hatte zu ertragen.
“Ich mag es, wie Sie versuchen, Ihre Hüften zu drehen, dass man den Stoff Ihrer Unterwäsche nicht sieht. Die Pose zeigt, wie peinlich Ihnen das alles ist. Dabei wird der so wunderbar glänzen auf den Fotos.“
Blitz
Blitz
Blitz
Wie würde ich auf diesen Bildern aussehen?
Entwürdigt und gedemütigt.
Als sie fertig war, betrachtete sie sich ihre Werke im Display lang und ausgiebig, ohne mich zu beachten. Ich sah nur das zufriedene Lächeln in ihren Augen und spürte meine Fesseln und die schroffe Rinde des Baumes an meinen Handgelenken schaben, wenn ich mich bewegte.
Schließlich trat sie auf mich zu.
„Das war doch gar nicht so schlecht für das erste Mal!“
Sie klopfte sich böse lächelnd auf die Tasche, in die sie die Kamera gesteckt hatte.
„So, das war’s dann auch schon. Ich würde sagen, für heute reicht es. Ich hatte meinen Spaß, Sie hatten Ihren. Auf Ihren Kuss müssen Sie wohl verzichten, aber ich verspreche Ihnen, den werden Sie schon noch bekommen. Aber eine Sache hätte ich noch. Mir gefällt Ihre Unterwäsche. Sie haben doch nichts dagegen, wenn ich mir die mitnehme?“
Was sollte ich schon sagen?
Sie griff in ihre Tasche, zog etwas heraus, das ich nicht genau sehen konnte, hielt die Faust nah an mein Gesicht und...
Schnapp
Ich zuckte zusammen.
Sprang die Klinge eines Stiletts hervor.
Es musste scharf sein, denn mit einem leichten Ruck schnitt sie mir erst links, dann rechts den Stoff meines Höschens von den Hüften und zog ihn langsam zwischen meinen Schenkeln hervor.
Ich hoffte, dass sie die Feuchtigkeit darin nicht spürte. Oder vielleicht hoffte ich auch, dass sie sie spürte. Ja, ich wollte es. Es war mein Geschenk an sie.
Für einen Moment blitzte dieses Bild auf, wie sie in ihrem Bett lag, meinen verknüllten Slip in ihrer Hand, ihn auf ihr Gesicht legte, daran roch, meinen Duft einsaugte und sich mit der anderen Hand streichelte. Es war nur ein ganz kurzes Bild, aber es wirkte wunderschön, und ich würde diese Szene vor meinem geistigen Auge zurückholen, wenn ich an einem anderen, angemesseneren Ort wäre.
Der Stoff verschwand in ihrer Faust.
„Ich mache den Knoten jetzt los und verschwinde. Sie werden noch hier stehen. Mindestens zehn Minuten, bevor Sie auch abhauen können. Aber nehmen Sie das Seil mit. Das brauchen wir noch. Zehn Minuten!“
„Verstanden.“
Ich spürte, wie die Fesseln sich lösten und meine Arme frei wurden.
„Dann noch viel Vergnügen.“
Damit verschwand sie in der Nacht.
Ich konnte noch eine Weile ihre Schritte im Unterholz hören. Dann wurden sie leiser und die Geräusche erstarben. Ich war allein. Aber natürlich konnte sie mir auflauern. Vielleicht setzte sie sich irgendwo in die Nacht und wartete, ob ich ihren Befehl vielleicht missachten würde.
Erst nachdem sie die Fesseln gelöst hatte und ich mich wieder bewegen konnte, wurde ich des Schmerzes richtig gewahr, der in meinen Armen gelungert hatte. Nun, da das Blut wieder in meine Handgelenke schoss und die Nerven reizten, spürte ich es. Ich rieb mir die Gelenke.
Wenn jetzt jemand vorbei käme! Aber wer sollte so spät noch durch den Wald spazieren? Kein Vernünftiger Mensch.
Der Gedanke beunruhigte mich ein wenig, doch mehr machte ich mir Sorgen, wie ich aus dem Wald finden würde.
Als ich langsam wieder ernüchterte, lagen mir all die inkriminierenden Beweisstücke im Magen, die mir gefährlich werden konnten. Liz hatte Fotos von mir, die so eindeutig und kompromittierend waren, dass ich mich nicht heraus reden konnte. Dazu mein Höschen. Was hatte ich getan? Was, wenn sie die Fotos wirklich veröffentlichte.
„Sie müssen mir sehr vertrauen“, hatte sie gesagt. War das nur eine Feststellung oder eine Drohung oder gar eine Andeutung gewesen?
Mir drehte sich kurzzeitig der Magen um.
Was hatte ich nur gemacht?
War ich wahnsinnig geworden?
Das musste aufhören. Ich würde am nächsten Tag zu ihr gehen und alles abblasen. Ich würde ihr sagen, dass ich mich geirrt hatte, dass ich all das nicht tun könnte und um die Fotos bitten.
Wie hatte ich nur so dumm sein können? So leichtsinnig?
Ich schüttelte stumm den Kopf.
Die Farbe meiner Gefühle wandelte sich, als ich die letzten Gedanken noch einmal Revue passieren lies. Von Feuerrot in ein warmes Bordeaux, wie das eines Rotweins.
So fühlte ich mich eigentlich auch. Trunken vor Hormonen oder Endorphinen.
Hatte ich mir das vorstellen können? Dass ich so etwas noch mal tun würde?
Hatte ich mir vorstellen können, dass es mich bis zu einem feuchten Höschen erregte, von einem zehn Jahre jüngeren Mädchen an einen Baum gefesselt zu werden?
Hatte ich nicht ihre Inquisition genossen? All die intimen Fragen.
Hatte ich mich nicht wunderschön empfunden, als sie mich fotografiert hatte und ich hilflos und ihr ausgeliefert gewesen war?
Aufhören? Nein, das wäre Wahnsinn.
Ich konnte ihr nicht vertrauen, aber gerade das gehörte dazu. Ich lieferte mich ihr aus.
Einer Halbwüchsigen.
Mit allen Konsequenzen.
Es war Wahnsinn.
Eine bessere Entscheidung hatte ich nie zuvor getroffen.
Nie zuvor.
Ich hatte sicherlich länger als zehn Minuten an dem Baum gestanden, als ich mich auf den Rückweg machte. Ich zog die Jeans noch. Das Gefühl war ungewöhnlich. Ich lief sonst nicht ohne Unterwäsche herum.
Ich wickelte das Seil zusammen und stakste zurück durch das Unterholz.
Als ich ins Bett fiel, war ich gerädert. Ich weiß nicht, wann ich das letzte Mal so tief geschlafen hatte. Und von einem versagten Kuss so schön geträumt hatte.
Als ich am nächsten Morgen aufwachte, war ich verliebt.
Tiptop.
Die Schmetterlinge im Bauch.
Das Hochgefühl.
Der Enthusiasmus.
Das Gefühl bedeutsam und vom Schicksal gesegnet zu sein.
So musste Superwoman den Tag beginnen. In der Erwartung, Großes tun zu dürfen.
Ich zückte den Rasierer und rasierte mir die Beine. Schließlich galt es, schön zu sein für meine Liz. Und nach kurzem Zögern schnippelte ich auch noch etwas an der Bikinizone herum, brachte mich in Form, trimmte das Gestrüpp in eine symmetrische Form.
Ich erwog auch den Kahlschlag für eine Sekunde, aber das wirkte irgendwie billig, und so wollte ich nicht auftreten.
Danach duschen. Ich hatte nicht viel Zeit, also hielt ich die Finger bei mir und ließ sie nicht gewähren.
Der Blick in den Spiegel nach der Dusche enthüllte die schönste Lehrerin der ganzen Stadt.
Mindestens.
Spieglein, Spieglein an der Wand.
Ein schnelles Frühstück, dann machte ich mich auf zu meinen Samstagseinkäufen.
Ich hätte in einem Commercial mitmachen können. Ich war wirklich eine dieser dynamischen, attraktiven, sportiven jungen Frauen von heute, die man nur in der Werbung sieht.
Ob die sich auch alle ihren Schülerinnen unterwarfen?
Ich grinste bei dem Gedanken.
Die Samstagseinkäufe waren schnell erledigt.
Ich kam nachhause, arbeitete ein paar Stunden, korrigierte, bereitete Stunden nach und vor und werkelte mich so durch die Dinge, die ich zu erledigen hatte.
In einer Pause setzte ich mich hin und schrieb Liz eine kurze Nachricht. Sie hatte Lieder oder Songtexte verlangt. Das würde sicherlich schwierig, aber ich hatte schon eines.
Eine CD mit dem Titel Bluebird der Gruppe Hipkiss. Vielleicht war es aber auch die Gruppe Bluebird mit der CD Hipkiss. Ich wusste es nicht, sie hatten es nur zu einer CD geschafft.
Ich zitierte einige Verse des Songs Dealt:
I got rid of a real man one day.
He was such a man, knew when to raise his hand.
Make me small, make me crawl.
He knew when to raise his hands.
und schrieb darunter:
Vielen Dank für den tollsten Abend seit Menschengedenken.
XXX
Ich hielt den Zettel in meinen Händen, drehte ihn. Irgendwas fehlte. Schließlich legte ich schnell Lippenstift auf und küsste das Blatt und hinterließ einen Kussmund.
War das kindisch?
Zweifellos.
Aber so fühlte ich mich eben.
Kindisch.
Verliebt.
Ich würde ihr die Nachricht am Montag irgendwie zukommen lassen. Ans Fahrrad klemmen oder so. Sie hatte ein schwarzes Hollandrad mit einem Totenkopf-Aufkleber auf dem Schutzblech. Es passte zu ihr. Mir würde schon was einfallen. Dann entschied ich mich um. Das Wetter war in Ordnung, es war angenehm, ich fühlte mich irgendwie rastlos, also steckte ich meine Nachricht in einen Umschlag, schwang mich auf das Rad und fuhr zu ihr, warf den Brief in den Kasten und radelte noch ein wenig durch die Stadt, bevor ich wieder nachhause fuhr.
Ich schaffte es nur mühsam, Liz aus meinem Verstand zu schieben und noch ein wenig zu arbeiten. Ich kramte meine Sachen auf dem Schreibtisch hin und her, setzte mich, beschäftigte mich mit irgendwas, stand wieder auf, ging in die Küche, räumte was auf, suchte was im Wohnzimmer und dann setzte ich mich wieder an den Schreibtisch.
Als das Telefon klingelte, puckerte mein Herz bis in die Kehle. Aber es war nur eine dieser nervigen Telefon-Verkäuferinnen, die mir einen billigeren Internetanschluss andrehen wollte.
So verging der Samstag-Nachmittag langsam, ohne dass ich überhaupt wusste, worauf ich warten sollte.
Liz hatte nicht gesagt, dass sie sich heute bei mir melden wollte.
Aber nach dem, was gestern Nacht passiert war, musste sie da nicht ebenso danach brennen, mich zu sehen, wie ich mich nach ihr sehnte?
Hatte ich nicht gehorcht?
War ich nicht folgsam gewesen?
War ich nicht artig gewesen?
Wonderwoman begann zu schwächeln. Die Superkräfte waren langsam aufgebraucht. Jemand hatte mir einen Klumpen Kryptonit zugesteckt.
Na toll.
Ich wurde mürrisch und ungehalten und war genervt.
Das Warten machte mich zu einer grauen, verbitterten Sozialbau-Omma, die mürrisch und verwirrt durch die Welt schlurfte und alles um sich herum mit Grau infizierte. Ich war zu einem Schwarzen Loch der guten Laune geworden.
Auf und ab ging es. Wie in der Achterbahn.
Ich bemerkte meinen Stimmungsumschwung und dass selbst meine Gedanken schal und abgestanden waren. Wie meine Warterei. Wie ich mich anfühlte. Schal und abgestanden. Aber so wollte ich den Tag nicht beenden. Ich wollte mich auch nicht runterziehen lassen. Ich wollte auch keine graue Omma sein. Es lag alles an mir.
Und dann wieder Verständnis. Liz hatte noch ein Leben jenseits von mir. Sie hatte Freunde und Verpflichtungen und so. Das musste ich verstehen und ich hatte auch eines oder hätte mir zumindest vorstellen können, eines zu haben.
Ich würde mir einfach etwas suchen müssen.
Liz würde mir nicht die Freunde ersetzen. Ich überlegte, ins Kino zu gehen. Nun, da ich in einer größeren Stadt lebte, hatte ich wieder die Möglichkeit, in die Studentenkinos mit den guten Filmen zu gehen. Warum nicht? Ich suchte in der Zeitung nach dem Kinoprogramm, fand aber nichts Spannendes. Aber ich war immer noch guten Willens und dachte mir, dass ich zumindest für die Zukunft eine Beschäftigung gefunden hätte, und das war ja auch schon was.
Es war Zehn, als das Telefon klingelte. Mein erster Impuls war, nicht dran zu gehen. Wer rief um die Zeit noch an? Meine Mutter höchstens, die wieder von einer neuen Krankheit erzählen wollte, die man an ihr festgestellt hatte und die die Forschung vor ein Rätsel stellte. darauf konnte ich verzichten. Ansonsten vielleicht alte Freunde, aber auf die hatte ich keine Lust in diesem Moment.
Dennoch war ich nach dem zweiten Läuten am Telefon.
„Ich bin’s!“
Es war schwer Liz zu verstehen, im Hintergrund tobte eine Party. Die Musik wummerte neben unverständlichen Stimmen.
Sie schien betrunken zu sein, ihre Stimme brüllte jedenfalls in den Hörer und schwankte dabei.
„Ich wollte mich nur für ihre Nachricht bedanken. Sie sind echt süß. Wir werden viel Spaß miteinander haben!“
Im Hintergrund Gelächter. Ich hörte etwas leiser eine andere weibliche Stimme.
„Wer ist das?“
Dann wieder Liz:
„Meine neue Freundin.“
„Freundin? Bist du unter die Lesben gegangen?“
Sie lachten.
„Verrückt, nicht wahr?“
„Kenne ich die?“
Liz kicherte.
„Ich glaube schon!“
„Wer ist es?“
„Du wirst es nicht glauben!“
Dann Rauschen in der Leitung und mehr Lachen im Hintergrund.
Dann wieder Liz, die zu mir sprach.
„Keine Sorge, ich habe Sie nicht verraten.“
Sie kicherte.
„Noch nicht.”
Ich war glücklich, ihre Stimme zu hören. Ich hatte sie nicht enttäuscht, sie hatte mich nicht vergessen. Sie sagte mir nur, dass sie an mich dachte und bedankte sich.
Was wollte ich mehr?
„Morgen kümmere ich mich um dich!“
Und dann schrie die andere Stimme betrunken in den Hörer:
„Baby, wenn du die Schnauze von Liz voll hast, dann komm vorbei und leck mich!“
Danach wieder Gekicher und dann Liz im Hintergrund:
„Ey, was bildest du dir ein! Das ist meine!“
„Meine, meine! Ich will auch so eine geile Chica!“
„Du hast doch einen Macker!“
Dann wieder die andere Stimme im Hörer:
„Mach’s mir auch, du kleines Luder!“
Dann Liz:
„Schluss jetzt! Hol uns noch ein Bier, und dann suche ich dir auch eine Lesbe!“
„Versprochen?“
„Ich finde dir eine so geile, die wird dir das Hirn durch deine Pussy saugen!“
„So wie deine?“
„Du sagst es. Und jetzt ksshh, ksshh, hols Bierchen! Wo ist das Bier? Ja hol das Bier! Ja braves Hundchen!“
Ich glaubte, die Stimme der zu einem Hundchen degradierten zu erkennen. Es war Hanna. Sie war in einem meiner Kurse. Eigentlich unscheinbar und höflich, wenn sie nüchtern war. Wenn die wüsste, wen sie da gerade als Lesbe angemacht hatte!
„Also, ich bin weg. Bis morgen!“
Dann hatte Liz schon aufgelegt, bevor ich noch etwas Nettes sagen konnte.
Ich fühlte mich an meine Jugend erinnert. An Partys, Saufereien, laute Musik, Ausgelassenheit.
Es war eine Erinnerung der Vergangenheit. Wenn ich heute auf Partys ging gab es Fingerfood und keine Kartoffel-Chips aus dem Discounter, und man trank südafrikanischen Rotwein und unterhielt sich über dessen Qualität, was bedeutete, dass man sein Halbwissen abrief, denn eigentlich hatte man keine Ahnung. Worüber unterhielten sich Teenager auf Partys heutzutage? Ich wusste es nicht. Ich vermutete, dass sie lästerten, wie wir das auch tun, wenn der Abend später geworden ist und man die Etikette abgelegt hat.
Ich bekam ein wenig Sehnsucht nach diesen Feiern, der Ausgelassenheit und der Unbeschwertheit. Als junger Mensch war man göttlich, weil man einfach keine Grenzen hatte. Man musste sich nicht mit der Lage in Tibet und der Qualität des italienischen Mozzarella auseinander setzen. Man feierte, tanzte, trank und machte Dummheiten. Man machte sich zum Affen, blamierte sich auch mal, aber es war nie dramatisch. Man hatte nichts zu verlieren, man hatte sich keine Sorgen zu machen.
Ich erinnerte mich der schwülen Atmosphäre in spießigen Partykellern, der zu lauten Musik und des Streits, was denn nun gespielt werden sollte. Die Jungs wollten Rock, die Mädchen was zum Tanzen. Mal siegte die eine, mal die andere Fraktion. Man trank abenteuerliche und viel zu süße Cocktails und billigen Fusel. Irgendeinen Likör oder Ähnliches.
Man feierte im Sinne des Wortes.
Hier saß ich nun in meiner Wohnung an einem Samstagabend und wusste nicht, was ich tun sollte. Das war früher anders gewesen. Da war man einfach jedes Wochenende rausgegangen, und wenn man mal zuhause blieb, dann nur, weil man vielleicht knapp bei Kasse war. Es war die Ausnahmesituation, nicht die Regel.
Ich sah mich um in meiner geschmackvoll eingerichteten Wohnung, und irgendwie schienen die Wände zu schrumpfen.
Kurz entschlossen packte ich meine Tasche, schwang mich auf mein Rad und fuhr in die Stadt. Ich wusste nicht, was ich suchte, was ich wollte, aber ich wollte mir nicht zuhause die Decke auf den Kopf fallen lassen.
Mein Ziel war irgendeine Bar. Ein paar Drinks, ein paar nette Leute treffen, nette Unterhaltungen. Ein wenig Abwechslung.
Ich kannte mich in der Stadt immer noch nicht aus, aber ich hatte mittlerweile ein paar Adressen aufgeschnappt.
Es war angenehm die frische Luft der Nacht in meinem Gesicht zu spüren. Ich radelte so durch die Straßen, wenig zielstrebig, lies mich treiben, bog hier ab und da. ich hatte es nicht eilig.
Ich glaube, unbewusst dämmerte mir schon, was ich dann spüren sollte, als ich wirklich vor einer Bar stand.
Es war von außen ein netter Laden. ich sah durch die Scheiben die Menschen, die bei gedämpftem Licht an Tischen und der Bar saßen. Fetzen einer angenehmen Musik drangen heraus. Die Leute drinnen schienen Spaß zu haben, es sah nett aus.
Ich stieg wieder auf mein Rad und fuhr weiter. Das war nicht die richtige Bar. Irgendetwas gefiel mir daran nicht.
Aber auch in die nächste auf meiner Liste ging ich nicht. Und auch nicht in die letzte. Ich konnte mir nicht vorstellen, allein in eine Bar zu gehen, mich an einen Tresen zu setzen und darauf zu warten, dass mich wer ansprach, oder gar selbst jemanden anzusprechen.
Ich fuhr noch ein wenig durch die Stadt, aber nach wenigen Straßen schlug ich den Weg zurück nachhause ein. Meine Abenteuerlust war erloschen, und ich merkte, wie ich mich einsam zu fühlen begann. Einsam in dieser Stadt, in dieser Nacht, in der die Straßenlaternen wie solitäre Sterne in einem leeren Universum leuchteten.
Ich war froh, als ich die Haustür hinter mir geschlossen hatte und wieder in meiner Wohnung war, in der es genug Dinge gab, die mir die Zeit vertrieben.
Ich ging ins Internet, checkte meine Mails, surfte ein wenig auf den Nachrichtenseiten herum, öffnete noch eine Flasche Rotwein, trank aber nur ein Glas und ging relativ schnell ins Bett.
Bevor ich einschlief, tröstete ich mich mit dem Gedanken, dass Liz an mich gedacht und mich auf dieser Party angerufen und indirekt vor ihren Freundinnen mit mir geprahlt hatte.
Ich hatte wirklich keinen Grund mich einsam zu fühlen. Und am nächsten Tag, das hatte sie mir versprochen, würde sie sich um mich kümmern. Das war doch auch schon etwas!
Am nächsten Morgen war ich früh auf den Beinen. Die Sonne schien in mein Zimmer, ich räkelte mich und stand voller Elan auf.
Da meine Wohnung ein wenig Sauberkeit gebrauchen konnte, begab ich mich nach einem kurzen Frühstück an die Arbeit, machte die Wäsche und putzte das Bad, als es an der Tür klingelte.
Ich sah auf die Uhr. Es war halb Neun. War das Liz? Vermutlich. Ich hatte nicht so früh mit ihr gerechnet, aber wer sonst sollte es sein?
In der Tat stand sie da. Blass, mit rot unterlaufenen Augen und heruntergezogenen Mundwinkeln.
„Guten Morgen!“, sagte ich erstaunt, aber auch in der guten Stimmung, in der ich bis gerade meiner Beschäftigung nachgegangen war.
„Morgen“, grummelte sie zurück, schlurfte an mir vorbei ins Wohnzimmer und ließ sich schwer auf meine Couch fallen.
„Komme von dieser Fete.“
„Die hat bis jetzt gedauert? Na das muss ja eine tolle Fete gewesen sein!“
Sie sah mich mit Augen an, die zu Rasiermesserschlitzen verkleinert waren.
„Hören Sie zu. Ich habe vielleicht zwei Stunden Schlaf gehabt. Ich fühle mich zum Kotzen, und ich habe überhaupt keinen Bock nachhause zu gehen, weil mich da entweder mein kleiner Bruder oder meine Eltern nerven. Also dachte ich mir, komme ich zu Ihnen, Sie nerven mich bestimmt nicht. Also, nerven Sie mich nicht, klar?“
„Verstanden.“
„Dann ist es ja gut! Ich hoffe Sie haben heute nichts vor, denn ich werde mich hier einnisten, und Sie werden mich behandeln, als wäre ich in einem beschissenen fünf Sterne Hotel, klar?“
„Kein Problem, es ist mir ein Vergnügen.“
„Regel Nummer eins! Diese gute Laune-Stimmung, die wischen Sie sich direkt mal aus dem Gesicht. Da habe ich keinen Bock drauf! Ich fühle mich scheiße, und da will ich niemanden um mich herum haben, der hier den Li-La-Laune-Bären macht, klar.“
„OK.“
„Gut. Heute machen Sie einfach, was ich will. Heute geht es nicht um Sie, heute geht es nur um mich. Verstanden? Das magische Wort für Sie ist heute: Dienen. Sie dienen mir. Sie sind meine Dienerin. Das müssten Sie doch gut finden, oder nicht?“
Ich musste gestehen, ich hatte noch nicht daran gedacht. Ich hatte unsere Liaison bisher mehr in einem romantisch-erotischen Kontext gesehen. Das Wort Dienen war mir dabei explizit bisher nicht in den Sinn gekommen. Zumindest nicht in einem solch mondänen, profanen Sinn. Aber sie hatte natürlich recht, es gehörte dazu, auch wenn ich heute keinen sexuellen Zückerchen zu erwarten hatte. Ich war überrascht, dass dieses Wort mich so unerwartet traf, wo es doch den Kern dessen traf, um das es hier ging.
Abhängigkeit und Unterwerfung.
„Ich denke, ich kann mich damit arrangieren.“
„Regel Nummer Zwei. Heute gibt es keine Klugscheißer-Wörter hier. Sie arrangieren sich hier nicht, Sie machen, was ich will und finden das geil, klar?“
„Verzeihung. Natürlich.“
„Schon besser. So, jetzt will ich zuerst ein Frühstück mit einem Kakao. Haben Sie frische Brötchen da?“
„Nein, tut mir leid.“
„Dann werden Sie die wohl holen müssen.“
„Das mache ich gerne.“
„Sie lernen schnell.“
„Wie soll das Frühstück aussehen? Außer Kakao und Brötchen?“
„Ich würde sagen, mein Magen könnte was vertragen. Spiegeleier. Wurst. Käse.“
„Das ist kein Problem.“
„Aber zuerst brauche ich ein paar Kopfschmerztabletten. Paracetamol.“
„Tun’s auch Aspirin?“
„Nee, mein Magen verträgt die nicht, heute schon mal gar nicht. Besorgen Sie mir Paracetamol.“
„Heute ist Sonntag.“
„Es gibt doch einen Apothekennotdienst. Finden Sie’s raus.“
„Sehr wohl.“
„Und beeilen Sie sich!“
Ich machte meinen Rechner an, recherchierte den nächsten Notdienst und machte mich auf den Weg.
Als ich die Tür hinter mir zuzog dachte ich kurz daran, dass Liz nun allein in meiner Wohnung war und mein Arbeitszimmer offen stand, aber ich schob den Gedanken beiseite.
Die Brötchen waren schnell besorgt, die Apotheke war ein paar Straßen entfernt, auch die Tabletten hatte ich bald. An einer Tankstelle besorgte ich den Kakao, packte auch noch eine Flasche Orangensaft ein und bemerkte einen Strauß abgepackter Tulpen. Ich fand den Gedanken an Blumen nett, aber Tulpen passten einfach nicht. Also machte ich noch einen schnellen Umweg über den Friedhof, nachdem ich eine Eingebung bekommen hatte, und fand recht schnell eine rote Rose, die zu welken begann und deren Farbe sich in dieses bläuliche Dunkelrot verwandelt hatte, das an getrocknetes Blut erinnerte. Es war nur so eine Idee. Ich hoffte, dass sie es verstünde, dass ich damit ihre morbide Ader träfe und sie sich verstanden fühlte. Ich fand, es war immer ein schönes Gefühl, wenn man einen Menschen traf, der versuchte, sich in den anderen hinein zu versetzen. Vielleicht würde sie das ja ähnlich sehen.
Ich hatte andere Pläne für den Tag gehabt, nun hatte sie diese einfach so geändert. Aber ich verbuchte es unter dem selbstlosen Dienst an einer hilfsbedürftigen Person. Hätte meine Nachbarin mich um diesen Dienst gebeten, ich hätte ihn ebenso ausgeführt. Darin war nichts Besonderes.
Nur im Hinterkopf schwang vielleicht ein wenig die Hoffnung, dass Liz einen braven Gehorsam später vielleicht honorieren und als Zeichen meiner Devotion quittieren könnte. Aber diesen Gedanken mochte ich nicht, denn er zeugte von Egoismen, und darum ging es nicht. es ging um ein Mädchen, dem es schlecht ging und das Hilfe brauchte.
So redete ich es mir ein, auch wenn ein Kater keine lebensbedrohliche Krankheit darstellte und sie weniger meiner Hilfe bedurfte, als vielmehr verhätschelt werden wollte. Ich war nicht ihre Krankenschwester, sondern das Zimmermädchen in einem Wellness-Hotel.
Als ich zurück kam, saß Liz immer noch in mein Sofa gefläzt, hatte die Chucks auf meinem Wohnzimmertisch und starrte an die Decke.
Ich ging in die Küche, bereitete das Frühstück zu, dachte einen kurzen Augenblick daran, mir auch ein paar Eier in die Pfanne zu hauen, weil die drei Eier, die ich Liz gebraten hatte, so lecker aussahen, aber ich ließ es. Es sollte so sein, wie Liz es gesagt hatte.
Es sollte nur um sie gehen.
Ich richtete das Frühstück auf einem Tablett an und brachte es ihr, wie man einem Liebhaber nach einer gemeinsamen Nacht das Frühstück ans Bett bringt. Nur dass sie nicht meine Liebhaberin war und dass wir nicht die Nacht zusammen verbracht hatten.
Liz verschlang das Frühstück mit weniger Liebe, als ich gebraucht hatte, es anzurichten.
Sie schlang ohne ein Wort, und ich stand neben ihr, wie eine Dienerin und betrachtete sie stumm.
Als sie fertig war und die Serviette auf den leeren Teller warf, nahm sie kurz die kleine Vase mit der einzelnen verwelkten Rose in die Hand, drehte sie und stellte sie wortlos wieder zurück.
Ich konnte die Geste nicht richtig deuten, aber ich nahm es als Zeichen der Zustimmung.
„War in Ordnung. Sie können abräumen!“
Ich nickte, nahm das Tablett und brachte es in die Küche und kehrte zurück ins Wohnzimmer.
„So, jetzt will ich eine Runde pennen!“
„Wenn du willst, kannst du mein Bett benutzen.“
„Mann, Sie lassen aber auch kein Gelegenheit aus, was? Meine Güte, mir ist nicht nach Schweinkram!“
„Nein, so meinte ich das nicht. Aber das ist bequem.“
„Ich weiß schon, wie Sie das meinten.“
Dieser schneidig sarkastische Tonfall wieder. Ich war ein wenig gekränkt, dass sie mir solcherlei unterstellte in dieser Situation, aber sie war eben auf Krawall gebürstet und wollte mich wohl missverstehen.
„Ich nehme die Couch. Ich bin nicht die Prinzessin auf der Erbse. Das wird schon gehen. Machen Sie nur die Gardinen zu und bringen Sie mir eine Decke und ein Kissen.“
„Kein Problem.“
Ich verdunkelte den Raum und besorgte Verlangtes. Als ich wieder ins Wohnzimmer kam, hatte Sie schon die Beine auf die Couch gelegt.
Ich bin zwar nicht gerade ein Sauberkeitsfanatiker, aber auf meine Couch war ich ein wenig stolz. Nicht nur, dass sie teuer gewesen war, sie war auch schwer zu finden gewesen. Liz’ Schuhe darauf stachen mir ein wenig ins Auge, aber konnte ich sie darauf ansprechen?
In diesem Fall siegte die Couch über meine devote Ader. Ich wies sie höflich und vorsichtig darauf hin:
„Äh, die Schuhe? Die Couch war nicht ganz billig.“
Sie sah mich eine lange Sekunde stumm an, wieder konnte ich nicht deuten, was sie dachte.
Aber dann seufzte sie und drehte mir ihre Füße zu. Als ich nicht sofort schaltete, wackelte sie ein wenig mit den Beinen und fügte hinzu:
„Was ist jetzt, na machen Sie schon!“
Ich war ein wenig perplex. Sie wollte, dass ich ihr die Schuhe auszog? Nun kam sie mir schon ein wenig wie ein verwöhnter Balg vor, aber natürlich war sie nur konsequent in ihrer Handlung.
Ich trat neben sie, beugte den Rücken und griff einen Schnürsenkel. Dann schaute ich ihr ins Gesicht, um mich zu vergewissern, dass ich das Richtige tat. In dem Moment schoss mir etwas durch den Kopf. Meine Haltung war falsch. Zwar gebückt, schaute ich trotzdem auf sie hinunter. Das war nicht richtig. Schnell, wie jemand, der sich an eine missachtete Regel erinnert und ihr hastig nachkommt, um nicht aufzufallen, kniete ich mich vor das Sofa. Ich nahm ihren linken Fuß in meine Hände und schaute sie noch einmal an. Beiläufig, wie ich hoffte, um mich zu vergewissern, dass ich nichts falsch machte.
Aber als ich sie aus der neuen Perspektive sah, wie sie nunmehr über mir auf dem Sofa thronte, da verstand ich plötzlich.
Ich verstand das Wort Dienen.
Es war mein Platz, vor ihr zu knien und ihre Wünsche zu erfüllen. Es hatte etwas mit Respekt zu tun und Hierarchie. Es ging darum, dass ich ihre Gunst gewann, dass ich ihr dankte für die Ehre, die sie mir gewährte. Bei ihr sein zu dürfen. Ich bedankte mich für die Mühen, die sie mit mir hatte, für die Ungeduld und Enttäuschungen, die ich ihr bereitete, weil ich nicht sofort verstand oder nicht immer tat, was sie verlangte. Es war Dank an sie, und es war nicht nur gerechtfertigt, es war das einzig Richtige, und es lag in meiner Natur.
Ich wollte es.
Es war keine ungeliebte Pflicht, die man erfüllen musste, um ein Ziel zu erreichen, es war das Ziel selbst.
Liz zu dienen.
Es war, was ich wollte.
Dienen.
Ich umfasste den Schuh, öffnete die Senkel, weitete die Schnürung, dass ich den linken Schuh einfach von ihrem Fuß ziehen konnte, dann zog ich ihn von ihrem Fuß.
Ich sah sie an, aber ihr Blick verriet nicht, ob sie meine Haltung erkannt hatte.
Ich beugte mich zu ihrem rechten Fuß und wiederholte das Prozedere, nun aber, wie ich glaubte mit einer noch aufmerksameren Haltung. Ich wollte Liz zeigen, dass ich ihr mit Hingabe zur Verfügung stand und ihre Wünsche erfüllte.
Deshalb öffnete ich nicht nur ihre Schnürsenkel einfach, ich zog sie langsam und fast zärtlich auf. Nicht anzüglich wie in einem Striptease, sondern sorgfältig. Es war schwer zu beschreiben und ist sicherlich schwer nachzuvollziehen. Wie legt man eine besondere Bedeutung in das Öffnen von Schnürsenkeln? Ich wusste es auch nicht. Ich wusste nur, dass ich wollte, dass Liz mich verstand. Als ich ihren Knöchel hob, tat ich das behutsam, als wäre er etwas Kostbares.
Er war etwas Kostbares.
Ihr Knöchel, die Situation, unsere Beziehung. Alles war kostbar irgendwie.
Als ich ihr auch den zweiten Schuh ausgezogen hatte, da war ich enttäuscht, dass der Moment schon vorbei sein sollte. Ich wollte länger dort Knien vor meiner Gebieterin.
Ich hatte neue Begrifflichkeiten für sie erschlossen. Für uns.
Also nahm ich erneut ihren linken Fuß in die Hand und rollte ihr langsam den Strumpf vom Knöchel. Er war ein wenig feucht an den Sohlen, und ich roch den sauren Geruch ihres Schweißes.
Aber das war nicht entscheidend.
Ich schälte langsam die bleiche Haut hervor, die so schön in aristokratischer Noblesse schimmerte.
Wusste Liz, wie schön ihre Füße waren? Wohlgeformt, weich. Ich musste an Renaissance-Gemälde denken von bleichen Schönheiten, die auf Ottomanen ruhten und ebenso makellos geformte Füße hatten.
Ein wenig bemäkelte ich, dass ein so wunderbares Mädchen sich in diesen abgerissenen und verwaschenen Klamotten versteckte, aber es lag nicht an mir, das zu beurteilen.
Ich streichelte über den Spann, sah sie an, und mittlerweile hatte sie mitbekommen, dass etwas anders war.
„Sie machen das ganz gut.“
„Danke.“
„Machen Sie ruhig weiter.“
Ich rollte auch den zweiten Strumpf herunter, noch langsamer und noch gewissenhafter und war wieder enttäuscht, als die Arbeit verrichtet war.
Spontan hauchte ich noch einen Kuss auf ihren großen Zeh und richtete mich auf.
„Sie sind schon wieder spitz, ich merk das schon! Stehen Sie etwa auf Füße? So eine kleine Fußfetischistin? Wollen Sie an meinen Zehen lutschen? Soll ich auf Ihnen rumtrampeln? Macht Sie das an?“
Ich senkte den Blick und schüttelte den Kopf.
Sie hatte nicht verstanden, worum es mir ging. Ich hatte mit Füßen nichts zu schaffen. In dem Kuss war kein Fetisch, nicht mal mehr ein Schleier von Erotik. Es war mir um etwas anderes gegangen, und sie hatte es nicht verstanden. Oder ich war nicht eindeutig genug gewesen in meiner Haltung. Oder sie war einfach nur immer noch in dieser desolaten Stimmung und war darauf aus, mich zu verletzen.
Aber sie schien zu merken, dass ihre letzte Bemerkung mich ein wenig gekränkt hatte, denn sie sagte:
„Ich will jetzt eine Runde schlafen.“
Die Decke, die neben mir lag, war schnell entfaltet. Ich legte sie ihr über die Füße und zog sie dann ganz langsam hoch. Über die schlanken Beine, die in der engen schwarzen Jeans steckten, über die Wölbung ihrer Hüften und das Tal ihrer Taille, ihre Brust bis an den Hals. Es war eine langsame Bewegung, und ich war sorgsam bedacht, die Linie ihres Körpers entlang zu laufen, ohne diesen aber zu berühren.
Liz ließ mich meine Aufgabe schweigend vollziehen.
Nach einer kleinen Pause fügte sie hinzu:
„Und wenn ich aufwache, dann will ich Sie hier auf dem Boden finden wie jetzt.“
Dann drehte sie sich um, bettete sich auf das Kissen und sagte kein Wort mehr.
Und ich saß dort zu ihren Füßen und wartete, dass sie wieder aufwachte.
Zwei Stunden vergingen ungefähr, bis sie sich rührte. Ich hatte es mir auf dem Boden so bequem gemacht, wie es nur gerade ging. Da ich nichts zu lesen in Griffweite liegen hatte und auch nicht wagte, aufzustehen, kauerte ich die ganze Zeit auf dem Boden und wartete auf ihr Erwachen.
Wenn die Decke verrutschte, rückte ich sie wieder zurecht, dass ihre Füße nicht kalt wurden.
Ich betrachtete sie eine Weile, wie sie schlief, wie ihr Brustkorb sich regelmäßig hob und senkte.
Vielleicht träumte sie von mir. Ich malte mir aus, wie sie mich in diesem Traum behandelte. Wie sie mich herumkommandierte und klein machte, wie sie über mich spottete und mich erniedrigte, aber auch, wie sie sich von mir dann verwöhnen ließ. Sexuell. Und ich stellte mir vor, wie sich das anfühlen mochte. Dieser Gedanke von Macht über einen anderen Menschen.
Aber meine Phantasie gelangte hier an ihre Grenzen. Ich konnte mir nicht wirklich vorstellen, wie es sich anfühlen mochte und welche Motivation man haben könnte, diese Macht auszuspielen, wenn es doch so schön sein konnte, zu gehorchen und duldend zu empfangen.
Schließlich erwachte sie.
Liz regte, räkelte und richtete sich auf.
„Puh, das war gut, das habe ich gebraucht. Es geht doch nichts über ein kleines Nickerchen.“
Ich nickte.
„Und Sie haben die ganze Zeit hier gesessen?“
„Ja.“
„Hätte ich nicht gedacht. Naja, war ja so was wie ein Befehl. Also kann ich das wohl erwarten.“
Sie seufzte.
„Ich habe gefrühstückt und ein bisschen gepennt, jetzt brauche ich nur noch eins!“
Sie packte mit spitzen Fingern ihr T-Shirt und roch daran.
Dabei gab sie für einen winzigen Augenblick den Blick frei auf ihren flachen, bleichen Bauch, wohlgeformt und wie geschaffen für meine Küsse, so schoss es mir durch den Kopf.
Wie all meine Gedanken plötzlich sexuell aufgeladen waren!
„Puh ich miefe ziemlich.“
Dann hob sie den rechten Arm und roch wenig ladylike an ihrer Achsel.
„Meine Fresse! Kein Zweifel, was ich brauche!“
Sie sah mich an, als erwarte sie von mir etwas.
„Du kannst gerne bei mir duschen.“
„Das ist mir schon klar. Aber ich will, dass Sie mich waschen! Sie haben sich bisher tadellos um mich gekümmert, ich kann mich nicht beschweren, warum nicht mehr davon? Waschen Sie mich. Wie Cleopatra in den Filmen von ihren Dienerinnen gewaschen wird. So mit Einseifen und Rücken waschen und was weiß ich.“
„Und Stutenmilch.“
„Meinetwegen auch das. Würde Ihnen das Spaß machen?“
Welch eine Frage!
Ich sah uns schon zusammen in der Dusche. Unser beider Körper nass und weich in diesem engen Raum der Kabine, uns gegenseitig streichelnd. Wasser über unseren Körpern, unsere Haare in Strähnen an unserer Haut klebend. Sie würde mich an die kalten Kacheln drücken, mich küssen, unsere Zungen ineinander verschlungen. Unser Speichel würde sich mit dem Wasser mischen. Unsere Körper sich aneinander schmiegen, ineinander verschlingen, untrennbar und für einen Beobachter nicht anders auseinander zu halten als an der Tönung unserer Haut. Und wir würden alles um uns herum vergessen.
Es war nur ein Sekundenbruchteil, in dem dieses Bild über mich hereinbrach. Aber bevor ich geantwortet hatte, modifizierte sie schon ihr Angebot und nahm ihm den offensichtlichen Reiz zugunsten einer anderen Phantasie, deren Verlauf nicht vorherzusehen war.
„Ich sehe es in Ihren Augen schon wieder blitzen. Sie sind schon wieder rattig. Da müssen wir Ihre Libido doch ein wenig bremsen. Haben Sie eine Augenbinde? Irgendwas, sonst nehme ich auch einen Schal oder ein Tuch oder was auch immer.“
„Ich hätte so eine Schlafmaske, die man im Flieger bei Langstreckenflügen bekommt.“
„Na dann holen Sie die mal, hop hop!“
Ich musste ein wenig kramen, fand sie aber und brachte sie ihr.
Was immer passieren sollte, ich war mir sicher, dass es nicht so geradlinig und simpel wäre wie meine Phantasie in der Dusche.
„Dann ziehen Sie das Ding mal über. Ich finde, Sie müssen mich ja nicht unbedingt begaffen. Wir kennen uns gerade erst, und das Privileg sollten Sie sich erst irgendwie verdienen. Meinen Sie nicht?“
Ich sagte nichts, blickte nur stumm zu Boden. Wieder hatte sie die Hierarchie hergestellt. Das würde kein gemeinsames Bad, keine simple erotische Vorstellung, sondern ein Machtspiel.
Ich zog die Schlafmaske über den Kopf. Ich hatte sie auf einer Reise nach New York bekommen vor drei Jahren. Ich war mit Hans da gewesen. Es erschien mir nun wahnsinnig lange her und seltsam fremd. Sowohl die Reise als auch Hans. Damals hatte ich mir auch nicht träumen lassen, dass dieses billige Teil, das sich normalerweise nach dem ersten Tragen schon in seine Bestandteile auflöst, einmal so missbraucht würde. Damals hätte ich mir aber auch nicht vorstellen können, dass Hans mich einmal abservieren würde und ich in dieser Situation landen würde.
Ich begab mich in die Dunkelheit und in Liz’ Hände.
„So, dann gehen Sie mal ins Bad. Sie sollten den Weg ja wohl auch blind finden können.“
Ich stolperte mit ausgebreiteten Armen durch meine Wohnung. Es war schwieriger, als ich erwartet hätte. Einmal rempelte ich einen Blumentopf an, einmal stieß ich mir den Fuß schmerzhaft an einem Bein des Esszimmertischs.
„Oh, das muss aber weh getan haben!“, wurde mein Missgeschick sofort hämisch kommentiert. „Sie müssen besser aufpassen!“
Ein wenig Wut überkam mich, denn in der Tat hatte ich mir den kleinen Zeh richtig fies gestoßen, und wenn ich auf etwas verzichten konnte, dann auf blöde Kommentare. So stolperte ich blind durch meine Wohnung, begleitet von den unqualifizierten Kommentaren meiner Tormentorin.
Als ich dann schließlich im Badezimmer stand:
„Sie sind auch nicht der intelligenteste Mensch der Welt, oder?“
In der Schule hätte ich ihr für einen solchen Spruch den Kopf abgerissen. Hier sagte ich:
„Was habe ich falsch gemacht?“
„Nur, weil Sie nichts sehen, heißt das ja noch nicht, dass die ganze Welt blind geworden ist. In Ihrem Badezimmer ist es stockfinster!“
Also entschuldigte ich mich, drehte mich um, fand meinen Weg zurück an die Badezimmertür und legte den Schalter um. Trotz der Augenbinde konnte ich erahnen, dass das Licht nun leuchtete.
„So ich hoffe, Sie sind gleich nicht so unbeholfen, sonst endet das hier noch mit blauen Flecken für mich.“
Ich schwieg dazu.
„OK, jetzt kommt der Teil, der Ihnen den Sabber in den Mund zaubern wird. Sie dürfen mich duschen. Das volle Programm. Sie dürfen mich ausziehen, nein warten Sie. Sie dürfen mich entkleiden. Sie dürfen mich einseifen, Sie dürfen mir die Haare waschen, Sie dürfen mich nachher abtrocknen. Da müssen Sie doch feucht im Schritt werden, oder nicht?“
Ich schwieg auch dazu, aber Sie insistierte:
„Stimmt’s?“
Ich flüsterte ein demütiges „Ja“, aber sie ließ mich damit nicht davonkommen.
„Verdammt noch mal, antworten Sie doch in ganzen Sätzen! Ich will es aus Ihrem Mund hören!“
„Tut mir leid.“, sagte ich, musste Schlucken und fuhr fort: „Ja, es erregt mich, dass ich dich werde duschen dürfen.“
„Es erregt Sie!“, äffte sie meine Stimme nach.
„Jetzt mal nicht so hochgestochen. Sprechen Sie mal deutlich.“
Ich zögerte.
„Es macht mich an.“
„Das können Sie besser!“
„Es macht mich geil.“
„Noch mehr. Ich will es hören, so richtig dreckig. Lassen Sie es raus! Nicht immer so verklemmt! Letzte Chance. Wenn Sie die mit Ihrem Uni-Gelalle versauen, bin ich weg, und wir blasen das hier alles ab! Also reden Sie vernünftig!“
Ich atmete schwer ein und aus. Es war natürlich lächerlich, wie ich mich verhielt. Ich hatte die Worte, die sie hören wollte, in meinem Kopf, aber irgendwas hielt mich davon ab. Ich hatte mich von ihr schon an einen Baum binden lassen im Nirgendwo. Sie hatte mich schon anders gedemütigt, und ich bestand sonst auch nicht auf meinen Fremdwörtern und meiner Eloquenz. Aber ich glaube, meine schicken Wörter waren für mich eine Instanz des Verstandes, die das maskierten und kaschierten, was sich wirklich abspielte. Sie repräsentierten Zivilisation und Verstand. Werte, die ich bislang geschätzt hatte und an denen ich festhalten wollte, auch wenn ich mich in meinen Taten degradierte in dieser grotesken Situation, die Worte sollten den Anstand wahren. Aber meine schicken Worte waren Lügen. Sie beschrieben nicht, was ich begehrte. Es ging in Wahrheit um die Worte, die Liz hören wollte und die bereit lagen in einer dunklen Ecke, die ich nicht betreten wollte. Doch ihre Drohung war gewichtiger als meine Scham.
„Es macht mich so geil, dass meine kleine Muschi feucht wird.“
Es war ein Flüstern. So leise, dass ich nicht einmal sagen konnte, ob ich die Worte wirklich gesagt oder nur gedacht hatte. Aber Liz hatte sie verstanden.
„Na also, geht doch. Muschi ist schon mal ein Anfang, auch wenn es noch deutlicher geht. Arbeiten Sie mal am F-Wort. Aber ich bin schon froh, dass Sie mir nicht mit Ihrer Lustgrotte gekommen sind oder anderem Scheiß. Wir sind hier nicht bei Goethe. Lassen Sie die Klugscheißersprache!“
„Ich werde es versuchen.“
„Geht doch. So, Sie dürfen mich entkleiden. Aber ganz vorsichtig. Passen Sie auf, was Sie anfassen. Cleopatra hat sich auch nicht betatschen lassen von ihren Dienerinnen!“
Mein Herz schlug schneller.
Ich versuchte sie vorsichtig mit meiner Hand zu lokalisieren, ihre Stimme gab mir einen ungefähren Anhaltspunkt.
Als ich ihre Hüfte gefunden hatte, trat ich einen Schritt näher und griff ihr Shirt. Als ich ihre Haut berührte, zuckte ich ein wenig zusammen. Ich gehöre nicht zu den Menschen, die freigiebig sind, wenn es um Körperkontakt geht. Ich halte mich dabei zurück. Es ist mir unangenehm, fremde Menschen zu berühren. Ich mag diese Bussi-Mentalität nicht, die sich ausgebreitet hat. Ich gebe Menschen die Hand, ich muss sie nicht umarmen. Es ist nicht so, dass ich verklemmt oder irgendwie gestört bin. Ich bin nur beim Körperkontakt zurückhaltend.
Umso mehr wurde mir dieser Kontakt bewusst. Wir hatten uns schon geküsst, sie hatte mich bereits berührt, ich hatte ihre Füße in der Hand gehabt. Aber für mich war ihre Hüfte etwas anderes. Ein intimerer Ort und in dieser Situation fast schon etwas Heiliges. War nicht Cleopatra als Pharaonin auch eine Göttin gewesen in der ägyptischen Mythologie? Hatten ihre Sklavinnen das gleiche empfunden wie ich? Ein seltsamer Gedanke. Ich dachte zum ersten Mal in die Richtung des Begriffes von Göttin und Sklavin. Wörter, die Liz noch als prätentiös von sich gewiesen hatte. Sie hatte recht gehabt. Es waren unpassende Begriffe.
Ich zog langsam ihr Shirt hoch und war ihrer Warnung gewahr, dass ich vorsichtig vorgehen sollte und vermied ihre Brüste zu berühren. Aber ich spürte deren Wölbung, als ich den Stoff anhob. Wieder musste ich an ihren Bauch denken, an ihren weißen, weichen Bauch, den ich nicht sehen konnte, der sich mir aber eingeprägt hatte.
Für einen Moment sperrte Liz sich, dann hob sie die Arme über den Kopf und ich konnte ihr das Shirt über den Kopf ziehen. Es war eine ungewohnte Aufgabe. Nie hatte ich jemandem ein Shirt ausgezogen. Ihre langen Haare streichelten elektrisierend meine Arme. Und ich roch den getrockneten Schweiß unter ihren Achseln für einen Moment. Es war mir nicht unangenehm. Konnte solch ein junger, makelloser Körper etwas Unangenehmes an sich haben? Sie war die Personifikation der Schönheit in meinen Augen. Sie war meine Muse. Ich konnte mir nun vorstellen, wie sich Künstler durch die Schönheit von Frauen inspirieren ließen. Ich wünschte, ich könnte malen oder wäre eine Musikerin, die diesen Augenblick in ein Stück Musik fassen könnte. Arbeiteten Komponisten so? Dachten sie an die makellose Haut ihrer Musen und suchten so die Töne, die Akkorde? Machten sie sich einen Spaß daraus, das fertige Stück den dem Frühling zu widmen oder einem Sommergewitter, obwohl es ganz klar das Stück war, dass einer sexuellen Phantasie entsprungen war?
Einen Bruchteil einer Sekunde nur beschäftigte mich dieser Gedanke. Dann ertappte ich mich dabei, wie ich mir ihre Brüste vorstellte, wie sie fest und wohlgeformt vor mir waren, wenige Zentimeter entfernt und doch für meine Augen unerreichbar.
Schließlich hielt ich ihr Shirt in der Hand wie eine Trophäe. Ohne zu überlegen, ob ich meine Kompetenzen überschritt, drückte ich das Kleidungsstück an meine Nase und saugte den warmen Geruch ein.
Ich tastete mich am Waschbecken entlang um sie herum. Wieder ein zaghafter Griff an ihren Rücken. Ich traf die kleine Wölbung an ihrer Wirbelsäule, fuhr langsam hoch, bis ich den Verschluss ihres BHs fand.
Ich glaubte, es war das erste Mal, dass ich den BJ einer anderen Frau öffnete.
Als der Verschluss sich öffnete, spürte ich, wie ihre Brüste sich aus der Beengung der Körbchen befreiten. Ich strich über ihre Schulterblätter die Träger herab und fing den BH auf, als er sich von ihrem Körper löste.
Nun stand sie dort mit nacktem Oberkörper, und ich konnte nichts davon sehen. Ich war dieser Schönheit gegenüber blind, aber ich stellte es mir vor, und vor meiner geistigen Leinwand war es das romantischste Bild der Gemälde der Welt.
Als Nächstes die Jeans. Ich dirigierte mich wieder mit der Hilfe des Waschbeckens vor sie, fasste den Bund ihrer Jeans, fand den Knopf, öffnete ihn und zog langsam den Reißverschluss hinunter. Auch dies war ein Handgriff, den ich noch nie an einer anderen Frau vollzogen hatte. Meine Finger zitterten ein wenig bei dem Gedanken, wo sie sich befanden, wie nah ich an dem war, das Liz spöttisch als Lustgrotte bezeichnet hatte.
Langsam zog ich an der Jeans, was nicht einfach war, denn sie saß eng, und Liz tat zunächst nichts, um mir die Arbeit einfacher zu machen, und so musste ich schon ein wenig zerren und befürchtete bereits, dass sie sich beschweren und mich zurecht weisen würde.
Aber ich erhielt von ihr keine Reaktion. Ich fragte mich, wie erotisch diese Szene auf sie wirken mochte. In Filmen geschah das leichtfüßiger und geschmeidiger, hatte mehr Gefühl, dort fiel ein hauchdünner glänzender Stoff langsam zu Boden und streichelte dabei die Rundungen der Frau. Hier war es realistischer.
Ich ging in die Knie, um einen besseren Griff zu bekommen, und kaum war ich in dieser Position, lag Liz’ Hand auf meinem Kopf und verwehte meine Gedanken. Und dann sprach sie und zog mich aus meinem Autismus.
„Oh Mann, wenn Sie das sehen könnten! Sie knien hier vor mir, ziehen mir meine Jeans aus, und machen, was ich Ihnen befehle. Das ist schon verdammt geil! Meine Fresse! Ihr Kopf ist genau auf der Höhe meiner Muschi! Vielleicht 20 Zentimeter entfernt. Wie gerne würden Sie jetzt Ihren Kopf darin versenken? Und wie gerne würde ich Ihren Kopf da zwischen meinen Schenkeln spüren! Mit Ihren langen blonden Haaren, die über meine Oberschenkel streicheln! Aber wissen Sie was? Nichts davon wird passieren. Denn dass Sie da vor mir knien und machen, was ich will und hoffen, dass ich Ihnen die Erlaubnis gebe, und ich es einfach sein lassen kann, macht mich noch viel geiler. Sie wollen, und ich kann es Ihnen verweigern, und Ihnen bleibt nichts, als so richtig folgsam zu sein, wie so ein kleines Hündchen, damit ich Ihnen vielleicht einen abgenagten Knochen hinwerfe. Machen Sie Ihren Job gut, und vielleicht schenke ich Ihnen dann eine Belohnung. Also, strengen Sie sich an!“
Genau das wollte ich. Ich wollte ihr gefallen. Ich wollte ihr gehorchen und sie glücklich machen. Und dann konnte sie mir irgendeinen Brotkrumen hinwerfen. Sie hatte die Situation erfasst.
Ich hob meinen blinden Kopf. Hätte ich keine Augenbinde auf, ich könnte jetzt ihren Slip sehen. Sie hatte recht, ich war genau auf der Höhe zwischen ihren Beinen, aber an diese Art der Belohnung hatte ich noch nicht gedacht.
Ich setzte meine Arbeit fort, zog ihr die Jeans langsam herunter, und berührte dabei auch ihre Knie und ihre Unterschenkel. Sie hatte mich gewarnt, ich war zu dem Ergebnis gekommen, dass die Oberschenkel einer der Orte waren, die mir zu berühren nicht zustanden. Aber gegen ein paar harmlose und mehr oder weniger zufällige Berührungen ihrer Unterschenkel konnte sie schwerlich etwas haben. Schließlich stieg sie aus der am Boden liegenden Hose.
Als ich mich wieder aufrichten wollte, um mich nun ihrem Slip zu widmen, dem letzten verbliebenen Kleidungsstück, meldete Liz sich wieder zu Wort.
„Wissen Sie, das ist irgendwie nicht richtig. Ich bin hier fast nackt, und Sie laufen immer noch in voller Montur rum. Ich will, dass Sie sich auch ausziehen!“
Mein Puls beschleunigte sich von einer auf die andere Sekunde.
Ihr Einwand war natürlich vollkommen gerechtfertigt, ihre Forderung machte absolut Sinn. Aber was sie da von mir leichtfertig verlangte, lag schwer auf mir und schien riesige Konsequenzen in sich zu bergen. Wieder verlangte sie ein Stück mehr meiner Selbstachtung. Wieder degradierte sie mich ein Stückchen mehr. War ihr bewusst, was sie da mit mir anstellte, wie sie mich immer weiter auf diesen dunklen Pfad zerrte? Immer einen kleinen Schritt mehr?
Hatte sie sich das auch alles im Internet angelesen?
Die wenigen Seiten, die ich gefunden hatte, waren ziemlich eindeutig und ziemlich gerade heraus. Da wurde nicht lange gefackelt, da wurden keine Grenzen ausgetastet und überschritten. Da ging es sofort ans Maximum. War das alles irgendeine dominante Intuition, die ganz natürlich in ihr schlummerte? Ein angeborener Sadismus?
Aber all die Fragen waren nicht entscheidend. Sie waren nicht der Grund für meinen Herzschlag.
Entscheidend war nicht die Angst, entscheidend waren nicht die Zweifel, meine Sorgen oder Befürchtungen. Entscheidend war ganz allein, dass ich es wollte.
Mein Herz schlug aus Erwartung, aus Vorfreude, aus Antizipation.
Ich wollte mich vor ihr entblößen. Ich wollte mich vor ihr in degradierenden Posen zeigen. Ich wollte vor Scham erröten. Ich wollte mit gebeugtem Kopf vor ihr stehen und ihren Triumph spüren. Ich wollte die schneidenden Bemerkungen hören. Ich wollte klein sein und vor ihr knien!
Sie sollte mich klein machen. Sie sollte mich zu einem Lustobjekt reduzieren. Zu einem Objekt ihres Sadismus.
Ein Teil in mir war erschrocken und beschämt, aber ein mächtigerer Teil vollkommen entfesselt.
Also stand ich mühsam auf, trat einen Schritt zurück, senkte den Kopf in Demut und Beschämung, obwohl ich ohnehin nichts sehen konnte. Wie eine Wölfin, die sich dem Rudelführer unterwirft, und öffnete mit spitzen Fingern den obersten Knopf meiner Bluse. Dann den nächsten. Ich tat es langsam. Nicht zu langsam. Nicht so langsam, wie in einem Striptease. Nicht aufreizend oder manieriert, sondern in gespielter Nüchternheit, als müsste ich mich zu jedem nächsten Schritt überwinden. Und trotzdem wollte ich es hinauszögern, wollte zeigen, dass dieser Akt mich Überwindung kostete, wollte meine Scham auskosten und vielleicht ein klein Wenig wollte ich sie anheizen und warten lassen, mich ihr für Augenblicke verwehren, wie sie mir Dinge verwehrte. Meine winzig kleine Rache in dem Schlachtfeld meiner Demütigung.
Ich wollte, dass sie mich sah. Ich stellte mir vor, wie ich Knopf um Knopf mein Dekolletee vor ihr entblößte und mehr und mehr Haut zeigte. Immer ein wenig mehr. Ein kleines Stückchen. Ich öffnete den Knopf unter dem BH und den nächsten und den letzten.
Wieder hielt ich inne. Einen Augenblick, als erwartete ich ihre Amnestie, als erwartete ich den Befehl, es sein zu lassen. Aber er kam nicht. Dann streifte ich die Bluse über meine Schultern und ließ sie von meinem Körper gleiten.
Ich spürte ihre Blicke auf meiner Haut.
Dann wieder eine Pause, und ich öffnete den Knopf meiner Jeans. Meine war weiter geschnitten, und sie glitt einfacher von meinen Schenkeln. Ich stieg heraus und stand vor ihr.
In nichts als Unterwäsche.
Eine erwachsene Frau vor einer Halbwüchsigen.
Und ich genoss es.
Ich genoss diesen Exhibitionismus, den ich zuvor nie bemerkt hatte. Was war ich nur geworden? Wer war ich bislang gewesen? Es schien wie eine Wiederauferstehung, wie die hässliche Raupe, die als majestätischer Schmetterling wiederkehrt.
Das Blut schoss durch meinen Körper, gemixt in einem Cocktail aus Endorphinen, Hormonen und Adrenalin. Konnten irgendwelche Drogen einen schöneren und schaurigeren Rausch hervorrufen? Ich konnte es mir nicht vorstellen.
Ich stand dort in Unterwäsche, unschlüssig und zögernd, aber eigentlich zögerte ich nicht. Eigentlich wartete ich nur auf das, was dann auch kam und brauchte ihre Aufforderung nicht:
„Nun kommen Sie schon! Sie setzen Spinnweben an!“
Ich öffnete den Verschluss des BHs hinter meinem Rücken und ließ ihn hinuntergleiten. So, dass meine Brüste lange, möglichst lange, wenn auch vielleicht nur für eine Sekunde länger bedeckt blieben.
Dann stand ich mit entblößten Brüsten da.
Vor ihr.
Wartete ich auf einen Kommentar? Vielleicht einen anerkennenden? Ich war eigentlich ganz zufrieden mit meinen Brüsten. Sie hatten eine schöne Größe und eine schöne Form, aber sie waren eben nicht von dieser nubilen Makellosigkeit ihres jungen Körpers.
Doch ich hätte auch eine abwertende Bemerkung akzeptiert. Ich hätte alles akzeptiert.
Aber es kam nichts, als ein Antreiben.
„Meine Güte! Zieren Sie sich doch nicht so!“
Also hakte ich die Daumen in meinen Slip, in einen einfachen, weißen. Ich hatte nicht so früh mit ihr gerechnet, sonst hätte ich delikatere Dessous getragen.
Und mit einem letzten Herzschlag entledigte ich mich auch meines letzten Fetzens Kleidung und Selbstachtung.
Und dann stand ich vor ihr, ohne sie zu sehen, nackt und schutzlos. Vor einem Teenager, dem ich mich ausgeliefert hatte.
Etwas spülte eine Schicht von mir, die wie eine Kruste auf mir gelegen hatte. Was war es? Zivilisation? Moral? Hemmungen? Was immer es war, es war nun weg und in all meiner Demut fühlte ich mich nun vollkommen befreit.
„Na also, geht doch!“
Kein Lob und keine Anerkennung für meinen Körper oder meinen Gehorsam. Nur Ungeduld.
„Ich kann wirklich alles von Ihnen verlangen!“
Sie lachte.
„Sie sind so ein Miststück! Meine Güte! Sie machen das wirklich alles. Wahnsinn!“
Liz hatte mich durchschaut. Wie eine Therapeutin oder eine Hellseherin, vor der man nichts verbergen konnte. Es war unheimlich.
„Na dann mal los! Schmeißen Sie die Dusche an!“
Ich tastete mich an ihr vorbei in Richtung der Dusche, stieg ein, öffnete den Hahn, stellte die Wärme ein. Es war eine vertraute Handlung in all dem Neuartigem und Aberwitzigen, in das ich mich begeben hatte.
„Und jetzt noch meinen Slip und dann waschen Sie mich. Aber Sie machen das so richtig respektvoll! Wenn Sie Ihre geilen Grabschfinger nicht bei sich halten können, dann ist der Teufel los. Und das ist keine leere Drohung. Sie werden das bereuen. Also machen Sie keinen Scheiß!“
Was in der Dusche passierte, war so aberwitzig, dass ich nun, da ich es in diesem Moment aufschreibe, Schwierigkeiten habe, Gedanken und Hände bei mir zu behalten.
Das warme Wasser lief über unsere Körper, die feuchte Hitze in der Dusche umschloss uns in ihre wärmende Decke.
Ich empfand Ehrfurcht, als ich meine Hände zum ersten Mal auf ihre Schulter legte, sie einseifte. Es war etwas Heiliges in dieser Geste. Ihre Haut fühlte sich weich an, so weich, dass ich fürchtete, meine rauen Hände würden Kratzer auf ihrer makellosen Haut hinterlassen. Aber durch das Wasser und die Seife waren meine Hände natürlich ebenso weich.
Ich spürte ihre Muskeln und musste unwillkürlich an die Amazone aus meinen Träumen denken. Meine Augen hatte ich geschlossen, als ich so ihren Rücken streichelte.
Es war überflüssig, trug ich doch diese elende Maske. Aber ich war auch froh, nichts sehen zu können. Meine Augen wären Verräter der Sinne, die mich ablenkten von dem, was meine Finger mir für Geschichten der Sinnlichkeiten erzählten. Ihr Körper war eine Landschaft. Meine neue Heimat. Ich wollte sie nicht sehen, ich wollte sie fühlen. Und ich prägte mir alles ein. Die Schulterblätter, die sich regten, wenn sie sich bewegte, diese kleine Bucht an ihrem Rückgrat, die ihren Rücken hinunter lief. Ich folgte ihr mit meinen Fingern. Ihre Beine, ihre Schenkel. Ich könnte stundenlang beschreiben, was ich erfühlte, als ich sie wusch, und Tausend Wörter kämen doch nicht nah an das, was ich fühlte.
Worte wurden nicht dessen gerecht, was ich empfand.
Liz warnte mich, dass ich nicht auf falsche Gedanken kommen sollte, sondern meine Pflicht erfüllen sollte. Es war lächerlich, so etwas zu fordern, und doch versuchte ich ihrem Wunsch gerecht zu werden und sie ohne jede Erotik zu waschen. Aber wie sollte das geschehen? Wie konnte man den Menschen, den man wie nichts auf der Welt begehrte routiniert und emotionslos unter einer heißen Dusche waschen? Es war die süßeste Qual der Welt, das Shampoo auf ihrem Körper zu verteilen.
Gerne hätte ich mich ihrem Po gewidmet, ihre beiden Pobacken liebkost, vielleicht gar geküsst. Aber das war nicht meine Aufgabe. Und so war ich mit der Frage konfrontiert, wie weit ich gehen konnte, wie nah ich an die Grenze treten durfte oder wo diese überhaupt war. Was galt noch als das routinierte Waschen einer ägyptischen Pharaonin und was war schon ein Akt der Impertinenz gegenüber meiner Gebieterin?
Meine Bewegungen waren allesamt gekennzeichnet von diesem Zwiespalt. Ich musste an ihre Drohung denken. Ich sollte keinen Scheiß machen. Aber was war denn Scheiß?
Durften meine Hände in den Spalt ihres Pos fahren? Schließlich war es meine Aufgabe, sie zu waschen, da gehörte diese Stelle doch dazu. Ich sollte gründlich sein, aber nicht grabschen.
Ich entschloss mich, einmal schnell hindurch zu fahren mit meiner Hand, aber diese Bewegung brannte später noch in mir. Hatte ich meine Kompetenzen überschritten?
Ich hoffte auf ein Signal von ihr, das mir zeigte, was ich durfte und was nicht, aber es kam nicht. So ließ ich mir Zeit mit ihrem Rücken, ihren Beinen, kauerte mich in die nasse Dusche und widmete mich ihren Füßen besonders. Nicht, weil ich hier einen besonderen Fetisch verspürte, sondern einfach nur als Zeichen meiner selbst gewählten Unterwerfung.
Mittlerweile hatte sie sich umgedreht, und ich kauerte vor ihren Füßen, ließ meine Finger zwischen ihre Zehen gleiten und arbeitete mich langsam hinauf zu ihren Knöcheln. Immer noch gebückt zu ihren Füßen.
Schließlich richtete ich mich auf, langsam, kam zu ihren Knien und darüber.
Wie weit würde ich gehen dürfen? Wie weit würde sie mich hinauf lassen? Ihre Oberschenkel hinauf? Ihre göttlichen Schenkel hinauf?
Sie ließ mich gewähren, als ich langsam, langsam, lautlos langsam höher glitt und höher.
Ihre Stimme kam unerwartet und ließ mich zusammenzucken.
„Wir wollen es mal nicht übertreiben!“
Ich hielt inne.
„Ich spüre an ihrer Berührung, wie vollkommen geil Sie sind. Ihre Hände zittern richtig! Nicht, dass Sie hier noch einen Herzinfarkt bekommen!“
Was ich tat, ich konnte ihr nicht gerecht werden. Ich konnte sie nicht zufrieden stellen. Ich konnte ihr kein Zeichen ihrer Zuneigung entlocken. Nichts, was ich tat oder sagte, war gut genug für sie.
Genau so wollte ich es.
„Richten Sie sich mal auf!“
Ich tat wie mir geheißen und streckte meinen Rücken und verharrte, spürte die schweren Tropfen der Dusche nun auf meinen Kopf prasseln.
„Sie sind so nah an meiner Muschi! Wenn Sie wüssten!“ Sie lachte.
„Das muss sie doch verrückt machen, so scharf wie Sie sind.“
Sie lachte wieder.
„Können Sie sie riechen?“
Ich versuchte es, ich versuchte es wirklich. Aber ich roch nur Wasser und die vermaledeite Seife. Ich roch nicht mehr. Nicht mehr. Oder war da etwas? War da was? Ahnte ich da etwas? War da etwas? Ein Molekül, das von ihr zu mir schwebte? In meine Nase? Ich konnte es nicht sagen. Ich bildete es mir vielleicht nur ein. Ich sog die Luft ein, filterte das hinaus, was ich nicht riechen wollte und versuchte das zu finden, das ich andeutete.
„Kommen Sie, versuchen Sie es! Versuchen Sie es doch! Ich habe die ganze Nacht durchgetanzt, ich habe geschwitzt und gepinkelt und alles. Vielleicht bin ich sogar ein bisschen geil. Riechen Sie das?“
Ja, nun war ich mir sicher. Es bestand kein Zweifel.
Ich spürte, wie sie sich bewegte. Die Duschwanne gab ein wenig nach, als sie einen kleinen Schritt auf mich zu machte.
Ich spürte ihre Nähe auch daran, dass nun kein Wasser mehr auf meinen Kopf prasselte. Wie nah mochte sie mir sein? Wie nah mochte mein Kopf ihrem Schoß sein? Fünfzehn, zehn Zentimeter?
„Sie sind meiner kleinen Muschi nun so nah! Sie müssen doch etwas riechen! Was sagen Sie?“
Ich war mir nun sicher, ja es bestand kein Zweifel. Jenseits des Wassers und der Seife und des kalkigen Geruchs der Dusche war diese olfaktorische Schwere. Sie hing in der Luft, drohend wie in der Akustik der Bass, den man nicht genau orten konnte, der aber alles erfüllte. So war es.
Ich roch es nun. Ganz deutlich. Es bestand kein Zweifel. Und wenn es doch nicht so war, wenn meine Nase sich das alles nur einbildete, dann war es auch vollkommen egal. Wenn es nur suggeriert war, wenn ich es mir nur einbildete, was machte das? Was machte das schon?
Aber es war eben nicht dies, woran ich dachte.
Es waren die fünfzehn oder zehn Zentimeter. Ich könnte mich leicht vorbeugen. Ganz leicht, und dann wäre ich an ihrem Schoß. Sollte ich es wagen? Sollte ich? Welche Strafe könnte sie mir auferlegen, die diese kleine Berührung nicht mehr als Wert wäre?
Sie wollte es doch auch. Hatte sie nicht auch gesagt, dass sie geil war? Sie würde es auch wollen. Sollte ich es wagen? Nur einen kleinen Kuss wollte ich ihr geben.
Doch als ich mich fast entschlossen hatte, verschwand die Gelegenheit, als sie sprach:
„So, genug jetzt. Den Rest mache ich allein. Sonst ticken Sie hier noch total aus. Raus aus der Dusche, husch, husch!“
Damit drehte sie sich um und ihre Hüfte stieß meinen Kopf grob zur Seite.
Der Moment war zerstoben, und ich verfluchte mich für meine mangelnde Entschlussfreude.
Mir blieb nichts anderes übrig, als ihrem Befehl zu gehorchen.
Ich stand nicht auf, ich kroch auf allen Vieren, enttäuscht und entmutigt hinaus.
Ich kauerte dort und wartete. Wie ich schon zuvor gewartet hatte.
Nackt, bis auf die alberne Schlafmaske auf meinem Badezimmerboden kauernd.
Ein einziges Mal berührte ich mein Geschlecht zwischen meinen Schenkeln. Es brannte vor Lust. Es brannte vor Verlangen. Ich musste mich zwingen, nicht an Ort und Stelle über mich selbst herzufallen, mit meinen Fingern meine Erregung zu traktieren. Ich musste mich zwingen.
Welche Hoffnungen ich gehabt hatte, was ich mir vielleicht erträumt hatte an diesem Tag. Es kam zu nichts.
Ich hockte dort und wartete, dass sie ihre Dusche vollendete. Als sie es getan hatte, trocknete sie sich ab und stieg in ihre Kleider. All das hörte ich. Während all der Zeit ignorierte sie mich. Ich hockte dort, und wartete auf weitere Befehle, die nicht kamen.
Hatte ich etwas falsch gemacht? Hatte ich sie enttäuscht? Hatte ich ihr nicht gehorcht?
Als sie fertig war, zuckte ich zusammen, als sie ihr Handtuch auf mich warf. Es blieb auf meinem Kopf liegen und auf meinen Schultern.
Zu mehr war ich nicht zu gebrauchen als zu einem Handtuchhalter.
Ich wagte nicht, es wegzunehmen. Und so kniete ich weiter dort, von ihr ignoriert, mit diesem Handtuch halb auf meinem Körper und harrte.
Doch nichts kam, keine Order, keine Ansprache.
Ich hörte sie in meinem Kosmetikschränkchen kramen, Sachen ausprobieren und roch schließlich das teure Parfum, das sie sich aufsprühte.
Ich hatte sie nicht eingeschätzt als jemanden, der solch ein Parfum benutzte.
Schließlich trat sie an mir vorbei, öffnete die Badezimmertür. Ein kalter Luftzug strömte herein und verursachte mir eine Gänsehaut. Dann ihre sich entfernenden Schritte und das Knallen der Haustür. Sie war verschwunden.
Ohne ein Wort.
Was hatte ich getan? Was hatte ich gesagt? Was hatte ich nicht getan? Was nicht gesagt? Was hatte ich falsch gemacht?
Warum ließ sie mich so einfach zurück? Warum?
Die Kälte, die in das Badezimmer strömte, griff nach mir.
Ich drehte mich um, immer noch auf allen Vieren, schloss die Tür, zog das Handtuch von meinem Kopf und presste mein Gesicht hinein.
Ihr Handtuch war das letzte, das sie mir gelassen hatte. Es hatte ihren Körper berührt. Ihren ganzen Körper. Es war wie eine Reliquie. Ich roch daran, schnüffelte, versuchte den Geruch wieder zu finden, den ich glaubte, zuvor errochen zu haben. Ich fand ihn nicht.
Wieder wurde ich der Kälte gewahr, die immer tiefer eindrang, trotz der geschlossenen Tür. Ich wollte sie nicht. Ich wollte nicht, dass die Zeit sich weiterdrehte. Ich wollte stehenbleiben, wo sie angehalten gehört hätte.
So kroch ich zurück in die Dusche, mit dem Handtuch in der Hand, tastete nach den Armaturen, stellte die Dusche wieder an und spürte wieder das vertraut heiße Wasser auf meiner Haut.
Ich beließ die triefende Augenmaske auf meinem Kopf. Nichts sollte sich ändern, alles sollte so bleiben, wie es zuvor gewesen war.
So kauerte ich in der Dusche. Das heiße Wasser lief über meinen Körper, und ich streichelte mich. Streichelte mich, wie ich es mir gewünscht hatte, von ihr gestreichelt zu werden. Mal sanft und zart, dann wieder hart und grob. Fast gewaltsam drangen meine Finger in mich ein, verrenkten sich dabei, forderten, traktierten mein rohes Fleisch zu einem traurigen Orgasmus, der nach unerwiderter Liebe, nach Verlassensein, nach Enttäuschung schrie.
Als ich mich wieder beruhigt hatte, immer noch im Schwall des heißen Wassers an die harten, blanken Fliesen gelehnt, mischten sich meine Tränen mit dem Wasser und ich rollte mich zusammen wie ein Fötus, weinte, rieb dabei weiter zwischen meinen Schenkeln, bis ich leise schluchzend entschlief im monotonen Prasseln des Wassers.
Der raue Stoff scheuerte über mein Gesicht. Ich hatte einen Jute-Sack über den Kopf gezogen, der Stoff war so grob, dass ich hindurchschauen konnte, aber mein Gesicht blieb darunter verborgen. Die Kette, die um meinen Hals gebunden war, klirrte schwer und unheilsschwanger. Die Amazone führte mich durch die kahle Wüste. Obwohl ich müde und erschöpft war, versuchte ich nicht hinterher zu fallen, denn die Glieder der rostigen Kette schnitten schmerzhaft in die zarte Haut meines Halses, wenn die Kette gestrafft wurde.
Liz beachtete mich nicht. Ihre schweren Schritte stapften stoisch und monoton über den ebenen und brüchigen Boden, während ich hinterher hastete.
Ich weiß nicht, wie lange, das so ging, die Orientierung hatte ich längst verloren, ich hatte mich in eine Trance geflüchtet, die mich vor der grausamen Realität schützte.
Doch schließlich hielt Liz an. Ich war erleichtert und versuchte auf zitternden Beinen die Balance zu halten.
Wir standen vor dem schwarzen Gerippe eines Baumes. Verkrüppelt und in seltsamen Biegungen und Wendungen erstarrt standen kahl und deformiert einige Äste in die Luft. Weit und breit war dieses Skelett das einzige Objekt in der Wüste.
Liz packte mich routiniert und stellte mich mit dem Rücken an diesen Baum. Dann hob sie meine Arme und schloss einen schweren metallenen Armring um meine Gelenke. Danach bückte sie sich und kettete auch meine Fußgelenke mit ähnlichen Ketten fest. Schließlich zwang sie so meine Beine auseinander.
Da stand ich nun, vollkommen hilflos in einer obszönen Geste, die jedem Zugang zu meinem nackten Körper gewährte. Doch ich war froh, nicht länger laufen zu müssen, und mein Wille war fast gebrochen. Ich versuchte, mich in der neuen Haltung einzurichten, meinen Körper, so gut es ging, zu entlasten und etwas zur Ruhe zu kommen. Es war praktisch unmöglich. Schließlich fand ich eine Position, in der ich den Kopf an den gestreckten Arm anlegte und den Körper entspannte. Auch wenn dadurch mein gesamtes Körpergewicht nur an den Ringen um meine Handgelenke gehalten wurden. Aber ich war an einem Punkt angelangt, an dem diese Schmerzen mich nur noch entfernt erreichten.
So schaffte ich es gar, in einen unruhigen, gazezarten Schlummer zu fallen, der eine Weile andauerte, aus dem ich immer wieder durch den leichtesten Reiz gerissen wurde, bis ich schließlich in einen dunklen Schlaf fiel.
Aufgeweckt wurde ich durch ein sonores Trommeln. Es klang dumpf und eindringlich, schien alles zu durchdringen, ich spürte die Wellen in meinen Fußsohlen, ich spürte sie in den Stamm fahren und von dort meinen Körper in Schwingungen versetzen. Dazu erklang eine seltsame Flöte, die fiebrige Töne ausspie. Sie klangen fremdartig wie aus fernen Ländern. Es schien nicht ein einziger Ton zu sein, der jeweils erklang, sondern simultan waren verschiedene zu hören, die einander gegen liefen, sich dann wieder vereinten, um sich wenig später wieder auseinander zu bewegen. Gewunden wie zwei Schlangen im Liebesspiel.
Es waren eigentümliche Laute, die mich tief berührten.
Ich öffnete die Augen und drehte den Kopf ein wenig, um durch den braunen Stoff hindurch zu schauen.
Dort standen etwa zwanzig junge Frauen. Alle wie Liz kriegerisch gekleidet in Lederharnische. An ihren Hüften hingen breite Kurzschwerter, dazu noch gekrümmte Dolche an der anderen Seite, manche hielten Speere, andere Schilde.
Sie standen in einem Kreis und murmelten leise wie in einem Ritual oder einem Gebet unisono einen Sermon, den ich nicht verstand.
Woher die Trommeln und die Flöte erklangen, konnte ich nicht ausmachen. Auch wenn ich meinen Kopf wand nicht.
Die Trommeln, die Flöte, das Gebet. Es beunruhigte mich, dass die Geräusche so tief in meine Seele eindrangen, auf der anderen Seite fühlten sie sich dort warm und wohlig an, nahmen mir die Schmerzen, als stünde ich in einer warmen, dunklen Höhle, geschützt vor einem draußen wütenden Unwetter.
Der Sermon steigerte sich in ein Crescendo, bis er schließlich mit einem Mal verstummte. Und auch die Trommeln und die Flöte schwiegen von einer Sekunde auf die andere.
Ich war gespannt.
Dann sprach Liz mit feierlicher Stimme laut:
„Lasst uns nun in den Krieg ziehen!“
Die anderen Frauen stießen ein kriegerisches „Aajh!“ aus.
„Doch bevor wir in die Schlacht gehen, lasst uns das alte Ritual unserer Göttinnen befolgen!“
„Aajh!“
„Möge sie uns Entschlossenheit, Stärke und den Sieg schenken!“
„Aajh! Aajh! Aajh!“
Damit drehten sie sich um und kamen auf mich zu, stellten sich im Halbkreis um mich.
Liz richtete ihre Stimme gen Himmel und verkündete laut.
„Göttinnen! So Ihr uns gewogen seid, schenkt uns Euer Wohlwollen durch diese Kreatur hier. Sprecht durch sie hindurch, und wir werden Euch dienen!“
„Aajh!“
Dann war es still für einen Moment, bevor wieder die Trommeln und die Flöte einsetzten. Sofort spürte ich, wie die Klänge in mich fuhren, doch dieses Mal drängender als zuvor.
Ein halbes Dutzend der Amazonen trat an mich heran. Sie begannen synchron zur Musik mich zu streicheln. An den Armen, den Schenkeln, am Bauch, den Hüften, den Brüsten. Es war ein seltsames Gefühl, ein Dutzend Hände auf mir zu spüren, die langsam über mich glitten, in schlängelnden Bewegungen, sanft und zart. Es war unmöglich, sich auf eine Stelle meines Körpers zu konzentrieren, vielmehr entfalteten die Hände auf meinem gesamten Leib flächig eine Wärme, die all meine geschundenen Muskeln fast augenblicklich entspannte. Diese Hände, die mich scheinbar willkürlich berührten, aber doch einer mythischen4 Choreographie zu folgen schienen. Ich schmolz dahin. Die Wärme begann tief in meinem Bauch wie ein Sonnenaufgang, um meinen Nabel herum, schien vorangetrieben durch den Rhythmus der Trommeln, die den Takt vorgaben, in dem mein Blut durch den Körper pulsierte. Bald waren nicht nur alle Schmerzen vergessen, bald schien ich zu spüren, wie gerade die Körperteile, die besonders geschunden waren, der von den Ketten wund geriebene Hals, die von den Armringen eingeschnittenen Handgelenke, die blutigen Knie besonders gewärmt wurden, und ich spürte fast, wie die Wunden sich schlossen und heilten.
Irgendwann begannen die Frauen aus tiefster Kehle Geräusche hervorzubringen. Ein dunkles Brummen. Und im gleichen Moment fühlte ich, wie die Bewegungen der Hände sich veränderten. Sie schlängelten sich immer noch, aber nun schien es, als würden all ihre Bewegungen auf ein neues Ziel gerichtet.
In meinen Schoß.
Und ich spürte, wie die Energie dorthin floss. Im Rhythmus der Trommeln. Wie ein Sturzbach wurde die Energie abgezogen aus allen anderen Körperteilen. Ich sackte in meinen Fesseln zusammen, weil meine Beine mich nicht mehr halten konnten.
Alles strömte in meinen Unterleib.
Nun wurde das Brummen lauter und ich hörte Liz’ Stimme heraus, die in fremden Zungen sprach und an mich heran trat. Und dann spürte ich ihre Hand in meinem Schoß. Sie führte einen Finger tief in mich ein, ließ ihn dort einen Augenblick und zog ihn feucht heraus.
Ich sah das Glitzern meiner Säfte, die ihren Zeigefinger wie zu einem funkelnden Kristall erleuchten ließen.
Sie hielt den Finger hoch und strich dann mit einer einzigen feierlichen Bewegung meine Säfte in einer Linie senkrecht von ihrem linken Auge etwa einen Zoll hinunter auf ihr Gesicht auf ihr Gesicht.
Das Funkeln war auf ihrer staubigen Haut deutlich zu erkennen.
Dann zog sie ihren Dolch und schnitt mir eine Locke aus dem Dreieck zwischen meinen Schenkeln. Ich konnte die kalte Klinge auf meinem Venushügel spüren.
Und sie verknotete diese kleine Locke in ihr langes, wallendes, schwarzes Haar.
Dann trat sie einen Schritt zurück.
Eine andere Frau trat vor und wiederholte das Ritual.
Bis schließlich unter dem linken Auge aller Frauen meine Säfte glitzerten und meine blonden Locken im Haar der Amazonen leuchteten.
Während dieser ganzen Prozedur waren die Finger immer auf mir, streichelten mich, erklang die Musik unaufhörlich, berührte mich.
Ich war in eine Lust versetzt, die jenseits allen menschlich Möglichen war. Nun wurde die Musik noch ein Stück drängender und lauter und fordernder und ich spürte, worauf ich zugespült wurde.
Es war das, wonach ich mich so gesehnt hatte.
Meine Erlösung.
Meine Geilheit.
Meine Säfte.
Die Musik.
Der Rhythmus.
Die Hände.
Die Wärme.
Mein Schoß.
Ich atmete nicht mehr, ich keuchte. Mein Körper hob und senkte sich in spastischen Zuckungen.
Ich schien längst nicht mehr auf dieser Welt.
Und dann erklang die Flöte plötzlich höher, vereint zu einem einzigen Ton, höher und höher.
Und es gab kein Zurück mehr.
Die Klippe war erreicht.
Und in dem Moment, als es über mich schwappte.
Riss Liz den Jute-Sack von meinem Kopf.
Und ich sah die Gesichter der Kriegerinnen.
Zum ersten Mal.
Es waren die Gesichter meiner Schülerinnen.
Hanna, Andrea, Michaela, Claudia.
Sie waren alle da.
Und sie starrten mich an, anklagend, vernichtend.
Und mein Höhepunkt ergoss sich vor ihnen.
Für sie.
So gewalttätig.
Und ihre Blicke so bestrafend,
Dass sie in mich fuhren.
In mein Herz.
Dass mein Herz zu explodieren schien.
Explodierte.
Ich hatte mich ihnen geopfert.
Sie hatten mich geopfert.
„Möchtest du was trinken?“
„Cola.”
Pause.
„Light”.
Pause.
„Nein, Zero.”
Ich hatte nichts von allem. Von morgen an hätte ich alle drei Sorten. Sie nahm schließlich eine Apfelschorle.
Liz inspizierte meine Wohnung wie ein Ermittler einen Tatort. Ungeniert und selbstverständlich ging sie durch Schubladen und Schränke, erst die Küche, dann das Arbeitszimmer. In meinem Schlafzimmer hielt sie sich etwas länger auf, schließlich kam sie in das Wohnzimmer und flegelte sich auf die Couch.
Ich war nervös. Sie streunte mit solch einer Selbstverständlichkeit durch meine Wohnung wie eine Katze, die vollkommen entspannt und belanglos herumstreunte und den kleinen Vogel längst entdeckt und keinen Zweifel an der nächsten Beute hatte.
„Sie wohnen schön hier.“
„Danke.“
„Und Sie haben einen guten Geschmack.“
„Danke.“
„Ikea?“
„Ein paar Sachen sind von Ikea.“
„Ich mag Ikea. Die haben einen netten Stil. So einfache und klare Linien.“
Sie ließ den Blick schweifen.
Was sollte dieser Small-Talk?
Es kribbelte mir in den Fingern.
Ich knetete meine Finger aus Nervosität. Liz wippte ständig mit ihren Schuhen. War sie auch nervös? Hatte sie Grund dazu? Wenn ja, hatte ich dann auch Grund zur Sorge?
„Wissen Sie, letztens bin ich so durch die Stadt gegangen und habe zufällig an einem Fenster eine Frau gesehen, die barbusig vor dem Fenster stand. Ich glaube, es war ihr nicht bewusst, dass sie beobachtet wurde, sie kramte irgendwas, und es könnte auch sein, dass sie mit jemandem sprach. Keine Ahnung. Ich fand das jedenfalls irgendwie total geil, jemanden unbeobachtet zu sehen. Wie sehen Sie das?“
Ich hatte mir darüber noch keine Gedanken gemacht.
„Draußen wird gebaut. Die Jungs da unten haben echt hart zu arbeiten. Was halten Sie davon, denen ein wenig Freude zu machen?“
Ich ging ans Fenster und sah hinunter. In der Tat rissen seit einigen Tagen unten Bauarbeiter die Straße auf und verlegten Rohre oder so. Sie machten Krach, waren unglaublich laut, manchmal hörte ich das gutturale Lachen des Vorarbeiters, eines grobschlächtigen Mannes in einem verschwitzten Unterhemd.
„Ziehen Sie die Gardinen weg.“
Ich gehorchte.
„Öffnen Sie die Fenster.“
Ich gehorchte wieder.
Von draußen kam eine Brise herein. Ich wohnte in einer ruhigen Straße, ohne viel Verkehr. Bis auf drei der Arbeiter war niemand auf der Straße zu sehen. Der Vorarbeiter war nicht zu entdecken. Eine ältere Frau radelte über die Querstraße.
„Ich will nicht, dass es billig wirkt. Sie sollen hier keine Show abliefern. Nicht so nuttig. Verstehen Sie?“
Das Böse kam immer näher. Meinte sie das ernst?
Ich nickte.
„Es soll so aussehen, als fühlten Sie sich unbeobachtet. Und jetzt gehen Sie an das Fenster und ziehen Sie die Bluse aus.“
Ich hatte die Hand schon am obersten Knopf.
Konnte ich das machen?
Ich könnte mich weigern.
Konnte ich das?
Ich öffnete den ersten Knopf.
„Schön. Weiter so.”
Den zweiten Knopf.
Nun war mein BH zu sehen.
„Sehr gut, aber es sieht noch nicht so ganz echt aus.“
Wie Sie kommentierte und mich herumkommandierte.
Es war demütigend.
Unten arbeiteten die Männer, ich hörte das schwere Werkzeug.
Den dritten Knopf.
Sie redete weiter, und ich schloss die Augen, tat, was sie sagte, bis schließlich die Bluse wie ein Hauch von meinen Schultern glitt.
„Sehr schön. Drehen Sie sich mal um.“
Ich wandte mich vom Fenster weg zu ihr.
„Augen auf!“
Musste sie mir in die Augen blicken? Konnte sie mir nicht ein wenig Würde lassen?
„Drehen Sie sich wieder zum Fenster. Und jetzt runter mit dem BH.“
Ich schloss wieder die Augen.
„Nein, nein, nein!“ Sie klang ärgerlich. „Das ist alles nicht richtig. Das sieht nicht echt aus!“
Sie dachte nach.
„Vielleicht haben Sie Recht mit den geschlossenen Augen. Tanzen Sie! So als wären Sie in Gedanken versunken.“
Ich sah sie an, aber sie las meine Gedanken.
„Keine Ahnung, denken Sie sich was aus. Nehmen Sie einen von diesen Songs, diesen Devotionalien. Nennt man das so?“
Nein, so nannte man das nicht.
Wunderhübsch war sie, wie sie da auf meiner Couch saß. Unschuldig, aber doch ausgebufft.
Und dann war der Song da. Einer, der so harmlos daher kam, aber ebenso obsessiv war und gefährlich.
Ich sang ihn vor meinen Augen.
Bewegte dazu meine Hüften, meine Schultern.
Hatte die Augen geschlossen.
Den BH hatte ich abgestreift, schnell und belanglos.
Ja, ich stand vor dem Fenster, aber das spielte keine Rolle.
Die Brise auf meiner Haut, die spürte ich.
Ich versank in meinen Gedanken, flüchtete vor der Wirklichkeit.
Aber mit der Musik vor meinen Augen vergaß ich, dass ich für jeden sichtbar etwas Ungehöriges tat. Noch nie hatte ich mich in der Öffentlichkeit oben ohne gezeigt. Ich war einfach altmodisch, was das betraf, oder scheu.
I’ve got you under my skin
I’ve got you deep in the heart of me
So deep in my heart that you’re really a part of me.
I’ve got you under my skin.
I would sacrifice anything come what might
For the sake of having you near
In spite of a warning voice that comes in the night
And repeats and repeats in my ear
For the chance of having you near
Despite of that warning voice that comes to me.
Aber in dieser Situation, da war es egal. Weil es eben nicht um mich ging, es ging darum, Liz’ Wünsche zu erfüllen.
Ich drehte mich um meine eigene Achse. In diesem Moment stolz auch ihr meine Brüste zu zeigen. Denn eigentlich ging es doch nur um sie, darum, mich ihr zu zeigen.
Alles andere war zweitrangig.
Ich nahm wahr, dass die Geräusche unten auf der Straße aufgehört hatten.
Hatten sie ihre Arbeit unterbrochen?
Starrten sie jetzt zu mir hinauf?
Begafften sie mich?
Eigentlich war es egal.
Ich öffnete die Augen nicht.
Es ging nicht um sie.
Sie würden eine Frau sehen, die in Gedanken versunken oben ohne an einem Fenster tanzte.
Sie würden sich schmutzige Gedanken dazu machen.
Ihnen könnte meinethalben der Sabber die Mundwinkel hinablaufen.
Vielleicht diente ihnen mein Anblick später als Wichsvorlage.
Es spielte alles keine Rolle.
Denn, was bedeutsam war, war die Tatsache, dass sie nicht verstanden, was sie sahen.
Wie ein paar einfältige Bauern, die am Firmament die Explosion eines Sterns mitbekamen und es lediglich für ein schönes Feuerwerk hielten.
Wie die Skeptiker, die eines Wunders gewahr wurden und es nur für einen billigen Taschenspielertrick hielten.
Ich beschwor Liz mit diesem Tanz.
Es war ein Ausdruck meiner Hingabe.
Sie verlangte etwas, und ich setzte es nicht nur in die Tat um, ich verwandelte es in einen bedeutsamen Moment.
Ich weiß nicht, wie lange ich am Fenster tanzte.
Ich war mir aber sicher, dass ich von unten die geilen Pfiffe hörte und bald auch das scheppernde Schreien des Vorarbeiters.
Wie ein grunzender Wasserbüffel.
Wie ein Frevler.
Wie der ungläubige Thomas.
Und dann wurde ich doch aus den Gedanken gerissen.
Ganz unvermittelt.
Von Liz, die wie eine Löwin auf mich gesprungen war. Mich vom Fenster weg gezogen und an die Wand gedrückt hatte. Gewaltsam presste sie mein Gesicht gegen die kalte Wand.
Die Raufasertapete kratzte über meinen Bauch, die erigierten Brustwarzen.
Sie presste sich gegen meinen Rücken. Ich spürte sie. Zum ersten Mal spürte ich ihren Körper, die kleinen Brüste an meinem Rücken.
Ihre Finger glitten über meinen Oberkörper.
Ungeduldig und gierig.
Sie wollten nicht mehr warten, hatten es nicht mehr ausgehalten.
Sie begrabschten mich.
Wild und ungezügelt.
Und ihr Mund, der sich in die Rundung zwischen Hals und Schultern biss. Wirklich einen Moment biss wie eine Raubkatze, die den tödlichen Biss ansetzt.
Dann saugte sie.
Heiß und gewaltsam.
Ihr schnaufender Atem dazu.
Mir war klar, dass das Spuren hinterlassen würde.
Aber es war egal.
Dann sollte es so sein.
Ich würde ihren Knutschfleck mit Stolz tragen.
Ich ließ es geschehen. Den Kopf an die kühle Wand gepresst, spürte auch auf der Wange das raue und kalte Kratzen der Wand und auf der anderen Seite ihre feuchten und heißen Küsse.
Schließlich riss sie mich von der Wand. Wir standen uns einen Wimpernschlag lang gegenüber. Und ich sah in ihren Augen die Rohheit und die Begierde.
Dieses Dionysische.
Den Rausch.
Dann presste sie ihren Kopf gegen meinen.
Hart.
Es war praktisch kein Kuss, es war ein Kampf.
Ihre Hände in meinen Haaren.
Sie streichelten nicht, sie zerrten.
Ihr Körper, der versuchte, meinen zu zerdrücken.
Sie drängte mich zurück, schnell und unkontrolliert.
Ich schwankte, stolperte über den Couchtisch und wir landeten auf dem Sofa.
Wälzten uns dort.
Aber sie wollte mir die Weichheit des Möbelstücks nicht gönnen, sondern zerrte mich auf den Boden. Das harte und kalte Parkett.
Gewalt, die sie anwandte in ihren Bewegungen. Ich war irritiert. Eigentlich war das alles nicht meine Sache, aber in diesem Augenblick war es Ausdruck ihrer Begierde, ihrer Lust.
Und es schoss mir durch den Kopf wie mächtig Liz mich machte in meiner Unterwürfigkeit.
Wie ich sie durch meine Demut erregen konnte und welches Geschenk in meiner Hingabe lag.
Ich hatte noch nie so geküsst.
War noch nie so geküsst worden.
Hatte sie schon so geküsst?
War sie schon so geküsst worden?
Wir wälzten uns auf dem Boden, und ich empfand es wie den Todeskampf einer gerissenen Gazelle, wehrte ihre Angriffe ab, stets ein wenig zu schwach, war stets diejenige, die nachgeben musste, lies sie gewähren, weil mein süßer Widerstand zur Erfolglosigkeit verdammt war.
Ich ließ sie den Rock von meinen Hüften zerren, lies sie zwischen meine Beine fahren und mein geschwollenes Fleisch anfassen.
Und es war diese Vergeblichkeit meines Wehrens und ihre Überlegenheit, die sie und mich nur noch mehr anheizten. Bis ich schließlich den Kampf aufgegeben hatte und in heiliger Lust nur noch erduldete wie eine Märtyrerin.
Ihre Finger.
Ihre Nägel.
Ihre Zunge.
Ihre Zähne.
Auf meiner Haut.
An meinen Brustwarzen.
An meinen Lippen.
In meinem Schoß.
Bis zur Erlösung.
Irgendwann lagen wir dann auf dem Boden. Still nebeneinander. Der Schweiß auf meiner Stirn, meinem Körper trocknete kühlend.
Mein Atem hatte sich wieder beruhigt.
Wir waren versunken in dieser postorgiastischen Schwere.
Sannen dem nach, was wir gerade erlebt hatten. Ihre Finger streichelten gedankenverloren über meinen Bauch, umfuhren abwesend meinen Nabel.
Ich genoss es.
Jeder war in sich verschwunden, mäanderte durch die Welten seiner eigenen Vorstellung.
Dachte sie an mich in diesem Moment wie ich an sie?
Es musste so sein.
Nach solch einem Erlebnis.
Es war still. Auch unten. Die Bauarbeiter waren längst in den Feierabend verschwunden. Ich sah den Vorarbeiter in Gedanken, wie er in seiner brutalen Art an seinem Stammtisch in der Kneipe von dem Luder erzählte, das sich am Fenster gezeigt hatte. Er würde Begriffe wie Titten und Fotze benutzen.
Und ich dachte daran, wie wenig er doch wirklich gesehen und wie viel er wirklich verpasst hatte.
Er würde es nicht verstehen.
Sie würden es nie verstehen.
Dann war es auch egal, was sie dachten.
Wenn sie einem anderen Gesetz folgten, dann konnten sie mich in meiner Welt nicht verurteilen.
Ich schloss die Augen und lag einfach.
Dachte an nichts.
War einfach.
Liz war es schließlich, die den Moment brach. Sie stand auf, aus der Entfernung meiner Vergessenheit hörte ich, dass sie ihren Slip anzog und ihr T-Shirt. Dann kramte sie in der Hose. Schließlich das Schnippen eines Feuerzeugs und der Geruch einer Zigarette.
Ich war Nichtraucherin, konnte den Gestank kalten Rauches in geschlossenen Räumen nicht ertragen. Aber in diesem Moment spielten solche Banalitäten keine Rolle.
Sie ließ sich schwer auf das Sofa fallen. Katapultierte einige Staubkörner in die Luft. Ich sah, wie sie im Zimmer schwebten und langsam abgebremst wurden. Ich sah, wie sie durch unsichtbare Kräfte bewegt wurden und schließlich hierhin und dorthin schwebten. Meine Augen waren zu versunken, ihnen zu folgen. Ich betrachtete nur die, die in meinem Blickfeld waren, und wenn sie daraus verschwanden suchte ich mir neue.
Schließlich spürte ich ihren Fuß auf meinem Körper. Kalt strichen ihre Zehen über meine Schenkel, bis an die Knie, dann zurück zu meinen Hüften, strichen darüber. Schließlich strichen sie über meinen Venushügel und tippten zwischen meine Schenkel.
Es war ein belangloser Akt, kein Zeichen von Erotik, sondern lässiges Spielen. Und eben die Macht. Sie konnte es sich erlauben, meinen Körper zu benutzen, wie immer es ihr beliebte.
Ich verabschiedete mich wieder in meine Gedanken.
Liz stand irgendwann auf, zog ihre restlichen Klamotten an. Ich wollte schon aufstehen, aber sie sagte:
„Ich muss leider weg. Ich möchte, dass Sie liegen bleiben und darüber nachdenken, was ich Ihnen bedeute.“
Ich schloss die Augen.
Schließlich ihre Schritte auf dem Parkett. Sie trat zu mir, stellte demonstrativ einen Fuß zwischen meine Schenkel, kniete sich zu mir hinunter, ganz nah an mein Gesicht.
Ich roch ihren Atem und das Nikotin darin.
Ihr Flüstern, der Situation angemessen:
„Das war verdammt heiß. Meine Güte! Ach und Sorry für das Andenken.“ Sie strich über den Knutschfleck.
Keine Ursache.
Dann war sie verschwunden.
Die Tür fiel schwer ins Schloss, und ich war allein.
Was bedeutete ich ihr?
Ich wusste es nicht.
Mein Verstand ließ mich im Stich.
Ich wusste, was sie mir bedeutete.
Alles.
In den nächsten Tagen türmten sich die Arbeiten und die Deadlines so auf, dass ich gezwungen war, mehr zu tun, und in der Tat schafften sie es, mich abzulenken von Liz und andere Prioritäten zu setzen.
Regelmäßig stand ich am Fenster in der Pause oder hielt während der Aufsicht nach ihr Ausschau, und wenn ich sie sah, dann war ich zufrieden. Sie ließ sich nichts anmerken und ich mir auch nicht.
Um den Knutschfleck zu verbergen trug ich in den nächsten Tagen ein Tuch um den Hals. Ich kam mir ein wenig blöd vor, wie eine Stewardesse und in den ersten Tagen glaubte ich, dass alle hinter meinem Rücken tuschelten. Die Kollegen wie die Schüler:
„Guckt mal, unter diesem albernen Tuch hat die ja einen Knutschfleck!“
Aber natürlich war das nur eingebildet.
Niemand machte sich Gedanken über so etwas. Warum auch?
Hätte Liz verlangt, dass ich den Fleck offen zeigen sollte, ich hätte es getan.
Einmal sahen wir uns unerwartet nach Schulschluss im leeren Gang. Sie zog mich in einen Klassenraum und küsste mich heftig. Es war ein kurzer Augenblick, dann war sie verschwunden, und ich saß noch eine Weile da und dachte über diesen Kuss nach und dass ich ihr gerne gezeigt hätte, wie der Fleck langsam verschwand, aber immer noch sichtbar war. Aber ich war zu überrascht gewesen in diesem Moment.
Wir kommunizierten über kleine Nachrichten, die ich ihr in das Lenkerrohr steckte oder sie hinter meinen Scheibenwischer schob.
Das war ein wenig kindisch, aber ich fand gerade das Ungelenke dieser Kommunikation romantisch. Ich fühlte mich wie ein Teenager, Hals über Kopf verliebt.
Einen Tag später fand ich einen Briefumschlag hinter meinem Scheibenwischer. Es waren diese Nachrichten, die mich bei Laune hielten. Sie versicherten uns einander.
Ich empfand sie als so etwas wie Liebesbriefe, sie zeigten mir, dass sie an mich dachte, wie ich an sie dachte.
Sie gaben mir das Gefühl, wichtig für sie zu sein.
„Heute um Zwei hinterm Parkplatz!“
Liz hatte diese Gabe, mit ganz wenig, viel zu erreichen. Einmal bestellte sie mich nach der Schule in das Gebüsch, in dem wir uns zum ersten Mal geküsst hatten. Ich hatte an diesem Tag nur vier Stunden und musste noch drei warten, bis auch sie aus hatte. Ich hatte in der Schule nichts zu tun, und so verbrachte ich die Zeit damit, Unwichtiges zu erledigen und sinnlos herumzulaufen, in die Lehrerbibliothek zu gehen, ein Buch zu suchen, nur um es dann wieder zu vergessen, Notenlisten einzutragen, was ich aber so schlampig tat, dass ich mich selbst ständig kontrollieren musste und es schließlich ganz ließ, weil ich mir selbst nicht vertraute, mich ständig vertat, tipp exte und drüber schreiben musste. Am Ende hatte ich ein Schlachtfeld hinterlassen von Fehlern und Korrekturen.
Meine Gedanken waren bei dem, was mich erwarten würde. Ich konnte es nicht erwarten einerseits und verfluchte diese Gedanken, die nicht an diesen Ort passten. Ich verfluchte es und liebte es. Diese Dualität war eigentlich nicht meine Sache, ich wollte Konstanz und Stabilität. Ich war nie diejenige gewesen, die unglaublich spontan und extrovertiert war, sondern eher die langweilig konservative. Und hier war ich nun, tat etwas unglaublich Verruchtes, Verbotenes und liebte es.
Ich blieb ruhig und entspannt nach außen, als ich zum vereinbarten Treffpunkt kam, musste noch ein paar Pirouetten drehen, weil ein paar Schüler am Parkplatz herumlungerten und ich nicht wollte, dass sie sahen, wie ich in diesem Gebüsch verschwand.
Innerlich brannte ich aber vor Aufregung.
Und als ich mich durch das Gebüsch und mit den Zweigen kämpfte, da saß sie da.
Auf einem Haufen Sperrmüll sitzend, den irgendwer vor langer Zeit dort abgeladen hatte, mit einer Zigarette in der Hand. Ich war mir sicher, dass sie mich wahrgenommen hatte, stapfte ich doch wie ein Elefant durch das Unterholz, aber sie ignorierte mich, und das gab mir die Gelegenheit, sie anzusehen und in mich zu saugen.
Meine Domina, meine Geliebte, meine Göttin.
Mit ihrer bleichen Haut, die so schön und unschuldig schimmern konnte, ihrer schwarzen Kleidung, die Nonkonformismus und Opposition verkündete, ihrer lässigen Haltung, die manchmal eben einen Tick zu cinematisch wirkte, aber immer noch diese Würde und Überzeugung ausstrahlte, selbst wenn sie mit ihrem Handy spielte, rauchte und auf einem Haufen Sperrmüll in einem Gebüsch voller Brennnesseln saß.
Sie ließ mich warten. Ich stand nun da neben ihr, hatte zur Begrüßung etwas sagen wollen, aber sie hatte mich mit der Bewegung ihres erhobenen Zeigefingers zum Schweigen aufgefordert. Ihre rechte Hand steckte in einem Gummihandschuh aus dem Krankenhaus. Zufällig wusste ich, dass sie in ihren letzten beiden Stunden Bio gehabt hatte, und da nahm ich an, dass sie die Handschuhe mitgehen hatte lassen. Ich konnte mir keinen Reim darauf machen, ob ich mit diesem Handschuh etwas zu tun haben würde oder ob er nur so etwas wie ein spontan erfundenes Fashionstatement darstellen sollte, der ihre Extravaganz dokumentieren sollte. Eine Anspielung an Michael Jackson vielleicht. Ich wusste es nicht, aber nahm eher an, dass er etwas mit mir zu tun hatte.
Ich liebte es, wie sie mir mit diesen einfachen Gesten mir meine Rolle zuwies. Wie wichtig konnte das sein, was sie da mit ihrem Handy veranstaltete? Aber sie war eben daran gewesen, als ich dazu gekommen war und nun hatte ich zu warten. Sie hatte Recht, ich auszuharren.
Und ich wartete gerne für sie, zeigte so meine Verbundenheit und devotes Wesen, meine Loyalität. Ich versuchte still zu stehen wie eine Bedienstete, betrachtete sie dabei unauffällig und staunte und verehrte, wie sie ihre schlanken Finger bewegte, ihr Mimik, wenn sie an der Zigarette zog, den Rauch einsog und nach außen dringen ließ, wie er ihre Lungen erfüllte, um ihn dann langsam und stetig auszuatmen, dabei ihre Lippen bewegte, sodass der Rauch mal nach oben und dann nach unten geblasen wurde.
Es waren die Observationen einer Verliebten, und ich legitimierte sie damit, dass ich vielleicht einmal von diesem Wissen profitieren konnte. Auch wenn ich mir noch nicht klar war, wie das geschehen sollte.
Schließlich steckte sie ihr Handy weg, winkte mir wieder mit ihrem Zeigefinger zu sich und ich gehorchte, trat näher. Sie stand auf ihre Lippen trafen meine und ich schmeckte den Zigarettenrauch und die Coldadose, die sie zuvor getrunken hatte, und die zerdrückt neben dem Schutthaufen lag.
Es war schön.
Sie ließ keinen Zweifel an ihrer Macht über mich und zeigte es mir mit diesem Handschuh, der störrisch über meine Haut fuhr, meine Wangen, mich am Hals packte und hierhin und dorthin dirigierte, der versucht, mich an meinem Haaransatz zu streicheln, aber sich eben nie erotisch anfühlte, sondern immer steril blieb. Ich musste an das Video von Bjork denken. All Is Full of Love, in dem zu einer kalten, esoterischen Musik das Liebesspiel zweier Roboter in einer weißen, kalten Fabrik gezeigt wurde.
Wollte sie mir das sagen? Dass sie mich rein mechanisch stimulieren konnte, dass sie mich nicht mit ihren Fingern berühren wollte, weil ich es nicht wert war, dass sie mich wie ein Doktor rein mit professionellen Berührungen anfasste und dabei selbst nichts empfand, sich also einen Spaß daraus machte, mich zu manipulieren?
Es war mir recht, und ich war glücklich, als sie ihre Rechte an meinen Hals legte, ihn wie ein Arzt ohne jede Zärtlichkeit palpierte und dann wie bei einer seltsamen Untersuchung gegen meine Luftröhre drückte. Nicht, um mir die Luft abzuschneiden, aber um mir zu zeigen, dass sie es könnte.
Ich liebte auch dieses Gefühl, ihr so ausgeliefert zu sein und mir alles gefallen zu lassen und schwelgte in den Phantasien, was sie mit mir anstellen könnte.
Sie hatte so etwas Magisches an sich, deutete nur eine Geste an, und in diesem Moment schien sie vollkommen belanglos zu sein, aber noch Tage später, wenn ich nachts in meinem Bett lag, musste ich daran zurück denken, was sie damit gemeint haben könnte, was diese Bewegung über sie und mich sagte und was sie an Möglichkeiten und Phantasien evozierte.
Dieser Kuss dort im Gebüsch hatte vielleicht nur einen Moment gedauert, aber er schenkte mir den Ausgangspunkt für Stunden um Stunden an Phantasien.
Versunken in diesen Kuss bemerkte ich zunächst nicht, wie sie mir die Bluse aufknöpfte, aber einer um den anderen musste weichen, bis ich schließlich bis zum Nabel mit aufgeknöpftem Oberteil vor ihr stand.
Sie ließ ab von mir, trat einen Schritt zurück und betrachtete mich.
„Ich wollte Sie nur ein wenig heiß machen, um Sie dann in der Luft hängen zu lassen. Heiß scheinen Sie ja nun zu sein, dann können Sie jetzt gehen!“
Ich sah sie verblüfft an. Was sollte das nun wieder? Warum machte sie mit mir nicht, was sie hätte tun sollen, was sie doch sicherlich auch gewollt hatte?
Verlangte sie von mir, dass ich bat und bettelte? Dass ich vor ihr auf die Knie fallen sollte? Ich hätte es getan. Natürlich, keinen Wimpernschlag hätte ich gezögert.
Aber das war es wohl nicht. Sie wandte sich von mir ab, ging zurück zu dem Schutthaufen, und ich stand dort perplex, mein Blut schäumte voll Hormonen und protestierte nach mehr.
Aber das war alles.
Ich stand dort wie eine stehen gelassene Braut am Altar und wusste nicht, was ich sagen oder tun sollte.
Und dann drehte sie sich noch einmal um und hatte einen grünen Zweig in der Hand, den ich zuvor nicht gesehen hatte. Mit einer schnellen, aber sanften, fast zärtlichen Bewegung strich sie mir zweimal x-förmig über den Bauch, und die Striche trafen sich genau an meinem Nabel.
Dann warf sie den Zweig weg, und erst dachte ich, es sei irgendein heidnisches Ritual, das sie da vollzog, wie eine Segnung. Ich war perplex, aber nach wenigen Sekunden spürte ich das Jucken und Brennen, sah auf den Boden um den Zweig zu finden und erkannte, dass es kein Zweig von einem Baum war, sondern eine Brennnessel, mit der sie mich gestreichelt hatte.
„Gehen Sie, ich habe keine Verwendung mehr für Sie!“
Sie drehte sich um, zog ihr Handy heraus und spielte wieder damit.
Und ich spürte das Brennen auf meiner Haut, unangenehm und stechend, aber eben auch erotisch und aus dem Kontext heraus erregend.
Zurück durch das Unterholz stapfend wiederstand ich dem Drang, mich zu kratzen.
Stattdessen wollte ich den leichten Schmerz und das unangenehmen Brennen erfahren, wollte mich ihm aussetzen, ihn vielleicht sogar genießen, wie ich zuvor den Kuss genossen hatte.
Ich hatte mit Schmerzen nichts am Hut, aber dieser Akt hatte etwas unglaublich Intensives und Erotisches. Ich empfand intensiv das Gefühl, konzentrierte mich auf meinen Bauch, spürte, wo sie mich berührt und stellte mir vor, ihre Küsse konnten solche Spuren hinterlassen wie diese Nesseln. Ich würde sie für sie ertragen.
Nach diesem kleinen Intermezzo betrachtete ich Brennnesseln mit einer anderen Bedeutung.
„Was fühlen Sie, wenn Sie hier so liegen?“
Ich war hilflos. Ich war ihr ausgeliefert. Ich war geil. Sie konnte mit mir tun, was sie wollte, und sie tat es auch.
Liz hatte mich an das Gestell meines Bettes gefesselt mit Handschellen, die sie besorgt hatte. Zwei Paar. Wenn ich mich bewegte, klapperte das Metall der Schellen gegen das Metall meines Bettgestells. Es war ein unangenehmes Geräusch, bei dem ich befürchtete, dass die Nachbarn es hören und identifizieren könnten. Es war ein dummer Gedanke. Meine Beine hatte sie ebenfalls gefesselt mit dem Seil, das sie bei unserer ersten Begegnung im Stadtpark dabei hatte.
Als ich das Bett in einem Möbeldiscounter gekauft hatte, war die Eignung, mich daran fesseln zu lassen, jenseits meiner Vorstellung gewesen. Doch nun stellte sich heraus, dass es sich dazu gar nicht einmal schlecht eignete.
Meine Beine waren nun obszön gespreizt, und ich war ihr vollkommen hilflos ausgeliefert. Liz konnte mit mir anstellen, was sie wollte. Ich hatte keine Möglichkeit, mich zu wehren.
Um die Sache noch intensiver zu machen, hatte sie mir mit einem Seidentuch, das sie ebenfalls mitgebracht hatte, die Augen verbunden.
Ich lag nun also vor ihr, meiner wichtigsten Sinne beraubt und aller Möglichkeiten entledigt, mich zu wehren und über mich selbst zu bestimmen.
Ich lag in ihren Händen und in ihrer Gnade.
„Was fühlen Sie, wenn Sie hier so liegen?“
Sie hatte diese Worte in mein Ohr gehaucht.
Obwohl ich nichts sehen konnte, spürte ich, wie sie neben mir lag, auf die Ellbogen gestützt und mich in meiner Hilflosigkeit ansah.
Ihre Hand spielte an mir, und wann immer sie mich irgendwo an meinem Körper streichelte, zuckte ich ob der unerwarteten Berührung zusammen.
Meine Sinne waren geschärft, meine Ohren lauschten auf jedes noch so kleine Geräusch, auf das Rascheln der Laken oder eben das brutale Klackern der Handschellen. Meine Nerven waren allesamt aufs Äußerste alarmiert und horchten auf jede Reizung hysterisch.
Dabei hatte ich doch nichts zu befürchten oder?
Ich lag hier im Liebesspiel vereint mit meiner Gebieterin. Was hatte ich zu befürchten.
Doch wenn alles so harmlos war, warum war ich dann hier gefesselt? Warum liebten wir uns nicht einfach und sie befahl mir, was sie wollte. Ich hätte gehorcht. Auf jeden Fall. Wenn sie mich fesselte, bedeutete das nichts Gutes. Ich war scharf darauf, es zu erfahren.
Als sie in die Hände klatschte, zuckte ich zusammen, denn mein Körper erwartete den Schmerz, den meine Ohren zu hören glaubten. Doch Liz lachte nur.
Sie kramte in der Tasche, die sie mitgebracht hatte, und ich fragte mich, was sie in der Hand hatte. Dann spürte ich das ganz, ganz, ganz zarte Gefühl einer Feder, die auf meiner Haut tanzte, so zart, dass sich eine Gänsehaut über meinem Körper ausbreitete. Wenig später dann kaltes Metall auf meiner Haut, die mich wieder erschrecken ließen.
Es war die süßeste Tortur, die ich bisher erleben durfte. Mal streichelte sie, mal piekste sie mich mit kleinen Nadeln, mal spürte ich ihre weichen, feuchten Lippen auf meinen Brustwarzen, in der nächsten Sekunde malträtierte sie sie mit kleinen Eiswürfelchen. Man kitzelte sie mich mit einer Feder in meinen schutzlosen Armbeugen, bis ich es nicht mehr ertragen konnte, mich wand in meinen Fesseln und um Gnade flehte, mal drang ihre Zunge in meinen Bauchnabel ein und löste dort ein Gefühl aus, das sich in meinem ganzen Unterleib ausbreitete. Mal strich sie über mein Geschlecht, wenn ich mich nach mehr Berührungen sehnte, vernachlässigte sie mich. Wenn ich erwartete, dass sie sich meinem Hals widmete, spürte ich die nächste Berührung an meinen Füßen, wenn ich einen Schmerz erwartete, schenkte sie mir ein Streicheln.
Mir fehlen die Worte, die Schönheit dessen, was sie mir schenkte, auszudrücken.
Als sie einmal von mir abließ und verschwand, da war ich so ergriffen von dem, was ich aus ihren Händen erfahren durfte, dass ich einige Tränen vergoss, die jedoch in meiner Augenbinde versickerten.
So hatte sich nie zuvor jemand um mich und meinen Körper gekümmert, nie hatte mir jemand solch schöne Gefühle vermittelt.
Ich war so erregt, dass jede meiner Nerven gespannt war und ich die Erlösung herbeisehnte, auf der anderen Seite aber nicht wollte, dass dieser Augenblick jemals endete.
Doch als ich dachte, dass Liz sich nicht mehr selbst übertreffen könnte, da tat sie etwas, dass so erotisch war, dass ich es nicht für möglich gehalten hätte.
„Sie waren ein böses Mädchen!“, spottete Liz klischeehaft, „Sie gehören bestraft.“
Ich sagte nichts, nickte vorsichtig, da ich nicht wusste, was sie im Schilde führte.
„Aber ich habe leider keine neunschwänzige Katze, um Sie zu bestrafen, aber mir fällt da was ein!“
Ich spürte, wie sie sich bewegte, und dann berührte mich etwas weich wie Seidenfäden. Dann berührte es mich nicht mehr, um wenige Augenblicke später mich erneut zu berühren, nun etwas stärker, aber immer noch so weich, dass es mehr eine Ahnung als ein wirkliches Spüren war.
Es dauerte einen Moment, und dann realisierte ich, was sie da tat.
Sie peitschte mich mit ihren langen, schwarzen Haaren. So zart, so sanft, so erotisch fühlte sich das an. Sie schwang ihren Kopf hin und her, und ihre langen schwarzen Haare strichen über meinen Körper.
Jede Berührung war nun wie ein Feuerwerk auf jede meiner Nervenzellen.
Und durch die Bewegung drang der warme Duft ihrer Haare in meine Nase. Es war unglaublich.
Unglaublich.
Ich würde es gerne besser ausdrücken.
Ich bitte um Entschuldigung für meinen Mangel an Eloquenz, dies angemessen zu beschreiben.
Später verschaffte sie mir den Höhepunkt, schenkte ihn mir mit ihren Fingern und ihrer Zunge, und auch wenn sie dabei so viel Gefühl zeigte, war es die Peitsche ihrer Haare, die sich in meine Erinnerung einbrannte, dass ich sie nie mehr vergessen werde.
Nachdem ich mich hilflos ihren Berührungen hingegeben und den Höhepunkt empfangen hatte, beließ sie mich in meinen Fesseln, ohne selbst an ihre Erfüllung zu denken.
Sie schmiegte sich an mich, nachdem ich erschöpft und ermattet mich von der Sensation erholte, die über mich gewaschen war, streichelte mich sanft, ihren Kopf auf meiner Brust, meinen Herzschlag verfolgend, der sich nur langsam erholte.
Dann flüsterte sie: „Wenn Sie wüssten, wie scharf Sie aussehen, wie sie hier so liegen.“
Die Matratze bewegte sich, und ich spürte, wie sie aufstand und wegging. Und dann war ich allein mit mir. Ihre Schritte verschwanden sofort aus meinen Ohren. Sie lief auf Socken über den Teppich. Und so hörte lauschte, lauschte, lauschte ich, bis ein kleines Geräusch mir verriet, dass sie noch im Raum war.
Was machte sie gerade? Was machte sie in meinem Schlafzimmer? Starte sie mich an? Begaffte sie mich?
Ich wand mich in meinen Fesseln, wand mich in vorgetäuschtem Unbehagen, doch eigentlich wollte ich ihr eine schöne Schau bieten, wollte mich ihr präsentieren und mich vor ihr in meinen Fesseln exhibitionieren. Sie sollte das Gefühl bekommen, das Richtige zu tun, denn das tat sie zweifellos.
Sie hätte alles von mir haben können in diesem Augenblick.
Schließlich kam sie wieder zu mir und legte sich zu mir, wärmte mich mit ihrem Körper.
So lagen wir eine Weile dort zusammen, schwiegen, ich hing meinen Gedanken nach, während sie mich weiter streichelte, vor allem über die Haare meiner Scham, sie durchkämmte in allen Richtungen und mich wieder erregte.
Schließlich, als ich schon die Hoffnung auf einen weiteren Höhepunkt wieder gehegt hatte, flüsterte sie mir ins Ohr:
„Vorsicht, ich werde die Augenbinde abnehmen!“
Sie löste den Knoten langsam und legte die Hand über meine Augen, dass die Helligkeit nicht so rapide in meine Augen stach.
Wie sie sich um mich sorgte!
Könnte sie das nicht immer tun? Könnte das nicht in alle Ewigkeit dauern? Ich war mir sicher, dass ich in diesem Moment mein Leben gegeben hätte, wäre ich vor die Wahl gestellt worden und hätte man mir nur eine weitere Erfahrung dieser Art geschenkt.
Ein leises „Danke“ kam über meine Lippen.
Und als ich meine Augen öffnete, sah ich mich in Liz iPhone. Sie zeigte mir die Fotos, die sie von mir gemacht hatte, als sie in meinem Schlafzimmer gestanden hatte. Ich war erst erschreckt über diesen offenherzigen, obszönen Anblick, den der Blick zwischen meine Beine freigab. Aber dieser erste Gedanke verschwand schnell, denn mich zu sehen, wie ich mit gespreizten Beinen und mit den Armen hinter meinem Kopf ans Gestell gekettet dort lag und mich in meinen Ketten wand. Die Augenbinde verdeckte mein Gesicht spärlich.
„Sie sind ein ziemlich geiles Luder!“, flüsterte sie mir zu, und ich sagte dazu nichts, sondern nickte nur in einer Mischung aus Stolz und Scham, die ich selbst nicht verstand.
„Keine Sorge, die Fotos bleiben unser Geheimnis. Aber vielleicht machen ich Ihnen einen lebensgroßen Abzug!“
Sie lachte leise in mein Ohr, und ich drehte meinen Kopf, um noch einmal den Duft ihrer Haare zu riechen.
Ich war glücklich und erfüllt, wie sich nicht glaubte, es jemals zuvor gewesen zu sein.
Als sie mich später losband, ich aufstehen konnte und meine steifen Glieder wieder strecken konnte, da fiel ich vor ihr auf die Knie und küsste ihre Füße.
Es war eine spontane Eingebung, nicht überlegt, aber ich war so überwältigt, dass ich nicht wusste, wie ich sonst meine Dankbarkeit würde ausdrücken konnte. Und die Tränen überkamen mich. Ich schämte mich nicht, wie ein kleines Kind vor ihren Füßen zu weinen.
Ich musste ihr versichern, dass alles in Ordnung war mit mir, dass ich nur dankbar war, dass ich nur glücklich war, bei ihr sein zu dürfen.
Später an diesem Tag revanchierte ich mich, so gut ich es konnte, für dieses Erlebnis, das sie mir geschenkt hatte.
„Draußen warten zwei Schüler auf dich.“
Das war mit Abstand der häufigste Satz im Lehrerzimmer. Wann immer ein Schüler in der Pause oder außerhalb des Unterrichts etwas von einem Lehrer wollte, musste er einen Lehrer vor dem Lehrerzimmer abfangen, um die Nachricht zu überbringen. Und das kam ziemlich häufig vor. Meist ging es um Lappalien, die aber für die Schüler häufig von großer Bedeutung waren.
Ich seufzte, nahm meinen Kaffee mit und verließ das Lehrerzimmer.
Draußen standen nur zwei Schüler, die ich allerdings nur vom Sehen kannte, ich unterrichtete sie nicht. Da sie zu schüchtern waren, fragte ich sie, ob ich etwas für sie tun könne.
So angesprochen sprachen sie auch, drucksten ein wenig herum und meinten dann, sie müssten mir was zeigen.
Ich dachte mir nicht viel dabei, folgte ihnen mit meinem Kaffee in der Hand. Ich hatte nichts zu tun als zu warten, denn am Nachmittag war eine Lehrerkonferenz angesetzt. Lehrerkonferenzen gehören immer noch mit zu den überflüssigsten und nervigsten Ereignissen in der Schule. Man sitzt stundenlang herum, während unsinnige Dinge abgearbeitet werden und ein paar Silberrücken ihr Sendungsbewusstsein darstellen und sich produzieren müssen.
Es war einfach nur verschwendete Zeit.
Ich trottete also so den beiden Jungs hinterher in den Altbau. Ich machte mir keine großen Gedanken, was sie wollten. Hätte ich nachgedacht, ich wäre sicherlich drauf gekommen, aber so war ich dankbar, dass mir jemand half, die Zeit totzuschlagen.
Als sie schließlich an dem Magazin ankamen und meinten, ich solle da nachsehen, weil sie ein Geräusch darin gehört hätten, hätte ich stutzig werden und an Liz denken müssen. Aber selbst, wenn ich vorher drauf gekommen wäre, ich wäre ihnen trotzdem gefolgt und hätte alles so gemacht, wie sie es gewollt hätten.
Ich öffnete also die Tür, schaute in die Dunkelheit des Raumes, betrat ihn, tastete nach einem Lichtschalter und hörte, wie hinter mir die Tür zufiel und ich in der Dunkelheit stand.
Von draußen hörte ich gedämpft, wie die beiden Jungen wegliefen.
Da ging mir das Licht auf.
Liz hatte mich reingelegt. Es war nicht sonderlich kreativ, aber es hatte gereicht, mich zu überlisten. Wie gesagt, ich hätte mich auch willentlich überlisten lassen.
Mein Tasten nach dem Lichtschalter hatte schließlich auch Erfolg. Ich fand ihn. Doch wiederholtes Ein- und Ausschalten hatten keinen Effekt. Ich tastete mich zurück an die Tür, nur um festzustellen, dass die Klinke abmontiert war. Ich war also gefangen.
Da ich mir denken konnte, worum es ging, behielt ich die Ruhe.
Ich war noch nie in diesem Raum gewesen, aber ich wusste, dass es keinen weiteren Ausgang gab. Also tastete ich mich an der Wand entlang und setzte mich nahe der Tür hin und wartete, dass Liz mich erlösen würde.
Es dauerte eine Weile, und ich gebe zu, dass ich irgendwann in der Dunkelheit jede Orientierung verlor und mir mulmig wurde, obwohl mir natürlich bewusst war, dass sie mich warten lassen musste. Sie musste mir ein wenig Angst machen. Ich tippte auf zehn Minuten, die ich zu warten hätte, bis sie mich erlöste.
Da es stockduster war, ich mein Handy nicht dabei hatte und auch sonst keine Lichtquelle, konnte ich die Zeit nicht überprüfen, aber ich war mir sicher, dass sie kommen würde
Alle möglichen Gedanken gingen mir durch den Kopf, während ich dort in dem muffigen Abstellraum saß, den ich nicht kannte.
Ich war nicht sonderlich ängstlich in der Dunkelheit.
Eher sorgte ich mich darum, dass Liz mich hier die ganze Lehrerkonferenz über gefangen halten könnte. Immerhin bedeutete das, dass kein anderer Lehrer hier vorbeikommen würde und mich befreien könnte.
Für mich würde das allerdings Konsequenzen haben, denn Anwesenheit war Pflicht und eine Anwesenheitsliste würde definitiv kursieren. Als neue Lehrerin, die sofort eine Lehrerkonferenz schwänzte, müsste ich sicher zum Rapport beim Direktor.
Ich fragte mich, ob Liz mir das antun würde.
Wieder stiegen diese Zweifel in mir hoch, diese Zweifel an ihrer Integrität, diese Zweifel, ob ich ihr vertrauen konnte.
Und so begann es dann doch an mir zu nagen.
Wieder die Frage, worauf ich mich eingelassen hatte, ob ich wirklich das Richtige tat.
Die Zeit verstrich ungemessen, langsam wurde mir doch mulmig.
Ich versuchte erfolglos das wenige Licht, das durch den Türspalt hereinschien auf das Ziffernblatt meiner Uhr fallen zu lassen, aber es gelang mir nicht die Zeit abzulesen.
Schließlich hörte ich Schritte vor der Tür. Ich war erleichtert und bildete mir ein, dass ich ihre Schritte von denen anderer unterscheiden konnte.
Sobald die Tür sich öffnete und ein wenig Licht in den Raum fiel, schaute ich schnell auf die Uhr. Es war Viertel vor Drei, wenn sie mich gehen ließe, würde ich es noch rechtzeitig schaffen zur Konferenz. Ich hatte zwei Stunden dort gesessen.
Das Licht von draußen umschmeichelte ihre Figur und sie stand länger als notwendig wie in einem Film Noir im Türrahmen und ließ mich sie bewundern in dieser Pose.
Ich stand auf, ein wenig unschlüssig, ob ich etwas sagen sollte, da sie das ganze ja eingefädelt hatte und sicher einen Plan hatte.
Sie kam näher, schwenkte die Klinke in ihrer Hand und grinste.
Es war wie im Film, und ich vergaß für einen Moment die Zeit, sah mein Vertrauen in sie wieder restauriert und redete mir ein, dass es töricht von mir gewesen war, an ihr zu zweifeln, weil sie wusste, wie wichtig so eine Konferenz war und dass sie niemals mit meinem beruflichen Leben interferieren würde, wie sie es mir versprochen hatte.
Sie trat ein, stieß die Tür mit ihrer Hacke zu, und wir waren in Dunkelheit gehüllt.
Eine Sekunde später hatte sie mich gegriffen und stieß mich gegen ein Regal, und presste ihre Lippen auf mich.
„Komm her, du Miststück!“
Das waren ihre Worte, bevor wir an diesem ungemütlichen Ort in unglaubliche Küsse taumelten. Sie stieß mich in diesem stickigen Raum hin und her, von Regal zu Regal, wie in einem Western bei einer Kneipenschlägerei und drang immer wieder mit ihrer Zunge in meinen Mund vor.
Sie bedrängte mich, war mal roh, hart und gewaltsam, um dann einen Augenblick später zart und gefühlvoll zu sein. Und ich ließ das alles geschehen, vergaß die Zeit, kümmerte mich nicht darum, dass der Staub von meinen Kleidern angesogen wurde, ließ mich herum schupsten und spürte ihre Hände auf mir, wie sie mal wild und schnell, dann wieder langsam und gefühlvoll mich begrabschten, meine Brüste kneteten, durch meinen BH hindurch meine Brustwarzen zwickten und malträtierten und mich zu ihrem Lustobjekt machten.
Ich vergaß alles, vergaß den Ort und die Zeit und die Situation. Ich wollte einfach nicht mehr, als das, was sie mir dort schenkte. Es war göttlich. Sie konnte machen mit wir, was sie wollte, es war in Ordnung.
Schließlich machte sie sich an meiner Jeans zu schaffen, öffnete den Knopf, zerrte den Reisverschluss herunter, zog mir gewaltsam die Hose die Hüfte hinunter und griff mir dann energisch und rabiat in den Schritt, der glühte vor Geilheit.
Es war aberwitzig. Sie wollte mich hier nehmen? Hier in diesem Abstellraum? Es war mir recht. Es war mir so recht, ich würde auf den Knien darum flehen.
Ihre Finger fuhren immer wieder über meine Scham, drückten den Slip tief in meine feuchte Spalte.
Ich stand in Flammen und kämpfte. Meine Schenkel drückte ich auseinander, soweit ich konnte, um ihr Zugriff zu mir zu gewähren, doch die halb heruntergelassene Hose hinderte mich wie eine Fessel.
Ich wollte ihr sagen: „Warte, warte, zieh sie mir aus!“ Doch ihre Zunge bezwang meine und ließ kein Wort zu, und so entfuhr mir nur ein Grunzen.
Es gab in diesem Augenblick nichts als uns. War irgendwas anderes? Hatte ich nicht irgendwo zu sein in diesem Moment?
Scheiß drauf!
Das waren meine Gedanken.
Nimm mich hier und jetzt!
Ich würde später alle Konsequenzen dieser Welt auf mich nehmen, wenn ich nur jetzt bekommen würde, wonach uns beiden lechzte.
Wie schlimm konnte ein Verweis des Direktors schon sein? Ich würde es überleben.
Liz machte mich wieder an meiner Hose zu schaffen. Ich presste die Beine zusammen, dass sie sie mir hinunterziehen konnte. Sie riss daran, dass ich fast das Gleichgewicht verlor, und mich an einem staubigen Gerüst abstützen musste.
Der trockene Staub auf meinen Fingern fühlte sich so komplett anders an als das, was in mir vorging. Es war seltsam, dass mir dies durch den Kopf ging.
Sie riss weiter an meiner Hose, dass mir Bange um die Nähte wurde, doch schließlich zerrte sie erst ein Bein aus der Jeans, meine Schuhe hatte sie längst von meinen Füßen gerissen und in eine Ecke geworfen, dann riss sie die Hose von meinem anderen Bein.
Ich lag nun auf dem Boden, der lange keinen Besen mehr gesehen hatte, wie ich spürte, und sie warf sich auf mich, drückte mir wieder die Zunge in den Mund und die Hand in den Schritt.
Ich ließ alles geschehen, hob die Hüften gehorsam, als sie meinen Slip hinunterzog. Wieder gewaltsam, diesmal hörte ich einige Nähte reißen. Es war mir egal. Sie konnte mir alle Kleider vom Leib reißen, dass ich mich später in der Dunkelheit von Strauch zu Strauch nackt meinetwegen zu meinem Auto würde stehlen müssen.
Ich spürte die Kühle der Luft zwischen meinen feuchten Beinen.
Liz drückte mir meinen Slip ins Gesicht. Ich spürte seine Feuchte, ich roch meinen Duft, meine Erregung. Es war wie eine Droge.
Und dann zog sie den Slip von meinem Gesicht, dann richtete sie sich und stand auf und ließ mich dort auf dem Boden zurück.
Ich lag dort heiß und geil auf dem schmutzigen Boden und wusste nicht, wie mir geschah.
„Stehen Sie auf! Haben Sie nicht eine Konferenz?“
Wo war das abwertende Du von eben geblieben? Warum siezte sie mich nun wieder? Warum diese Distanz? War ich nicht mehr ihr kleines Miststück oder als was auch immer sie mich sah?
Alles schrie in mir vor Frustration. Wie konnte sie mich hier nur so hängen lassen?
Ich war versucht, auf den Knien zu ihr zu kriechen in der Dunkelheit, ihre Füße zu küssen und sie zu bitten, weiterzumachen. Ich wäre bereit gewesen zu betteln.
Aber ich hörte, wie sie sich zu schaffen machte an der Tür und die Klinke in der Dunkelheit wieder anzubringen versuchte.
„Ziehen Sie sich an. Los, machen Sie schon!“
Ihre Stimme hatte mir den Rücken zugedreht. Der Moment war wie Rauch zerstoben.
Ich blieb dort liegen, seufzte dem verlorenen Moment nach, hoffte vergebens, dass sie sich besinnen möge, aber hoffte vergebens. Und wie die Kühle des Raumes nach mir griff, setzte sich auch langsam die Erkenntnis durch, dass der Moment verstrichen war. Ich raffte mich auf, tastete nach meiner Jeans und meinen Schuhen und war nun froh ob der Dunkelheit, die kaschierte, wie ich dort umständlich nach meinen Sachen suchte.
„Ihren Slip behalte ich.“, so antwortete Liz, als hätte sie meine Gedanken erraten.
Also zog ich widerwillig die Hose über meine nackte Scham und war mir des ungewohnten Gefühls sehr bewusst. Schließlich schlüpfte ich in meine Schuhe und stand auf. Ich streifte den Staub und Schmutz von den Kleidern, so gut ich konnte.
Liz öffnete die Tür, und ich stand wieder etwas unschlüssig und nun wieder sehend und sichtbar in dem Raum und fühlte mich am falschen Ort in der falschen Situation und der falschen Kleidung.
„Sie sollten zu Ihrer Konferenz gehen. Sie sind jetzt schon zu spät.“
Ich sah auf die Uhr. Es war zehn Minuten nach Drei.
Verdammt!
Nachdem die Situation sich gewandelt hatte, war es mir nun nicht mehr egal, wie spät es war.
Scheiße, dachte ich.
„Nehmen Sie ihr Handy mit, vielleicht schicke ich Ihnen ja eine SMS.“
Sie stand in der Tür, und ich trat auf sie zu, in der Hoffnung auf einen letzten Kuss, in der Hoffnung, dass sie vielleicht doch noch ihre Meinung änderte und sich wieder auf mich stürzen würde.
Und in der Tat trat sie auf mich zu, als ich zur Tür kam. Ich blickte ihr tief in die Augen und hoffte auf einen weiteren Kuss, doch dann hörte ich ein Geräusch, das ich zunächst nicht einordnen konnte. Doch in dem Moment, als ich die Klinge aufblitzen sah, identifizierte ich das Geräusch als das Aufschnappen eines Springmessers. Und bevor ich mir Sorgen machen konnte, warum sie dies in Richtung meines Halses bewegte, hörte ich auch schon ein weiteres Geräusch. Es war das helle Klappern eines kleinen Knopfes, der auf den Boden sprang und tanzte, bis er schließlich liegen blieb.
Sie hatte mir den obersten Knopf meiner Bluse abgeschnitten.
Ich war nicht entblößt, aber gab nun einen tieferen Blick in mein Dekolletee frei, als ich das normalerweise tat und mir lieb war.
Ich flehte mit meinen Blicken ein letztes Mal, versagte ein weiteres Mal. Liz gab mir mit einer lässigen Handbewegung zu verstehen, dass ich gehen solle.
„Sie kommen zu spät!“
So verließ ich den Raum, hörte meine Schritte auf dem Steinboden knallen, schaute auf die Uhr und hetzte nun zu meiner Konferenz. Vorher noch hastete ich ins Lehrerzimmer, schnappte meine Tasche und rannte dann durch die leeren Gänge in die Aula.
Als ich die Tür öffnete und eintrat, hielt der Direktor, der noch bei der Genehmigung des letzten Protokolls war, inne und sah mich streng an. Einige Dutzend Lehrer drehten sich zu mir um. Ich murmelte etwas, das wie eine Entschuldigung klang und hastete dann an einen noch freien Platz hinten in der Ecke.
Der Direktor sprach weiter, sah mich aber noch einige Mal an, als hätte ich nicht verstanden, worum es ihm ging.
Ich atmete durch, packte meine Schreibmappe aus und beruhigte mich wieder so weit, dass ich mich wahrnahm. Ich fühlte mich unwohl in meiner Kleidung, die ich als schief sitzend empfand und zupfte und zerrte, da ich das Gefühl hatte, als würde alles schief an mir herabhängen.
Ich wischte meine Hände wiederholt an meiner Hose ab, da ich glaubte, immer noch den trockenen Staub an ihnen zu spüren.
Meine Hände richteten immer wieder den Kragen meiner Bluse, der eben dieser eine Knopf fehlte, den ich gerne geschlossen hätte.
Am schlimmsten aber war, dass ich immerzu auf meinem Stuhl hin und her rutschte, weil ich mich ohne Unterwäsche so ungewohnt fühlte. Der schwere Stoff der Jeans rieb gegen meine weichen Schamlippen. Ich war mir zunächst nicht sicher, ob ich mich so bewegte, um eine vernünftige Position zu finden, oder um das erregende Gefühl weiter zu erleben. Es war Letzteres natürlich.
Und wenn ich gerade ein paarmal hin und her gerutscht war, verspürte ich wieder das Bedürfnis, meine Bluse zu richten, so dass ich wie ein nervöses Bündel, wie eine Drogenabhängige auf Entzug ständig beschäftigt war mit irgendetwas.
Mein Sitznachbar sah mich einmal seltsam an. Ich lächelte unverbindlich zurück.
Dann fiel mir siedend heiß das Handy ein. Ich kramte es hastig heraus, was wieder einige Blicke auf sich zog, und stellte es stumm, bevor Liz mir eine SMS schicken konnte. Es dauerte ein wenig, denn mein Handy war mir immer fremd geblieben, und mit all den Funktionen kannte ich mich nicht gut aus.
Es gelang mir jedenfalls, doch kaum hatte ich das Handy auf den Tisch neben mir gelegt, da kam schon die erste.
„Haben Sie es noch rechtzeitig geschafft? ;)“
Ich überlegte, ob ich antworten sollte, versuchte mich auf die Konferenz zu konzentrieren, aber es ging nur um den Haushalt, und da konnte ich beim besten Willen nicht zuhören, zumal sich die Informatiklehrer mit einigen Physiklehrern anlegten und sich fragten, warum irgendwas so teuer sein musste und irgendwas anderes überhaupt angeschafft werden musste.
Also nahm ich wieder das Handy hervor und tippte ein wenig mühsam, weil ich auch im SMS-Tippen nicht geübt war:
„Ja, gerade so! Danke.“
Ich schickte die SMS ab, rutschte wieder auf meinem Sitz hin und her und wartete auf eine Antwort. Diese jungen Leute waren doch ganz schnell im Schreiben von SMS. Sie könnte doch sicherlich sofort antworten, wenn sie wollte.
Wenig später kam dann auch die Antwort:
„Sie waren eben ganz schön heiß. Sie sind immer noch so geil? Ich rieche grade an Ihrem Slip. Yummy!!!“
Sie spielte mit mir. Ich kannte Telefonsex, aber SMS-Sex?
Ich legte das Handy beiseite und versuchte mich wieder der Diskussion zu widmen.
Aber was ich da sah, brachte mich zum Schmunzeln. Ein Haufen alter, verschrumpelter Leute. Graue Haare, wohin man nur sah, Bierbäuche, wohin das Auge blickte. Dazwischen ich, eine der Jüngsten im Kollegium, die gerade dabei war, mit einer Schülerin anzügliche Nachrichten auszutauschen.
Wenn die verehrte Mannschaft gewusst hätte, wer hier ohne Unterwäsche saß? Ich empfand das alles als seltsam animierend, und als meine Bluse wieder ein Stückchen auseinander rutschte, da ließ ich es geschehen. Sollten sie doch einen Blick auf meinen BH werfen. Was war daran eigentlich auszusetzen?
Ich nahm das Handy wieder und tippte:
„Ich habe so ein unbändiges Verlangen nach dir!“ und dann löschte ich wieder alles, selbst das „unbändige“, das so lange zu tippen gedauert hatte, und schrieb:
„Ich bin so geil nach dir, dass ich hier auslaufe!“
Ich weiß nicht, was über mich kam, dass ich meine Eloquenz so beiseiteschob. Ich wollte ihr eine Freude machen, und so benutzte ich ihre Sprache. Dazu kam, dass diese ganze spießige Veranstaltung mir absurder und irrealer vorkam, je länger ich ihr beizuwohnen hatte.
Ihre Antwort kam sofort:
„Lecker. Komm, mach mich an, und ich schenke dir heute den geilsten Orgasmus deines Lebens!“
Mir ging das Herz auf, wenn sie mich duzte. Es schien so viel natürlicher zu sein, und ich hätte es gerne gehabt, wenn sie mich immer geduzt hätte. Stattdessen blieb sie meist bei dem unpersönlichen Sie, um mir meine Unterwürfigkeit zu bescheinigen, obwohl unsere Rollen doch eigentlich genau umgekehrt sein sollten.
Dann tat ich etwas ganz Verwegenes. Ich nahm mein Faulenzermäppchen aus der Tasche und schob es so unauffällig es ging zwischen meine Beine, bis ich genau darauf saß.
Wenn ich mich nun bewegte, massierte es meine Scham.
Ich weiß nicht, was mich dazu trieb, ich fühlte mich irgendwie rebellisch, und eben geil.
Es war ein großartiges Gefühl, und nicht nur das Mäppchen, nicht nur ihre Nachrichten und nicht nur meine Gedanken an sie führten zu diesem warmen Gefühl in meinem Unterleib, diesem Dahinschmelzen. Ich wusste, dass ich Flecken auf der Jeans haben würde. Aber es kümmerte mich nicht. Die Konferenz dauerte noch lange, lange genug, dass diese wieder trocknen konnten, lange genug, dass ich mich nicht mit der Frage auseinander zu setzen hatte, wie ich den Fleck verheimlichen sollte. Zur Not würde ich einfach nach der Konferenz noch etwas sitzen bleiben, bis alle anderen gegangen waren.
„Ich würde gerne deine kleinen, festen Brüste lecken! Du hast die schönsten der Welt!“
Ich spielte mit dem Gedanken, das Wort „Titten“ zu benutzen, aber wenn es um meine kleine Gebieterin ging, konnte ich solch abwertende Worte beim besten Willen nicht über die Lippen oder in diesem Fall über die Finger bringen.
„Danke für das Kompliment. Du bist echt so rattig!“
Ich tippte wieder.
„Ich reite gerade auf meinem Mäppchen und stelle mir vor, es wären deine Finger an meiner Muschi!“
Und dann sie wieder:
„Im Ernst? Du bist mir ja ein kleines Luder! Böses Mädchen!“
Und dann ich wieder:
„Bestrafe mich!“
Und sie:
„Warte nur ab!“
Es ging die ganze Konferenz über so. Es kümmerte mich nicht, dass der ein oder andere seltsame Blick mich traf, weil ich so vollkommen ungeniert SMS schrieb. Andere korrigierten Tests in der Zwischenzeit oder kritzelten auf ihren Blöcken herum. Mein Verhalten unterschied sich nicht komplett von dem vieler anderer Kollegen.
Unsere Korrespondenz ging noch weiter. Ich habe all unsere SMS sorgsam abgetippt und ausgedruckt.
Manches Mal habe ich sie später hervorgeholt, wenn mir danach war.
Es war schade, dass uns keine papiereren Liebesbriefe verbanden. Ich war ein Freund von Briefen, aber Liz Sache war es nicht. Ich hätte gerne mehr Schriftliches gehabt, hätte ihr gerne meine Gedanken so mitgeteilt. Briefe waren einfach so viel intimer. Aber Liz war ein moderner Mensch, der auf das geschriebene Wort nicht viel hielt, und so gibt es zwischen uns nicht viele geschriebene Worte. Da sind die kleinen Zettel, die wir uns schrieben. Ich habe fast alle ausbewahrt.
Als die Konferenz schließlich zu Ende ging, war ich wirklich enttäuscht. Das war die erste Lehrerkonferenz, die ich wirklich genossen hatte.
Ich wartete, bis die meisten Kollegen gegangen waren, bevor ich aufstand.
Eine schnelle Bewegung brachte zutage, dass ich wirklich einen feuchten Fleck auf der Jeans hatte, der sogar größer war, als ich vermutet hatte.
Im Hinausgehen hielt ich die Tasche vor meinen Schritt und kaschierte das Zeichen meiner Erregung so.
Als ich auf den Parkplatz kam, waren die meisten Autos schon weg. In einigen Büros brannte noch Licht, nach einer Konferenz trafen sich immer noch kleinere Teams, die etwas zu besprechen hatten, aber ich hatte an diesem Tag Glück und konnte nachhause.
Als ich zu meinem Wagen kam und gerade einsteigen wollte, kam Liz aus dem Gebüsch. Ich machte ihr schnell die Beifahrertür auf, und sie schlüpfte in meinen Wagen.
Ich war so froh, sie zu sehen, dass ich ihr einen dicken Kuss auf den Mund gab.
In diesem Moment war mir alles egal. Ich musste es einfach tun. Aber sie nahm keinen Anstoß daran, sondern erwiderte meinen Kuss stürmisch.
Ein schneller Blick vergewisserte mir, dass uns niemand gesehen hatte. Dennoch startete ich meinen kleinen Polo und fuhr mit durchdrehenden Reifen von dem Parkplatz.
Ich fühlte mich wie ein Teenager.
Während der Fahrt griff Liz mir zwischen die Beine, erfühlte den Fleck, von dem ich ihr lachend erzählt hatte, und massierte mich dort, während ich fuhr. Einmal traf sie so zielgenau einen Nerv, dass mein rechtes Bein auf dem Gaspedal zuckte und das Auto einen Satz nach vorne machte.
Liz schrie gespielt entsetzt: „Pass auf!“ und wir lachten zusammen laut auf. In diesem Moment gab es nichts, das uns trennte. Nicht das Alter, keinen Beruf, nicht die Rolle, die wir in unserer Beziehung inne hatten. Wir lachten wie zwei Freundinnen, und wenn ihre Hand auf meinem Schenkel auch etwas mehr ausdrückte, so waren wir doch in diesem Moment eins.
Später sollte ich mich fragen, ob wir vielleicht zusammen eine Chance hatten. Ich sollte davon phantasieren, dass wir zusammen auswanderten. Nach Kanada oder Australien. Wenn sie ein wenig Älter wäre vielleicht und nicht mehr wie ein Teenager aussähe, wenn also der Altersunterschied nicht mehr so frappant war. Ich würde irgendwo arbeiten, vielleicht nicht als Lehrerin, weil man dabei besonders streng beäugt wurde. Sie würde irgendwas studieren. Niemand würde Fragen stellen, vielleicht würde der Altersunterschied auffallen, aber man würde nichts sagen. Ich sah für mein Alter noch recht jung aus, Menschen schätzten mich häufig jünger, als ich war. Vielleicht würden wir als ein ganz normales Liebespaar durchgehen können. Lesbisch zwar, aber das war heutzutage ja nun kein großer Makel mehr. Alles andere zwischen uns wäre unsere Privatsache.
Es gab Nächte, da wünschte ich mir das und malte mir eine solche Welt aus. Aber diese Phantasie endete meist in Ernüchterung und sogar Tränen, denn je mehr ich mich dort hinein steigerte, desto klarer wurde mir am Ende, wie wenig wir eine gemeinsame Zukunft hatten, wie aussichtslos unser Unterfangen war und wie klar es war, dass diese Beziehung zwischen uns nur böse würde enden können. Böse für mich in erster Linie.
Aber an diesem Abend gab es keine dieser Gedanken.
Wir fuhren zu mir, gingen hoch in meine Wohnung und hatten kaum die Tür geschlossen, da fielen wir schon übereinander her, umarmten und küssten uns, und auch wenn sie mich gegen die Wand drückte und meine Hände festhielt, so kam es mir vor wie ein Kuss unter Gleichberechtigten.
Von mir aus hätten wir uns da in meinem Flur gleich hinter der Haustür lieben können. Und es war mir auch egal, wenn die Nachbarn im Treppenhaus unser Stöhnen gehört hätten.
Aber Liz war die diszipliniertere von uns beiden, und so stieß sie mich irgendwann von sich und befahl mir das Seil von unserer ersten Begegnung im Stadtwald zu holen und die Augenbinde, die wir auch bereits benutzt hatten.
Sie zog mich in mein Schlafzimmer, sie versuchte mich ans Bett zu fesseln, aber sie war so ungeduldig, dass sie bald aufgab, und wir liebten uns ohne Fesseln als normales Paar.
Es war wirklich eines der schönsten Liebesspiele, das ich je erlebt hatte, und es war romantisch. Ich liebkoste ihren Körper, und er war wie ein Wunderland, das ich mit Fingern, Lippen, Nase und Zunge Quadratzentimeter um Quadratzentimeter erkundete. Ihr Körper war wie ein Altar für mich.
Ich prägte mir jede Einzelheit ein, als würde ich am nächsten Morgen auf die einsame Insel verfrachtet und hätte nur meine Erinnerungen, von denen ich zehren könnte.
Ich kann mich nicht erinnern, je so verliebt gewesen zu sein.
Als ich spät in der Nacht aufwachte, und sie neben mir lag, da betrachtete ich sie, und ich war so ergriffen von ihrem friedlichen und wunderschönen Anblick, dass mir Tränen kamen, die Wange hinunter liefen und ins Kissen tropften.
Hätte ich diesen Moment festhalten können, ich hätte alles dafür gegeben. Es war einer dieser wenigen Augenblicke, von denen man hofft, dass sie nie zu Ende gehen.
Ich ließ sie schlafen, als ich am nächsten Morgen aufwachte. Es war Samstag. Liz lag dort friedlich schlafend und hatte mir den Rücken zugedreht. Ich roch einmal den warmen Duft ihrer Haare und stand dann auf. Ich duschte und ging in die Küche, um uns Frühstück zu machen. Die Sonne schien in die Küche, dass ich die Staubkörner in der Luft sehen konnte, die träge im Nichts schwebten.
Ich war zufrieden, den Duft des Kaffees zu riechen und das Gurgeln der Kaffeemaschine. Es war alles, wie es sein sollte und ich hatte Summertime aus Porgy & Bess im Kopf. Was konnte man mehr verlangen?
Aus dem Schlafzimmer hörte ich Geräusche. Liz musste aufgewacht sein. Ich hörte, wie sie ins Badezimmer ging und die Tür hinter sich zuknallte.
Derweil deckte ich den Tisch, und ich hörte, wie die Dusche angestellt wurde.
Ich sah nach draußen, betrachtete das Treiben auf der Straße.
Schließlich öffnete sich die Badezimmertür und Liz kam heraus.
Mein erster Impuls war, sie zu umarmen und zu küssen, als sie in der Tür erschien, aber ich hielt mich gerade noch zurück. Wir waren nicht in dieser Art und Weise miteinander liiert, und wenn sie es vorzog, mich an diesem Morgen abfällig zu behandeln, würde ich das auch akzeptieren.
Ich würde meinen Kaffee auch aus einem Schälchen vom Boden trinken wie eine Katze ihre Milch, wenn das ihr Wunsch war.
Aber nach der letzten Nacht, so dachte ich jedenfalls, musste sich etwas geändert haben zwischen uns. Es war nicht mehr so wie gestern. Wir waren uns näher gekommen als ich für möglich gehalten hätte, wir waren intimer, als ich es mir erhofft hätte.
Ich war mir sicher, dass sie das ebenso sah.
So hielt ich mich zurück, wünschte ihr nur einen „wunderschönen guten Morgen“ und sah sie erwartungsvoll an.
Ihre rabenschwarzen Haare waren noch feucht und hingen in Strähnen an ihren Schultern herab, dass das Licht bläulich reflektiert wurde. Ihre weiße Haut strahlte im Licht.
„Frühstück?“, fragte ich, doch sie schien in einer vollkommen anderen Stimmung zu sein als ich. Sie blieb stumm, sah mich nur missmutig an und ging dann an die Kaffeekanne, zog sie heraus, obwohl der Kaffee noch durch den Filter tropfte und nun zischend auf der Heizplatte kondensierte und Flecken hinterließ. Dann holte sie sich eine Tasse vom Küchentisch, schüttete sich unkoordiniert ein, dass der Kaffee auf den Boden schwappte.
„Verdammt, ist das heiß!“
Sie sah mich vorwurfsvoll an und ich, irritiert von ihrer schlechten Stimmung, zuckte nur mit den Achseln und lächelte unverbindlich. Was sollte ich sagen? Kaffee direkt aus einer Kaffeemaschine war eben heiß. Was hätte ich dagegen tun sollen?
Ich war vorsichtig geworden. Sie fiel wohl eher in die Kategorie Morgenmuffel.
Liz sah mich herausfordernd an mit der Tasse in der Hand und eine Hand in die Hüfte gestemmt.
Ich wusste nicht, was sie von mir erwartete, also blieb ich still, stand nur dort und sagte nichts.
Schließlich nahm sie noch einen Schluck, diesmal vorsichtiger, verzog trotzdem die Miene und sprach dann, als hätte sie meine Gedanken gelesen:
„Es hat sich nichts geändert zwischen uns.“
Sie stand noch eine Sekunde da, als erwarte sie eine Antwort. Doch ich war zu verwirrt, etwas zu erwidern, und sie schob schließlich ihre Tasse auf die Arbeitsplatte, dass zum dritten Mal etwas heraus schwappte, und verließ meine Wohnung, nicht ohne die Tür zuzuknallen.
Und ich stand da in meiner Küche, ein wenig ratlos, aber mehr noch konsterniert, dass der schöne Morgen ein solch abruptes Ende gefunden hatte. Das hatte ich nun wirklich nicht erwartet.
Mechanisch wischte ich die Flecken weg, die sie hinterlassen hatte, kippte die halbvolle Tasse in die Spüle, schüttete mir selbst eine ein, widerstand aber der ersten Idee, ihre Tasse zu nehmen, sondern nahm eine andere und setzte mich an den gedeckten Küchentisch, ohne aber etwas anzurühren.
Warum war sie so?
Hatte ich etwas Falsches gesagt?
Konnte es sein, dass sie diese besonderen Schwingungen zwischen uns nicht aufgenommen hatte?
Ich wollte über die Fragen nicht nachdenken, war entschlossen, mir den sonnigen Morgen nicht zu verderben.
Aber er war verdorben.
So lief ich durch die Wohnung auf der Suche nach einer Aufgabe für den Tag, kam an meinem Arbeitszimmer vorbei, in dem noch die Vorbereitung einer Konferenz auf mich wartete und zu korrigierende Projekte einer Klasse, aber verwarf die Idee. So räumte ich ein wenig auf, machte Wäsche, um die Zeit totzuschlagen. Als ich ins Bad kam, fiel für einen Augenblick der Gedanke über mich, dass sie vielleicht auf dem Badezimmerspiegel mit Lippenstift eine Nachricht für mich hinterlassen haben könnte. So wie man das in Filmen sah. Aber da war nichts. Auch im Schlafzimmer war kein Souvenir, selbst im Briefkasten unten nicht.
Ich stand unschlüssig in meiner Wohnung und setzte mich dann doch an meinen Schreibtisch und schaffte mehr, als ich mir vorgestellt hatte, einfach weil ich mich in die Arbeit flüchtete.
Aber die Fragen blieben.
Warum war sie so?
Sicher, sie konnte mich quälen, das lag in der Natur unserer Beziehung. Aber sie quälte mich nicht, sie verletzte mich. Und sie tat es nicht versehentlich, sondern aus voller Absicht.
War es zu viel verlangt, in ihrer Dominanz ein Fünkchen Zuneigung zu wünschen? Bedeutete ich ihr wirklich nicht mehr als ein Sexspielzeug? War das für sie alles uninteressant, was ich empfand in dieser Beziehung?
War es vielleicht in all diesen Sado-Maso-Beziehungen so, dass die Devote vollkommen zurückstecken musste und alles akzeptieren musste, was ihr vor die Füße geworfen wurde?
Vielleicht war das so. Wenn ja, dann war das alles offensichtlich nicht das Wahre für mich. Ich war Willens ihr alles zu schenken, was sie von mir verlangte. Aber im Gegenzug für meine fast bedingungslose Loyalität wollte ich ein klein Wenig zurück erhalten. Ich wusste nicht, was das genau war. Vielleicht Anerkennung oder Zuneigung oder Respekt.
Aber Liz in ihren Stimmungsschwankungen sah das offensichtlich anders. Ihrer Meinung nach hatte ich zufrieden zu sein mit all den Almosen, die sie mir gab. Wahrscheinlich hatte ich ihr sogar dankbar zu sein, dass sie sich mit mir abgab. Und wenn sie von einer Sekunde auf die andere ihre Meinung änderte, dann hatte ich das zu akzeptieren.
Bei all diesen Gedanken drehte sich mir der Magen um.
Und doch liebte ich sie. Auch wenn sie diese Liebe vielleicht nicht erwiderte.
„Zieh dich aus, ich will dich benutzen!”
Diese Worte hatte sie hingeworfen wie ihre klitschnasse Jacke über mein teures Sofa aus hellem Stoff.
Ich hatte nicht mit ihr gerechnet. Es war später Nachmittag, und es regnete in Strömen. Kein Mensch war freiwillig auf der Straße. Ich saß an meinem Schreibtisch im Schein der Schreibtischlampe und arbeitete, als sie klingelte.
Als ich die Tür öffnete, stürmte sie einfach an mir vorbei, ging in die Küche, holte ungefragt eine Flasche Rotwein aus meinem Kühlschrank, kramte in einer Schublade, suchte einen Öffner. Ihre Stimmung war nicht gut, daran bestand kein Zweifel. Aber das war ihr auch nicht zu verdenken. Klitschnass bei diesem Regen.
Sie riss die Plastikabdeckung ab und warf sie in Richtung Arbeitsplatte, verfehlte sie aber, sodass das Plastikteil auf den Boden fiel. Dann drehte sie den Flaschenöffner in den Korken und klemmte die Flasche zwischen die Beine in dieser bekannten aber unziemlichen Haltung und riss den Korken mit einem lauten Plopp heraus. Wieder verfehlte sie die Arbeitsplatte, als sie Korken und Zieher auf die Arbeitsplatte warf, wieder landete beides auf dem Boden.
Sie riss einige Schränke auf und knallte sie wieder zu. Mit einem Nicken zeigte ich auf den Schrank mit den Weingläsern. Sie nahm sich ein schweres und teures Rotweinglas, schüttete den Rotwein hinein und trank das Glas in großen Schlucken gleich wieder leer.
Es war nicht der relativ billige Merlot, um den ich besorgt war. Es war ihre Stimmung.
Sie schüttete das Glas gleich wieder voll und stürmte an mir vorbei ins Wohnzimmer. Dabei ließ sie den oben zitierten Satz fallen:
„Zieh dich aus, ich will dich benutzen!”
Ich folgte ihr.
Sie machte sich an der Heizung zu schaffen und drehte sie auf die volle Stufe.
Ich musste mich erst besinnen.
Natürlich freute ich mich, sie zu sehen. Auch in dieser Stimmung.
Ich freute mich immer.
Ich würde mich immer freuen sie zu sehen.
Aber meine Gedanken waren an einem anderen Ort, und das machte es schwer, in die Rolle der devoten Lustsklavin zu fallen.
War das normal? Ging das allen devoten Personen so? Oder gab es welche, die immer und zu jeder Zeit in diese Rolle fanden? Ohne zu zögern?
Ich wusste es nicht.
Es war ja auch einfach nur, dass ich gerade so gut am Arbeiten gewesen war, so viele Dinge im Kopf hatte, die ich noch zu Papier bringen musste, dass es gerade so gut lief. Da war es nicht einfach, das alles fahren zu lassen. Denn ich wusste, was kommen würde, was immer das auch war, würde meinen Verstand dominieren und mich nicht mehr an all die Banalitäten denken lassen, mit denen ich mich beschäftigt und zu beschäftigen hatte.
Ich stand da im Wohnzimmer und starrte auf mein helles Sofa und ihre durchtränkte schwarze Jeansjacke, und dachte an die Flecken, die vielleicht übrig blieben.
Waren das die Gedanken einer Lustsklavin? Auf keinen Fall.
„Mach schon.“
Sie saß auf dem Sofa und hatte die Arme ausladend und machtbewusst über die Lehne gelegt, wie es nur ein Mann machte.
Ein weiterer tiefer Schluck aus dem Weinglas. Ein kleines Rinnsal rann ihr die Mundwinkel hinab auf ihr T-Shirt, das ebenso durchnässt war.
Ich strich über meinen Körper, meine Hüften, meine Taille, blendete die Flecken aus, schloss die Augen. Hatte eine Melodie im Kopf. Billie Holiday, die darüber sang, wie schlecht ihr Mann sie behandelte, und die ihn dennoch liebte.
My man he don’t love me. He treats me oh so mean.
My man he don’t love me. He treats me oh so mean.
He’s the lowest man that I’ve ever seen.
Why did he leave me? Why did he have to go?
Went off and left me, baby I loved him so.
Die traurigste Sängerin der Welt mit der schönsten Stimme der Welt.
Ich strich über meine Brüste unter der Bluse und stellte mir vor, wie ich den betrunkenen Ehemann mit meinen Reizen beschwor, auf dass er mich eben nicht misshandelte. Wie ich mich ihm anbot, ihn zu besänftigen suchte. Wie ich mich ihm schenkte, und mir dafür erkaufte, dass er mir keine Blutergüsse, keine gesprungene Lippe und kein blaues Auge zufügte.
War ich krank?
War ich von Sinnen?
Wie konnte ich, eine erwachsene, aufgeklärte, emanzipierte Frau mir so etwas vorstellen? Wie konnte ich ernsthaft solche Gedanken hegen? Die Fantasien eines unterwürfigen Weibchens, das still erduldete? Was waren das für Atavismen? Welche Sehnsüchte?
Ich schob den Gedanken schnell davon. Schließlich verkaufte ich mich nicht einem betrunkenen, gewalttätigen Kerl, sondern einer betrunkenen Schülerin.
Ich ließ meine Hände über meinen Oberkörper gleiten, schwang die Hüften sanft und verführerisch und spürte durch meine geschlossenen Augen ihre Blicke auf mir, als ich langsam die Bluse aufknöpfte.
„Weißt du, ich habe keinen Bock auf dieses Rumgeschäkere! Mach voran. Ohne Tanzen. Ich will dich sofort nackt!“
Nach einer kleinen Pause fügte sie hinzu.
„Und mach die Augen auf. Ich will dir in die Augen sehen!“
Die Worte schnitten mir ins Herz.
Es waren die kalten Worte eines betrunkenen Grobians. Ich öffnete die Augen und war froh, sie zu sehen. Ihre Weiblichkeit auf meinem Sofa. Mit ihren Haaren, die nass in Strähnen und bläulich scheinend hinunter hingen, wie ihr T-Shirt an ihrem Körper klebte und ihre Brüste betonte.
Wie sie da saß.
Aber sie saß nicht da, wie meine kleine Göttin.
Sie saß anders.
Breitbeinig mit lüsternem und vom Alkohol verzerrten Blick.
Sie war anders.
Warum konnte sie nicht wie eine Frau sitzen? Mit übergeschlagenen Beinen. Bescheiden, wie man das gelernt hatte?
Sie wäre auch in dieser Pose schön und machtvoll gewesen. Elegant, selbst in den nassen und abgerissenen Klamotten.
Warum musste sie so obszön und billig dasitzen?
Wie ein besoffener Hafenarbeiter auf der versifften Couch seiner Sozialwohnung?
Ich zog mich aus.
Ohne Hüftschwung knüpfte ich die Bluse auf und zog sie mir vom Leib.
Ich öffnete den Knopf meiner Jeans, zog die Hose hinunter und den Slip gleich mit in einer Bewegung.
Keine Spielchen.
Kein Anheizen.
Kein Vorspiel.
Es war nur billig.
Ich war nicht in gedimmtes Licht getaucht, sondern stand in dem kalten, unvorteilhaften Schein einer Neonröhre, einer die langsam zu flackern begann.
Und meine Haut schimmerte blau und kalt.
Nicht anregend.
Unvorteilhaft.
Ich musste mich nicht mehr in Stimmung bringen.
Ich war es bereits.
Ich merkte es.
Ich war die billige Putzhilfe mit strähnigen, strohblonden Haaren, die sich ihrem schmierigen Mann hingab, weil der es verlangte.
Keine Romantik, kein Kerzenschein, nicht einmal ein leicht gekühlter Merlot.
Ich schmeckte den ranzigen Biergeruch auf meiner Haut und roch die Milben im abgewetzten Sofa.
Und es geilte mich auf.
Diese Rohheit.
Wie sie mich behandelte.
Wie ein Tier.
Wie ein Stier, der grunzend auf die Kuh aufsteigt, in sie eindringt, ein paar Mal mit den Hüften stößt und dann grunzend seine schmierige weiße Saat in sie spritzt und absteigt und seiner Wege geht.
Was war aus mir geworden?
Ich wollte nicht den warmen Atem des Rotweins auf meiner Haut spüren, sondern die stechende Fahne billigen Schnaps. Ich wollte nicht ihre weichen Lippen auf meinen spüren, sondern die kratzigen Stoppel einer unrasierten Visage, die wie eine Drahtbürste meine Wangen zerkratzten. Ich spürte nicht ihre kleinen, wohlgeformten weichen Brüste mit den Warzen, die so schön hervorstanden, wenn sie erregt waren. Ich spürte den unförmigen Bierbauch mit widerlichen Haaren auf der eingefallenen, bleichen Brust, schwarz wie Spinnenbeine.
Und ihre Finger in meinem Schoß. Die waren nicht zart und einfühlsam. Die wussten nicht, was sie taten. Die bewegten sich nicht so, wie sie es selbst mochten. Die enthüllten keine Informationen darüber, wie sie es selbst mochten. Die wussten nicht, was sie anrichteten, wenn sie über meine Klitoris streichelten. Die Finger in meinem Schoß kneteten hart und unnachgiebig. Ich spürte die Schwielen und den Dreck unter den Fingernägeln.
Die Muskeln, die mich hierhin und dorthin zwangen, wie es ihnen gerade gefiel, waren schwere Arbeit gewohnt. Ich ließ mich dirigieren, ließ mich treiben, ließ mich auf den Wohnzimmertisch werfen, erduldete den schweren Körper auf mir, ließ mich wieder herunter zerren, weil es ihm nicht gefiel.
Ich ließ zu.
Ich ließ alles zu.
Weil ich einfach nichts zu sagen hatte. Ich hatte zu gehorchen. Und ich gehorchte ihm. Wieder auf die Beine. Ließ, mich an die Wand drücken. Die Hand immer hart und unsensibel in meinem Schritt, dirigierte mich, drückte mich. Ich spürte die drahtigen Haare eines Unterarms auf meinem weichen Bauch. Sie rieben wie Schmirgelpapier an mir.
Und es war nicht mein Vergnügen.
Es war ihre eigene Gier nach Erleichterung.
Sie war ein Stück Dreck, und ich war ihr Abschaum.
Und ich genoss es.
Ihr Abschaum zu sein. Sein Abschaum zu sein.
Ein Stück Fleisch, das man sich nahm, wenn das Testosteron brüllte. Nicht fragte, einfach nahm. Achtlos.
Eben wie eine Kuh.
Wie ein Tier.
Und es würde kommen.
Das Testosteron.
Nicht wie eine lang anhaltende Strömung, die immer wieder gegen die Brandung brach, nicht wie das Weibliche, das Schöne, das anhaltend und von Dauer war. Den Schoß erfüllte und überspülte wie die Flut. In Wellen, mal stärker, mal schwächer, bis hin zum Höhepunkt.
Sondern männlich wie eine einzige Explosion. Hart und schnell, aber eben auch schnell dahin. Nicht von Dauer, nicht von Belang.
Einfach und simpel wie ein Stier.
Grunzend, mit einem Mal und einem Stoß.
Billig.
So wollte ich es.
Ich wollte benutzt werden.
Und dann weggeworfen werden.
Nach dem Abspritzen ein dreckiges Keuchen.
Röchelnde Ermattung.
Und dann:
„Bring mir eine Kippe“ oder so, „und’n Bier.
Aber so war es nicht. Auch wenn ich es mir vorstellte. Und diese Vorstellung, die war so stark und so erniedrigend. Ich wollte mich so einem schmierigen Typen hingeben. Nicht wirklich. Ich wollte mich Liz hingeben als solch einem schmierigen Typen. Willenlos. Ich wollte, dass meine Geilheit so stark war, dass sie selbst von solch einem schmierigen Typen angestoßen werden konnte. Ich wollte so billig sein, so vulgär.
Es kam anders.
Ich kam zuerst.
Bei all den geilen Gedanken.
Diesen billigen Gedanken.
Ich kam.
Und schrie.
Wie die strähnige Strohblonde schreien würde. Unbeherrscht. Sie würde sich nicht zurückhalten, würde nicht an die Nachbarn denken oder ihre Erziehung. Sie würde einfach schreien vor Lust.
So schrie ich.
Vor Lust.
Strähniger, strohblonder Lust.
Während die Hand in meinem Schoß wühlte und die andere meine Brüste kneteten. Als wollte sie sie zerquetschen.
Die Hand hielt mich, als meine Knie nachgaben.
Ich konnte es nicht fassen.
Sie hielt mich mit ihrem rohen Griff, wie sie während der Arbeit schwere Stahlträger hielt. Es war ein Kinderspiel für sie.
Und ich schrie und keuchte, wie ich es nie zuvor getan hatte.
Strähnig und strohblond.
Und ich schämte mich für diesen Orgasmus.
Und diese Scham machte ihn nur noch geiler.
Ich weiß nicht, wann ich wieder richtig bei mir war.
Liz war längst gegangen. Hatte ihre Jacke mitgenommen. Der feuchte Fleck auf dem Sofa war der letzte Beweis ihrer Anwesenheit. Lange konnte sie noch nicht weg sein.
Ich lehnte an der Wand mit obszön gespreizten Beinen. Nackt. Erst als die Gänsehaut über meinen Rücken strich merkte ich, dass ich fror. Obwohl Liz die Heizung aufgedreht hatte. Ich stand auf. Draußen regnete es immer noch, und die Tropfen knallten hart an die Fensterscheiben, wuschen in Rinnsalen über die Scheibe.
Ich schüttete den letzten Rest des Rotweins in das Glas, betrachtete die Abdrücke, die Liz' Lippen auf dem Rand hinterlassen hatten. Diese perfekten Abdrücke.
Dann trank ich an einer anderen Stelle, um diese Makellosigkeit nicht zu verwischen. Ich dachte darüber nach, ob ich sie konservieren könnte irgendwie.
Aber es gab keinen Weg, es festzuhalten. Es gab nur die Erinnerung.
Mir war nicht danach, noch zu arbeiten. Ich ging in mein Arbeitszimmer, betrachtete meinen Schreibtisch und schaltete das Licht wieder aus.
Stattdessen legte ich mich auf die Couch und suchte das schlechte Gewissen für meine erniedrigenden Phantasien. Ich konnte es einfach nicht finden. Es gelang mir nicht, mich zu schämen. Immer nur schwirrte in meinem Kopf, wie ich es genossen hatte. Es ging mir nicht aus dem Verstand. Wie ein Ohrwurm, den man nicht ausstehen kann, und der trotzdem nicht verschwinden will.
„Hast du einen neuen Freund?“, fragte mich eine Kollegin unvermittelt und geradeheraus.
Ich wusste zunächst nicht, wie sie auf die Idee gekommen war und vermutete, dass ich mich irgendwie verraten hatte. So sah ich sie argwöhnisch an und fragte:
„Wie kommst du darauf?“
Sie erkannte, dass ich defensiv reagierte und ruderte ein wenig zurück.
„Ich will mich nicht in dein Privatleben einmischen oder so. Es geht mich auch nichts an, wenn es dich stört. Mir ist nur aufgefallen, dass du ausgeglichener bist, besser gelaunt und so. Du beschwerst dich nicht mehr über die viele Arbeit, du jammerst nicht. Morgens kommst du wie der junge Frühling in dieses muffige Lehrerzimmer. Es ist eine Freude, dich so zu sehen. Das meinte ich damit. Und da dachte ich halt, dass sowas einen Grund haben muss. Eine neue Beziehung oder so, war mein Gedanke. Aber ich wollte nicht in deine Privatsphäre eindringen. Tut mir leid, wenn das so rüberkam!“
Nun hatte ich ein schlechtes Gewissen. Ich hatte sofort etwas Schlimmes vermutet, dass ich mich verraten hatte, dass ich aufgeflogen wäre. Irgendetwas dergleichen. Ich hatte sie nicht abweisen mögen, ich hatte ihr kein schlechtes Gewissen bereiten wollen.
„Nein, ist schon gut, du dringst nicht in meine Privatsphäre. Es tut mir leid! Ich wollte nicht irgendwie abweisend erscheinen oder so.“
Aber das Gespräch mit ihr lief nicht gut. Sie verlangte einen Grund für meine gute Laune in der letzten Zeit. Sie sprach es nicht aus, aber ihre Vermutung hing in der Luft und verlangte eine Antwort.
Aber ich wollte dieser Antwort aus dem Weg gehen. Natürlich konnte ich irgendetwas erfinden. Ich konnte einen Mann aus dem Hut zaubern, eine Story fabrizieren. Aber ich wollte diese Kollegin zum einen nicht belügen, zum anderen erschien es mir zu mühsam. Ich würde eine Lüge errichten müssen, würde mich an Details erinnern müssen, würde immer wieder darauf zurückkommen müssen. Im schlimmsten Fall würden wir zum Essen eingeladen und ich müsste erklären, warum er gerade nicht konnte. Ich müsste mir einen Job für ihn erfinden. Am liebsten Arbeiter auf einer Ölbohrplattform in der Nordsee. Dann wäre er schön weit weg. Aber hatten diese Leute nicht vierzehn Tage Rhythmen? Vierzehn Tage Arbeit, vierzehn Tage Urlaub? Ich meinte, etwas dergleichen gelesen zu haben. Aber allein solch ein raubeiniger Typ würde schon nicht zu mir passen, zu einer kunstinteressierten, kultivierten Akademikerin. Oder tat ich nun den Arbeitern auf Ölpattformen unrecht?
Es waren genau diese dummen Gedanken, mit denen ich mich nicht auseinandersetzen wollte. Ich wollte keine Männer erfinden, ich wollte keine Lügengespinste aufbauen, die ich nicht kontrollieren konnte.
Ich wollte all das nicht. Und doch konnte ich auch nicht einfach schroff reagieren und auf meine Privatsphäre pochen. Das würde Misstrauen sähen. Vor allem aber wollte ich nicht mit diesen Fragen konfrontiert sein. Ich wollte die Beziehung zwischen Liz und mir hinter meiner Wohnungstür lassen in meinen vier Wänden. Ich wollte nicht, dass Unbeteiligte mich darauf ansprachen.
Was an mir nagte, war, dass diese Sache eben nicht zu verheimlichen war. Ich konnte nicht davon ausgehen, dass die Sache zwischen Liz und mir auf ewig geheim bliebe.
Was wäre, wenn sie begänne, mit mir ihrer Trophäe zu prahlen? Sie würde vielleicht am Anfang nur Andeutungen machen unter ihren Freundinnen. Aber das würde ihr nicht genügen. Geheimnisse hatten die Angewohnheit, ätzend zu sein. Wie eine Säure. Sie fraßen sich durch die Behältnisse, die sie zurückhalten sollten. Sie fraßen sich durch das Gelöbnis der Verschwiegenheit. Es war nur eine Frage der Zeit. Vertraute ich Liz genug, dass sie es für sich behielt? Ich wusste es nicht. Und was, wenn es mal zu Ende ginge zwischen uns? Wie würden wir auseinander gehen? Als Freundinnen, die gemeinsam zu dem Ergebnis kamen, dass es enden müsse? Ich hatte noch nie eine Beziehung einvernehmlich beendet, und wenn mir andere Menschen erzählt hatten, dass sie das getan hatten, dann hatte ich ihnen nie geglaubt. Einer von beiden blieb immer enttäuscht zurück. Und wie war das in unserer besonderen Beziehung?
Wie trennen sich Menschen in BDSM-Beziehungen? Verlässt der dominante Part, weil es einfach die natürliche Rollenverteilung ist? Kann der devote Part einfach Schluss machen und der Dominanten das Herz brechen?
Schwer vorstellbar war das alles.
Ich konnte mir nicht vorstellen, dass derjenige, der den Starken und überlegenen Part spielte, das einfach so hinnehmen würde, dass der devote Part eine Beziehung beendete. Gab es so etwas? Gab es weinende Dominas, die vor ihren Sklavinnen weinend auf die Knie fielen und darum flehten, nicht verlassen zu werden? Alles sträubte sich gegen diesen Gedanken. Und doch waren auch Dominas nicht aus Stein, nicht gefühllos und kalt.
Mit diesen Gedanken hatte ich mich zu beschäftigen. Einfach nur, weil ich so beschwingt und verliebt durch die Schule tanzte. Was sollte ich tun? Musste ich meine Stimmung dämpfen? Musste ich mein Glück verbergen?
Ich verfluchte es, darauf angesprochen worden zu sein und beschloss, der Kollegin aus dem Weg zu gehen in den nächsten Wochen. Sie würde vielleicht darauf kommen, dass ich nicht darüber sprechen wollte, dass es meine Sache war, wer und wie mein Freund war und auf welcher Ölbohrplattform auf der Nordsee er arbeitete, und wann er frei hatte und wann nicht. Das ging niemanden etwas an!
Basta.
Aber mit Basta war es eben nicht getan. Basta beendet nicht alles. Das nagende Gefühl blieb. Diese Kollegin machte sich Gedanken über mich. Sie hatte mich beobachtet und Schlüsse gezogen.
Sie hatte sich gefragt, warum ich so beschwingt war, sie hatte sich gefragt, warum ich ein Tuch um meinen Hals trug in den letzten Tagen und wie eine Stewardess herumgelaufen war. Sie wusste natürlich, dass darunter ein Knutschfleck versteckt war. Dazu gehörte nicht viel. Was sie nicht wusste, war, dass sie die Lippen kannte hatte, die ihn verursacht hatten.
Sie musste nur Liz und mich einmal im Gang sehen. Sie musste nur mitbekommen, wie wir uns gegenseitig Nachrichten hinterließen. Sie musste nur eine dieser Nachrichten abfangen. Nicht aus Boshaftigkeit, sondern nur aus Neugier. Und schon wäre alles hinüber. Es gab keinen Ort, an dem Geheimnisse so schwer zu verheimlichen waren wie am Arbeitsplatz.
Warum konnte nicht Liz einfach die Schule wechseln? Warum konnte sie nicht einfach schon ihr Abitur in der Tasche und die Schule verlassen haben?
Ich hatte ein schlechtes Gefühl
Gehen Sie nach der Schule in den Baumarkt und besorgen Sie ein paar Rollen Klarsichtfolie, eine Fliegenklatsche …
Ach wissen Sie was, ich besorge das alles selbst. Ich will Sie doch überraschen. Sie werden schon sehen! Ich hoffe, Sie sind nicht zimperlich!
XXX
Dieser Text klemmte unter meinem Scheibenwischer, als ich nach der Arbeit zu meinem Auto kam.
Ich war erschöpft und müde, doch die Nachricht revitalisierte mich sofort. Natürlich war ich froh, von meiner kleinen Peinigerin zu hören. Ich setzte mich in meinen Wagen und drehte den Zettel zwischen meinen Fingern.
Was hatte sie vor? Mit der Klarsichtfolie konnte ich nichts anfangen. Aber die Fliegenklatsche war eindeutig.
Mein erster Gedanke war ablehnend. Ich wollte nicht mit einer Fliegenklatsche geschlagen werden. Ich konnte mir vorstellen, was eine Fliegenklatsche mit voller Wucht geschlagen für Schmerzen verursachte. Und Schmerzen waren nicht meine Sache. Überhaupt nicht. Ich strich über meine Schenkel und dachte daran, wie sie vor Pein brennen würden.
Und dann waren da noch die drei Punkte. Ihre Liste würde noch mehr Gegenstände aufweisen. In Gedanken ging ich gedanklich durch einen Baumarkt und versuchte mir vorzustellen, was dort noch alles für Folterwerkzeuge erhältlich waren, mit denen sie mich peinigen wollte. Mir fiel Vieles ein, und je länger ich durch den Baumarkt mäanderte, desto größer und aberwitziger wurden meine Ideen.
Ich wollte nicht verprügelt werden, nicht traktiert werden, ich wollte keine Schmerzen erleiden, keine Wunden, wollte kein Blut vergießen oder was auch immer sie im Sinn hatte.
Wir hatten Schmerzen nie thematisiert. Wir hatten nie über dergleichen gesprochen und nie hatte ich derartige Gelüste verspürt. Aber natürlich gehörten Schmerzen zu dem gesamten sado-masochistischen Sujet. Vielleicht war das alles nicht mein Geschmack, aber es ging ja auch nicht nur um meinen Geschmack, sondern auch um ihren. Der Gedanke befremdete mich. Wie konnte jemand Spaß daran finden, anderen Menschen Schmerzen zuzufügen? War das nicht etwas, das jeder Zivilisation entgegen stand? Aber wer war ich, der Freude daran empfand, sich zu unterwerfen, andere zu verurteilen?
Aber dennoch blieb die Realität, und da war ich mit einer Entwicklung konfrontiert, die mir nicht behagte. Sollte ich mir ihr sprechen, sollte ich meine Bedenken ihr gegenüber artikulieren? Musste ich ihr nicht vertrauen? Blind vertrauen? Tat ich ihr unrecht? Vielleicht drohte sie nur, vielleicht spielte sie nur mit mir. Wie kam ich dazu, ihr zu unterstellen, dass sie mir wirklichen Schaden zufügen wollte? War es falsch von mir, ihre Motive in Frage zu stellen?
Aus den Augenwinkeln sah ich den Hausmeister kommen. Er pickte den Müll der Schüler wie jeden Tag auf. Ich wollte nicht in ein Gespräch mit ihm verwickelt werden, auch wenn er ein netter Mann war, der gerne mal einen Plausch hielt, um eine Pause einzulegen. Ich legte den Zettel weg, startete den Wagen und fuhr nachhause, ohne eine Entscheidung getroffen zu haben.
Als Liz dann anrief, schlug mein Herz schneller, und ich war gespannt, was sie zu sagen hatte.
Doch es wurde nur ein kurzes Gespräch.
„Ich habe meinen Eltern gesagt, dass ich mit ein paar Freundinnen über das Wochenende wegfahre. Von Freitag bis Sonntagabend gehören Sie mir. Nehmen Sie sich nichts vor!“
Bevor ich etwas erwidern konnte, hatte sie bereits aufgelegt.
Der Gedanke, das gesamte Wochenende mit ihr zu verbringen, machte mich sofort an. Fliegenklatsche oder nicht. Ein Wochenende mit meiner kleinen Gebieterin, was konnte ich mir Schöneres wünschen?
Es kribbelte in mir, und ich stellte erstaunt fest, dass all meine Sorgen und meine Befürchtungen verschwunden waren. Es würde ein besonderes Wochenende, daran bestand kein Zweifel.
Ich setzte mich noch ein wenig an meinen Schreibtisch, arbeitete einige Stunden gewissenhaft, dann legte ich den Rotstift beiseite und machte eine Einkaufsliste.
Zwar wusste ich nicht, was sie vorhatte, aber wir würden etwas essen müssen, wir würden es schön haben wollen, wir würden genießen wollen.
Also stellte ich ein Menü zusammen von Dingen, die schnell zubereitet waren, aber lecker und edel waren in meinen Augen und ging abends noch einkaufen. Ich besorgte rote Rosen und teure Kerzen.
Sie sollte wissen, wie viel ich ihr bedeutete und dass ich dieses Wochenende durchaus hoch hielt.
Also ging ich in die Feinkostabteilung und kaufte Champagner und die teuersten Zutaten, die ich auftreiben konnte, für die schicksten Essen, dich ich mir zutraute.
Als ich so an der Kasse stand, kam mir der Gedanke, dass das alles vollkommen overdressed war, dass sie den Champagner nicht zu würdigen wüsste und die teuren Scampi schon mal gar nicht. Also fuhr ich vom Feinkostladen schnurstracks zum nächsten Supermarkt und besorgte die Dinge, von denen ich annahm, dass junge Menschen sie mochten. Schließlich machte ich noch einen kräftigen Umweg und fuhr ins einzige McCafe der Stadt, um dort ein paar Stücke des Schokokuchens zu kaufen und gleich noch mir einen Latte Macchiato zum Mitnehmen zu genehmigen. Ich erinnerte mich, dass Liz mal gesagt hatte, dass es nichts Besseres als diesen Schoko-Kuchen aus dem McCafe gäbe. Als ich ihn hatte, kam mir der Gedanke, dass sie vielleicht nach Sahne verlangen würde, und so fuhr ich noch einmal zurück in den Supermarkt um richtige Sahne zu kaufen. Ich hatte nur diese Sprühsahne im Angebot, aber die war unter unserem Wochenendniveau. Ich würde für uns die Sahne frisch schlagen, das war Ehrensache.
Ich schleppte meinen Einkauf also hinauf in meine Wohnung und musste die Nachbarin beruhigen, die meinte, ich würde eine Party veranstalten.
Als ich dann alles hochgeschleppt hatte, fiel mir ein, dass ich mir vorgenommen hatte, meine Kollektion an Unterwäsche noch ein wenig aufzumöbeln. Also setzte ich mich wieder in den Wagen und fuhr in den Dessous-Shop, wo ich mich ausgiebig beraten und noch ausgiebiger meine Kreditkarte bluten ließ. Während ich mit der Verkäuferin sprach, die sehr höflich und nett, aber einen Tick zu stark geschminkt war, musste ich immer an mein Geheimnis denken. Denn während die Verkäuferin mich fragte, was mein Freund wohl schick fände, dachte ich an meine Freundin. Und in der Tat verplapperte ich mich einmal und sprach von ihr statt von ihm. Es fiel mir erst drei Sätze später auf, dass ich mich verraten hatte, aber ich machte mir nichts draus. Die nette Verkäuferin hingegen sah mich von da an etwas anders an und vermied irgendwelche Pronomen, die das Geschlecht des Ziels meiner Begierde verrieten. Das nun wieder fand ich amüsant, und ich fragte mich, ob diese Blicke, die sie mir von nun an zuwarf, abschätzig oder im Gegenteil gar anzüglich waren. Wollte sie mich anmachen oder verurteilte sie mich für meine gleichgeschlechtlichen Vorlieben?
Ich kam zu dem Schluss, dass eine Verkäuferin in einem Dessous-Laden eine liberale Grundeinstellung haben musste, und ich kam auch zu dem Schluss, dass eine attraktive Verkäuferin in einem Dessous-Laden nicht gleich jeder Kundin hinterher stieg.
Jedenfalls war ich in guter Stimmung und gab mehr aus, als ich vorgehabt hatte. Die Komplimente der Verkäuferin, die ich einheimste, hatten daran sicherlich keinen geringen Anteil.
Als ich schließlich abends zuhause ankam an und alles für die kommenden Tage erledigt hatte, da legte ich mich auf meine Couch, öffnete eine der teuren Rotweinflaschen, die eigentlich für den folgenden Tag bestimmt waren, trank und starrte zufrieden an die Decke und freute mich über meine gute Stimmung.
Ich hatte mich wirklich verändert, genau wie meine Kollegin vermutet hatte. Ich hatte mich verändert und zwar zu nichts als zum Guten.
Der Freitagvormittag verging langsam, elendig langsam, denn die Schüler waren längst auf das Wochenende eingestellt und hatten kein Interesse an Unterricht, und ich konnte nicht die Extra-Energie aufbringen, die notwendig gewesen wäre, sie noch zu animieren. So brachten wir die Stunden relativ entspannt um in einer Art Nichtangriffspakt. Ich triezte die Schüler nicht zu sehr, und sie gingen mir nicht zu sehr auf die Nerven. Schließlich klingelte es zum Ende der sechsten Stunde, und die Klasse war schon aufgesprungen und hatte den Raum verlassen, bevor ich meinen letzten Satz vollendet hatte. Ich sah es ihnen nach.
Als ich meine schwere Tasche ins Lehrerzimmer schleppte, um das Klassenbuch wegzustellen, waren die meisten Lehrer schon längst abgerauscht ins Wochenende, und auch ich wollte mich nicht länger als nötig in dem muffigen Zimmer aufhalten und fuhr schnell nachhause
Dort angekommen, stellte ich meine Tasche ab und wollte noch eine schnelle Dusche nehmen, um frisch zu sein und die Schule von mir zu waschen.
Doch ich war gerade gut darunter, mein Körper war klitschnass, als ich unter dem Prasseln des Wassers die Klingel hörte. Und so sprang ich aus der Dusche mit klopfendem Herzen, warf mir den Frottee-Bademantel über, und rannte zur Tür.
Ich drückte ihr über die Sprechanlage die Haustür unten auf, doch sie stand schon oben an der Wohnungstür und klopfte.
Durch den Türspion sah ich sie an der Wand lehnen mit einer Zigarette im Mundwinkel.
Wenn meine Nachbarin das sähe, dass jemand im Treppenhaus rauchte, würde sie zetern und sich schrecklich aufregen. Ich strich mir schnell die nassen Haare zu Recht, zupfte an dem Bademantel, als würde ich damit etwas an meinem Aussehen ändern und machte auf.
Liz blieb stehen.
„Hallo! Komm doch rein.“
Sie rührte sich nicht, sog an ihrer Zigarette und blies den Rauch in meine Richtung. Wieder diese Pose, die sie aus irgendeinem Film geklaut haben musste.
„Sie lassen mich warten?“
Die Zigarette klemmte bei diesen Worten immer noch zwischen ihren Lippen und wackelte bedrohlich hin und her.
„Tut mir leid, ich war gerade unter der Dusche. Hast du lange gewartet?“
Sie antwortete nicht, sondern stieß sich lässig von der Wand ab und trat auf mich zu, dass ich dachte, sie würde mir einen Kuss geben, schlüpfte dann aber lasziv an mir vorbei in die Wohnung.
„Bringen Sie die Tasche mit rein!“, sagte sie. Ich sah mich um und fand auf dem Treppenabsatz wirklich eine schwarze Sporttasche, wie sie in amerikanischen Thrillern von den Schurken getragen wurden. Meist enthielten sie Geldbündel oder Waffen.
Ich folgte ihr in mein Wohnzimmer, wo sie sich auf meiner Couch breit gemacht hatte, die Beine lässig übergeschlagen, den Arm besonders cool über die Lehne der Couch ausgestreckt. Sie versuchte auszusehen wie eine Mafiachefin beim wöchentlichen informellen Meeting. Auf mich jedenfalls machte es in diesem Moment Eindruck. Ich sah sie an in all ihrer demonstrierten Lässigkeit und Macht. Und ich konnte nicht erwarten, was sie mit mir tun sollte.
Ich stand unschlüssig vor ihr, die schwarze Tasche mit ihren Folterutensilien immer noch in meiner Hand, und sie sah mich an.
Mir kam dieses Lied in den Sinn von Melissa auf der Maur, das ebenso langsam und trocken daher kam, und das aussagte, was Liz‘ Körperhaltung in diesem Moment ausdrückte.
I like your eyes.
I like your shape.
And I could easily overpower you.
I won’t say a thing.
I won’t tell a soul.
But I could easily overpower you.
„Geben Sie mir die Tasche!“
Ich gehorchte und trat dann wieder einen Schritt zurück.
Dieser kalte Blick, den sie mir schenkte!
„Sie müssen ja schon ganz rattig sein, wenn Sie hier halbnackt rumlaufen. Sie sind doch bestimmt gerade erst aus der Schule gekommen oder nicht? Und das erste, das Sie tun, ist die Klamotten abzulegen und hier nackt in ihrer Wohnung rumzulaufen. Ein bisschen nuttig wirkt das schon, finden Sie nicht?“
Ihre Worte schnitten wieder in mein Fleisch, aber ich genoss die kalte Klinge ihrer Worte an meiner Seele.
Ich blieb ihr eine verbale Antwort schuldig und zuckte nur mit den Schultern, wusste aber auch nicht, was ich damit sagen wollte.
Sie ließ es mir durchgehen.
„Wenn Sie schon so scharf darauf sind, sich zu zeigen, dann zeigen Sie sich mir! Machen Sie den Gürtel Ihres Bademantels auf!“
Ich gehorchte.
Sie hatte mich bereits nackt gesehen, und doch war es immer wieder dieses eigenartige Gefühl des Ausgeliefertseins. Da saß diese kleine Göre, die ich eigentlich zu unterrichten und zu beurteilen hatte. Und diese kleine Göre kommandierte mich herum. Sie befahl, und ich gehorchte ihr blind. Sie saß dort angezogen und lässig, als sei nichts, und sie befahl mir, mich vor ihr zu entblößen, mich vor ihr zu erniedrigen.
Ich hatte es zuvor schon getan, aber ich hatte mich bis jetzt nicht daran gewöhnt. Und ich hoffte, dass ich mich für lange Zeit auch nicht daran gewöhnen würde. Ich wollte dieses Gefühl der Scham vor ihr wieder und wieder erleben. Ich war geradezu süchtig danach.
So stand ich vor ihr, öffnete den Gürtel und ließ den schweren weißen Stoff beiseite gleiten. Er öffnete sich nur ein wenig, aber Liz würde meinen Körper zu sehen bekommen, wenn ich mich bewegte. Ich widerstand dem Drang, selbst einige Schritte zu machen, um diesen Prozess zu beschleunigen. Ich wollte ihr nicht den Eindruck vermitteln, wirklich wie ein Flittchen mich ihr zeigen zu wollen. Ich wollte lieber die Keuschheit und Scheu verkörpern.
Sie sah mich an und nickte triumphierend.
„Sie sind neugierig, was hier drin ist?“
Sie legte ihre Hand auf die schwarze Tasche.
Ich nickte.
Dann erinnerte ich mich an meine Sorgen bezüglich der Schmerzen und fügte hinzu:
„Ich habe ein wenig Angst, was darin sein könnte.“ Ich erschrak ein wenig über meine belegte Stimme und musste mich räuspern.
„Angst?“ Liz klang überrascht, und ich wurde mir erst da bewusst, dass ich gerade einen sehr intimen Gedanken offenbart hatte.
„Angst sollten Sie auch haben!“ Sie lächelte spöttisch. Ich hatte gehofft, dass sie mir ein Zeichen der Entwarnung geben würde. Aber den Gefallen tat sie mir nicht.
„Dann wollen wir mal sehen, was ich alles Schönes mitgebracht habe!“
Sie zog den Reisverschluss geräuschvoll auf und kramte in der Tasche herum.
Das erste, was sie herauszog, waren zwei kleine Metallteile, die ich zunächst gar nicht einordnen konnte.
„Was sind das denn hier für kleine Freunde? Krokodilklemmen!“
Ich musste schlucken. So etwas hatte ich erwartet.
„Kommen Sie her und sehen Sie sich die Kleinen mal an!“
Sie lachte spöttisch und ich trat zwei Schritte näher und bückte mich zu ihr herunter. Sie hielt mir die kleinen schimmernden Teile vor die Augen und öffnete und schloss sie, und ich sah nun auch die Zähne.
„Ich glaube, die Kleinen sind hungrig oder besser durstig? Egal, die wollen mal an Ihnen probieren!“
Sie griff in den offenen Bademantel und packte meine linke Brustwarze.
Ich war überrascht über ihre kalten Finger und den kräftigen Griff, der keinerlei Zärtlichkeit in sich hatte.
„Sie sind ja echt ein kleines Luder! Ihre Nippel sind steinhart!“
Natürlich waren sie es, schließlich scheuerte ja der Stoff des Bademantels dagegen.
Sie zog mich an meiner Brustwarze zu sich, ließ ein letztes Mal die Klammer vor meinen Augen auf und zu schnappen, und dann biss das Metall in meine Brustwarze.
Ich sog den Atem ob des Schmerzes tief ein.
„Fühlt sich gut an? Dann habe ich hier noch eine!“
Es erniedrigte mich, wie bereitwillig ich ihr meine andere Brust hinhielt und wie sie ihre Witze machte. Und dann biss auch die zweite Klammer in meine Brust, und der Schmerz jagte durch meinen Körper.
„Tut gut nicht? Keine Sorge, es wird noch besser!“
Sie ließ mich los, und ich richtete mich langsam auf. Der Schmerz der Klammern ebbte langsam, aber nur sehr langsam ab.
„Geht’s schon wieder? Sie sind eine Spielverderberin! Hüpfen Sie mal ein bisschen!“
Ich sah sie konsterniert an.
„Kommen Sie schon! Ein bisschen Bewegung wird Ihnen gut tun!“
Also hüpfte ich, und der Schmerz, der gerade zu einem dumpfen, tauben Pochen abgeklungen war, brach wieder hervor.
„Sehen Sie, geht doch! Ach, wir werden so viel Spaß haben! Das hier ist noch die Kuschel-Variante. Ich könnte auch noch Gewichte dran hängen. Wie fänden Sie das?“
Ich antwortete nicht.
„Bringen Sie mir mal ein Bier. Ich habe Durst!“
Ich war froh, ihr einen Moment entkommen zu können und drehte mich schon um, aber sie hielt mich zurück.
„Und ich möchte Sie dabei hüpfen sehen. Richtig schön auf und ab bei jedem Schritt. Kriegen Sie das hin?“
Ich antwortete wieder nicht, sondern hüpfte, wie sie es gefordert hatte. Es war lächerlich, es war demütigend. Ihr Lachen verfolgte mich bis in die Küche, und jeder Hüpfer zerrte an meinen Brustwarzen und brachte neuen Schmerz. Ich griff in den Kühlschrank, griff vorbei an dem teuren Rotwein und nahm stattdessen eine dieser braunen, bauchigen Flaschen heraus, die etwas ganz anderes verkörperten. All die schönen Vorbereitungen, ich ahnte es schon, waren umsonst gewesen. Den Feinkostladen hätte ich mir sparen können. Stattdessen hätte es gereicht, an einer Tankstelle Bier und Chips zu besorgen und vielleicht die Telefonnummer eines billigen Chinesen, der ranzigen Essens-Brei in Alu-Schachteln liefert. Ich seufzte, aber ich war es auch selbst schuld. Wie war ich auf den Gedanken gekommen, dass sie kulinarische Feinheiten zu schätzen wusste. Sie war halt ein Teenager.
Als ich den Kühlschrank schloss, fasste ich einmal an die Eisschicht an der Seite und berührte mit meinen kalten Fingern meine Brustwarzen, um den Schmerz ein wenig zu kühlen. Es nützte nicht viel.
Dann ging ich zurück und erst im Flur begann ich wieder, diese Bewegung, die so lächerlich aussah.
Ich reichte ihr die Flasche und das Glas, aber sie begnügte sich mit der Flasche und nahm einen tiefen Schluck. Ein kleines Rinnsal bahnte sich seinen Weg ihren linken Mundwinkel hinunter.
Ich empfand Abneigung gegenüber dem, was hier gerade passierte.
Liz wischte sich mit dem Handrücken den Mund ab und fuhr dann damit über ihr T-Shirt. Dann zog sie an ihrer Zigarette, blies den blauen Rauch in mein Wohnzimmer und meinte trocken:
„Wenn Sie nicht wollen, dass ich Ihr Sofa versaue, bringen Sie mir besser einen Aschenbecher. Aber vergessen Sie Ihr Känguru-Gehüpfe nicht!“
Ich sagte nichts, drehte mich um und begann erneut mit dieser erniedrigen Prozedur, zumindest bis ich im Flur und außerhalb ihrer Sichtweite war. Dann ging ich in die Küche und holte ihr einen Untersetzer. Einen Aschenbecher hatte ich nicht. Ich konnte den Gestank kalten Zigarettenrauches in der Wohnung nicht ausstehen. Ich brachte auch gleich noch ein Bier aus dem Kühlschrank mit, denn bei dem Zug, den sie an den Tag legte, wollte ich nicht noch ein weiteres Mal den Weg machen müssen.
Der Schmerz in meinen Brustwarzen war zu einem dumpfen Pochen abgeklungen, das aber immer wieder zu einem kleinen Feuer angefacht wurde, wenn ich mich hastig bewegte.
Als ich zurückkam, hätte ich das alberne Hopsen fast vergessen, begann aber noch rechtzeitig, dass sie keinen Verdacht schöpfte. Ich kam gerade rechtzeitig, um zu sehen, wie sie die Zigarette abschnippte und die Asche auf meinen weißen Flokati fiel. Sie hatte die Bierflasche fast leergetrunken und starrte auf die Asche, die sie mit ihrem Schuh in den Teppich drückte.
Es war nichts, das nicht mit einem Staubsauger und eventuell etwas Teppichreiniger zu beseitigen war. Dass der Teppich empfindlich war, hatte ich immer gewusst, aber es war auch nicht notwendig, meinen Teppich zu versauen.
Ich stellte den Unterteller auf den Tisch vor ihr und gab ihr auch das Bier.
Sie rülpste und sah mich dann auffordernd an, als erwartete sie eine Zurechtweisung. Aber ich sagte nichts, ich stand nur da.
„Wenn Sie sich jetzt sehen könnten! Jede Zelle ihres geilen Körpers hasst das hier! Mein ganzes Benehmen, alles! Sie könnten platzen. Ich sehe es Ihnen an! Und doch ertragen Sie es. Weil ich es so will.“
Sie schwieg und sah mich inquisitiv an.
„Ich würde gerne wissen, was in Ihnen vorgeht. Wie kann man nur so sein wie Sie?“
Ich zuckte leicht mit den Achseln und spürte wieder das Brennen an meinen Nippeln.
Sie schüttelte den Kopf und lachte, dann nahm sie einen weiteren tiefen Schluck aus der Bierflasche.
„Aber eigentlich ist es auch vollkommen egal. Es geht nicht um Sie. Es geht nur um mich. Richtig?“
Ich deutete ein Nicken an.
„Richtig?“ Ihre Stimme klang nun scharf.
„Das ist richtig.“
„Das ist richtig.“ Sie lachte. „Sie sind echt ein Flittchen! Hinter Ihrem ganzen Gehabe, hinter dem ganzen Klugscheißen und Ihrer schicken Wohnung mit dem schönen weißen Teppich sind Sie doch nichts als ein geiles Flittchen, das es so sehr nötig hat, dass es sich mit einer Schülerin anlegt.“
Aus ihrer Stimme quoll Verachtung. Es war nicht gespielt, sie meinte es so. Ich konnte es riechen, wie ich ihren Atem mit Bier und Zigarettengestank roch.
Sie sah mich eine Weile stumm an, und ich, unschlüssig, was sie von mir erwartete, starrte auf den Boden in einer demütigen Geste. Ich wollte, dass sie mit diesen Kommentaren aufhörte.
Sie musterte mich eine Weile.
Schließlich stand sie mit einem Ruck auf, packte mich bei den Haaren und zog mich hinter ihr her in den Flur vor den großen Spiegel.
Sie stand hinter mir, meine langen Haare um ihre Faust gewickelt, ganz nah neben mir.
„Sehen Sie sich an!“
Ich wehrte mich erst, aber dann hob ich meinen Blick und sah mich im Spiegel.
Ich stand da, unzüchtig in meinem offenen Bademantel wie ein Stückchen Elend, die linke Brust entblößt, an der immer noch die Krokodilklemme hing. Allein der Anblick verursachte mir schon Schmerzen. Mein Körper leuchtete in dem Neonlicht des Flurs unvorteilhaft bleich.
Es war ein trauriges Bild, das ich abgab, da hatte sie zweifellos recht.
Dahinter als Kontrast stand sie. Liz sprühte vor Energie, ihr schwarzes T-Shirt hob sich vor meiner weißen Haut ab, wie ihre schwarzen Haare sich von meinen blonden abhoben. Sie schimmerten fast ein wenig Blau wie in einem Comic.
Ihr Griff in meinen Haaren symbolisierte ihre Macht über mich. Ihre ganze Haltung strotzte vor Energie und Haltung.
Unsere Blicke trafen sich im Spiegel. Mein Bild der Unterwerfung, ihres der Stärke. Sie wirkte wie eine Löwin, die ihr Opfer niedergerungen hatte und nun den letzten Biss in die Halsschlagader ihres Opfers hinauszögerte. Dann küsste sie mich auf den Hals. Nein, ein Kuss war es eigentlich nicht, es war ein Biss. Ich spürte ihre Zähne, ich hörte, wie sie saugte.
Ihre rechte Hand hielt derweil meine Haare fest im Griff, ihre Linke fuhr hektisch und erratisch über meinen Körper, meinen Bauch, meine Hüften.
Ich wollte mich dem hingeben, was ich gerne als Kuss interpretiert hätte, aber ihre Stärke und das Suchen ihrer Hand faszinierten mich, denn sie degradierten mich zu einem Objekt.
Ich hatte mit diesem Begriff der Frauenbewegung nie viel anfangen können. Nun machte er plötzlich Sinn. Es ging ihr nicht um mich, um meine Gefühle, um was auch immer. Es ging ihr nur darum, mich zu besitzen. Ihr Knutschfleck war kein Zeichen von Zuneigung, sondern wie ein Brandzeichen, ein Symbol, dass ich ihr gehörte. Sie hinterließ ihre Spuren auf meinem Körper. Ihre Hand, die über meinen Körper glitt. Es war sonderbar. Ich fragte mich, was sie suchte.
Ich ließ es geschehen.
Schließlich riss sie meinen Kopf zu sich, und unsere Lippen trafen sich. Ich schmeckte den Bier- und Zigarettengeruch ihres Atems, ihre Zunge drang tief in meinem Mund ein und ergriff Besitz von meinem Körper. Ich schloss die Augen und genoss es, genoss es alles. Meine Knie begannen zu zittern, aber ihr Griff blieb fest und unerbittlich. Er hielt mich.
Ich vergaß mich, vergaß mich in dem Kuss.
Und dann wie ein Blitz plötzlich der Schmerz.
Sie hatte die Klemmen von meinen Brüsten geschlagen und das Blut, das in die geschundenen Warzen schoss, wusch den Schmerz in mein Hirn.
Ich sog die Luft tief ein, schlug die Zähne aufeinander vor Überraschung, dass ich fast auf ihre Zunge gebissen hätte.
Mein ganzer Körper versteifte sich. Ich bemerkte, wie ihre linke Hand meiner erhärteten Bauchmuskeln erfühlten.
Ich wollte mich wegdrehen, zusammenkrümmen, um dem Schmerz zu entgehen, aber sie ließ es nicht zu.
Stattdessen drängte ihre Zunge wieder in meinen Mund und ich hörte ein gutturales Lachen.
Sie verstärkte den Griff in meine Haare und griff nun roh nach meinen Brüsten, die in Flammen standen vor Schmerz.
Ich zuckte zusammen, als sie sie betatschte.
Der Schmerz ließ nur langsam nach.
Schließlich löste sie sich von mir, zwang mich erneut zu einem Blick in den Spiegel und sprach:
„Sehen Sie sich an! Das sind Sie, ein kleines Flittchen, das sich zur Nutte machen lässt und sich daran auch noch aufgeilt!“ Sie lachte, und in meinen Augen formten sich zwei kleine Tränen.
„Ich werde es Ihnen zeigen!“
Sie zerrte mich grob zurück ins Wohnzimmer an meinen Haaren und schubste mich auf den Boden, auf den Flokati vor meinen Wohnzimmertisch.
Ich blieb dort liegen und wischte die Tränen weg, während sie in ihrer Tasche kramte. Ich wollte nicht, dass sie mich weinen sah. Ich wollte nicht, dass sie meine Schwächen so eindeutig sah.
Ich wollte das alles nicht.
Ich wollte es nicht.
Und doch hätte ich es um alles in der Welt nicht stoppen können.
Ich konnte es nicht.
As ich das zischende Geräusch hörte, wusste ich sofort, was Liz dort in der Hand hielt. Es war die Fliegenklatsche, die ursprünglich ich hatte besorgen sollen. Ein billiges Teil mit einem schwarzen Heft und einer gelben Schlagfläche aus Plastik. Nicht einmal einen Euro, hätte ich vermutet, hatte das Teil gekostet.
Aber das Geräusch, das es machte, als es mit voller Wucht geschlagen wurde, war beängstigend. Eine Gänsehaut ergoss sich über meinen Rücken.
„Ich werde Ihnen Ihren Platz zeigen!“
Die Stimme war noch kälter als zuvor schon.
„Sie haben die Wahl. Ich habe Handschellen dabei, die waren nicht ganz billig, aber das war es mir wert. Mit denen kann ich Sie an diesen schicken Couchtisch fesseln. Oder Sie sind ein braves kleines Mädchen und legen sich freiwillig darauf und halten still. Sie haben die Wahl!“
Da war nun also die Situation. Da war die Fliegenklatsche, da waren die bevorstehenden Schmerzen. War da meine Gelegenheit, meine Stimme zu erheben und meine Bedenken zu artikulieren?
Ich schwieg.
Ich hätte etwas sagen sollen, aber ich schwieg. Vielleicht, weil ich die Optionen abwägen wollte. Handschellen oder still halten. Ich war mir schnell sicher, was es sein sollte. Der Gedanke, von ihr gefesselt zu werden und vollkommen schutzlos zu sein, missfiel mir in diesem Augenblick. Ich wollte zumindest ein wenig Kontrolle behalten. Auch wenn ich zugeben musste, dass ich beim Masturbieren Phantasien dieser Art gesponnen hatte. Mit mir an das Bett gefesselt, ihren Streicheleinheiten schutzlos ausgesetzt zu sein. Aber hier ging es um Schläge, und das war etwas vollkommen anderes.
„Ich verzichte auf die Handschellen“, antwortete ich trocken.
„Na, na, na! Das reicht mir aber noch nicht. Das ist doch ein Privileg, das ich Ihnen gewähre. Sie sollten da ein wenig höflicher sein!“
Ich verharrte immer noch auf dem Boden und war froh, dass ich ihr nicht ins Gesicht schauen musste.
„Ich danke dir vielmals, dass du ich nicht an den Tisch kettest und mir die Wahl lässt.“
„Ich danke dir vielmals!“ Sie äffte mich wieder nach. „Ach, Sie sind mir eine! Aber ich bin mir sicher, dass ich ihr Gehabe ganz schnell aus Ihnen raus prügeln kann. Wollen wir wetten?“
Ich schwieg.
„Und jetzt runter mit dem Bademantel und auf den Tisch. Und zwar so, dass der dicke Arsch schön in die Luft zeigt!“
Wieder so eine Beleidigung meines Körpers. Aber ich gehorchte.
Ich stand auf, ließ den Bademantel von meinen Schultern gleiten und legte mich auf den Tisch. Das kalte Metall ließ meine Haut erschrecken und meine geschundenen Brustwarzen begannen bei der Berührung sich gleich wieder zu melden.
Es war eine ungewohnte, eine unangenehme Position und eine, die, da war ich mir sicher, erniedrigend aussah. Ich rutschte hin und her, um mich ein wenig auf dem Platz einzurichten.
„Mannomann, Sie haben ja echt einen dicken Arsch, wenn Sie so da liegen! Aber mir ist es recht, dann muss ich nicht so genau zielen!“
Ich hörte, wie sie einen tiefen Schluck aus der Bierflasche nahm und diese dann neben mir auf dem Couchtisch abstellte.
„Na dann wollen wir mal! Was meinen Sie, wie viele wollen Sie?“
Ich schwieg.
„Sie haben Recht, warum sollten wir uns da vorher festlegen? Ich haue einfach drauf, bis mir die Hand wehtut!“
Sie lachte.
Es war ein dreckiges Lachen.
Und dann zischte die Fliegenklatsche durch die Luft. Alles in meinem Körper, alle Muskeln zogen sich zusammen, und ich erwartete den Schmerz. Aber ich spürte nur den Luftzug an meinem Po.
Sie lachte wieder.
„Sie sind schreckhaft, was? Ich wollte mich nur etwas warmmachen. Wissen Sie ich…“
Sie hörte mitten im Satz auf, und dann hörte ich wieder das Zischen. Diesmal unvermutet und überraschend, und ich hörte auch das Klatschen auf meine linke Pobacke. Und wenig später spürte ich den Schmerz. Ein heißer, warmer, oberflächlicher Schmerz, der sich schnell ausbreitete. Ich zuckte zusammen. Der Schmerz war stechend und intensiv.
„Da habe ich sie überrascht, was?“
Sie lachte wieder ihr dreckiges Lachen.
Dann landete der nächste Schlag diesmal auf meiner rechten Backe. Ich hatte das Zischen gehört, ich hatte den Atem angehalten und gehofft, dass sie nicht wieder auf die gleiche Stelle schlagen würde.
Diesen Gefallen tat sie mir. Dafür aber wurde der Hieb aber auch härter ausgeführt. Der Schmerz breitete sich weiter aus, und ich war mir sicher, dass ich nicht viel würde ertragen können, wenn sie weiter so auf mich einprügelte.
„Eigentlich hätte ich gerne, dass Sie mitzählen. Was halten Sie davon?“
„Ich finde das eine gute Idee“, presste ich heraus, und dann: „Zwei“.
„Ich glaube, wir sollten noch einmal von vorne anfangen. Was halten Sie davon?“
Ich hasste sie in diesem Moment. Warum tat sie so etwas? Wie konnte ein Mensch nur so sadistisch sein?
Bevor ich antworten konnte, hörte ich schon wieder das Zischen und die Explosion des Schlages, dieses Mal wieder auf meiner linken Backe.
Ich presste mühsam eine „Eins“ heraus und fühlte, wie die Pein abklang, in dem er sich in meinem ganzen Körper verteilte.
„Na, wie fühlt sich das an?“
Wieder das Zischen, wieder die Explosion der Schmerzen, der Hitze.
Ich zählte und biss die Zähne zusammen. Ich zählte und zählte und kämpfte gegen die Tränen an. So viel Blöße wollte ich mir nicht geben, und ihr wollte ich den Triumph nicht gönnen.
Aber ihre Schläge ließen nicht nach. Das Zischen ließ nicht nach. Ihre Kommentare wollte sie nicht sein lassen.
Ich zählte und merkte, wie meine Stimme zu brechen begann. Ich versuchte mich zusammen zu reißen, ich wollte stark bleiben. Tränen liefen mir über die Wangen. Es war mir egal, sie sah mein Gesicht nicht. Nur meine Stimme sollte halbwegs stark bleiben.
Aber ich hatte keine Chance. Je länger ich mich sträubte, desto schneller schlug sie auf mich ein. Mal härter, mal weniger hart, aber es ließ nie nach. Mal schlug sie zweimal hintereinander auf die gleiche Stelle, mal variierte sie.
Ich zählte mechanisch. Es war mehr ein Schluchzen, ich konnte meine eigenen Worte nicht verstehen.
Irgendwann ging es nicht mehr. Ich ertrug es nicht mehr. Mein Fleisch war so roh geprügelt, meine Schmerzen so wahnsinnig, dass ich nicht mehr zählte, ich wiederholte nur noch ein einziges Wort, das aber im Brei meiner Tränen, meiner Stimme nicht mehr zu hören war.
„Bitte“
„Bitte“
„Bitte“
Ich winselte um Gnade.
Was ich mir nie hätte vorstellen können, tat ich nun. Ich winselte, ich bettelte um Gnade. Ich ließ es zu, dass eine Rotzgöre mich verprügelte, mir Schmerzen zufügte, wie ich sie im Leben nie ertragen hatte. Ich ließ das alles geschehen. Nicht, weil es mir einen Kick gab, es mich geil machte oder dergleichen. Sondern weil …
Die Wahrheit war, dass ich es nicht wusste. Ich ließ es einfach geschehen, weil sie es wollte, weil es ihr gefiel. Ich hätte mich von dem Tisch rollen können, ich hätte mich ihr verweigern können. Stattdessen ließ ich alles geschehen und winselte um Gnade.
Die Tränen liefen mir in Strömen über die Wangen, aus meiner Nase lief der Rotz, Speichel rann aus meinen Mundwinkeln.
„Bitte“
Aber sie kannte keine Gnade. Sie schlug weiter und ließ mich zählen, wenn es auch nur noch ein Wortbrei war, den ich hervorbrach.
Schließlich rutschte ich vom Couchtisch, stieß dabei die halbvolle Bierflasche um, die sich auf meinen Teppich ergoss und rollte mich wie ein Fötus zusammen.
Ich heulte in den Teppich und wiederholte nur noch mechanisch die Worte.
„Bitte“
„Bitte“
„Bitte“
Und dann hörte sie auf.
Ich wusste nicht, was sie tat, vermutlich stand sie nur da. Ich nahm nichts mehr wahr als den Schmerz.
Irgendwann spürte ich sie neben mir. Sie kniete sich zu mir, legte den Bademantel vorsichtig über meinen Körper, wischte mir die Tränen weg und das Gesicht ab und strich über meine Haare. Sie richtete mich ein wenig auf, und umarmte mich, und ich umarmte sie und weinte nur noch mehr.
Sie hielt mich, sie hielt mich fest umschlungen, und ich fand unglaublichen Trost in dieser Geste. Ich weiß nicht, wie viel Zeit verging in dieser Umarmung. Doch irgendwann ließen die Schmerzen nach und auch meine Tränen, und was blieb, war dieses Gefühl der Geborgenheit und der Zuneigung. Diese Dankbarkeit über ihre Gnade, aufgehört zu haben.
Erst später war es, dass ich mich in der Retrospektive über mich selbst erschrak, dass ich mich fragte, wie ich so hatte empfinden können.
Sie half mir auf und legte mich bäuchlings auf die Couch und verschwand dann in meinem Bad.
Schließlich kam sie zurück, setzte sich zu mir auf die Lehne und begann vorsichtig, ganz vorsichtig mich mit einer Hautcreme einzureiben.
Vorsichtig, ganz vorsichtig berührten ihre Finger meine geschundene Haut, und wenn ihre ersten Berührungen noch schmerzten, so wichen diese mehr und mehr.
Ich ließ mich fallen, erschöpft ließ ich die Dinge geschehen, ließ ihre Hände über meinen Po gleiten, ließ mir die Schmerzen wegstreicheln.
Eine letzte Träne lief meine Wange hinunter und ertrank im Stoff meiner Couch.
Ich ließ mich fallen, fallen, fallen.
Liz schwieg, und ich versank in mir und hatte plötzlich dieses Lied der Smashing Pumpkins im Kopf.
Who am I to need you when I’m down
And where are you when I need you around?
Your life is not your own
And all I ask you
Is for another chance
Another way around you
To live
Once again
Who am I to need you know
To ask you why
To tell you now
To deserve your life and sympathy
You were never meant
To belong to me
Es wurde mir erst nicht bewusst, weil ich so versunken war in meiner Trance, dann aber spürte ich doch, wie ihre Hände immer wieder zwischen meinen Pobacken verschwanden, wie sie vorsichtig hinunter glitten, zwischen meine Beine.
Ein seltsames Gefühl der Scham überkam mich. Ich ließ es geschehen. Ließ es auch geschehen, dass sie meine Beine etwas auseinander schob und mich nun immer offensichtlicher dort streichelte. Sanft, fast schon unschuldig. Ich spürte, wie ihre Finger mein Geschlecht berührten, ich spürte auch, wie sich eine andere Wärme in meinen Hüften entwickelte. Nicht die widerliche Hitze der Schmerzen, sondern eine weiche Wärme, eine schöne, eine wunderbare. Ich spürte, wie ich feucht wurde, ich spürte ihre Finger dort, die Feuchte sehnte sich danach, ihre Finger aufzunehmen.
Immer noch in der Trance glitt ich in einen anderen Zustand, öffnete meine Beine nun ihrer Bewegung und ließ mich treiben, konzentrierte alles auf ihre Finger, hörte den Nerven dort an meinen Schamlippen zu, die aufgequollen waren und keinen Hehl daraus machten, was sie wollten.
Ein leises Stöhnen entfuhr mir, als ihre Hand die gesamte Spalte durchfuhr. Zärtlich spielten ihre Finger nun zwischen meinen Beinen, fanden meine Klitoris, erfühlten sie zwischen Daumen und Zeigefinger, streichelten darüber.
Die Bewegungen waren nun so anders. Alles Rohe, alles Brutale war verschwunden.
Wie konnte das sein? Wie konnte ein Mensch so unbarmherzig sein und in der nächsten Minute so sanft und mitfühlend? Es fühlte sich fast übermenschlich an, was sie da mit mir anstellte. Ich war in diesem Moment nicht nur verliebt in sie, ich war ihr ergeben. Hätte sie etwas von mir verlangt, ich hätte es ihr gewährt. Ich hätte ihr alles gewährt. Ich hätte ihr mich geschenkt. Und das, nachdem sie mich wenig zuvor so misshandelt hatte.
Wie eine Medizin breitete sich das wohlige Gefühl zwischen meinen Schenkeln aus, und was ich nicht für möglich gehalten hatte, es vertrieb die Schmerzen. Wie eine Armee edler Ritter die Horde Unholde und Trolle vertrieb.
Ich ließ mich tiefer fallen, ich seufzte vor Glück und ließ es über mich kommen. Und was dann schließlich aus der Gnade ihrer Finger über mich kam, war etwas, das mit dem Wort Orgasmus oder Höhepunkt nicht richtig eingefangen werden konnte. Es war wie die Erlösung, ein religiöses Gefühl, es war rein und makellos. Es war wie eine Medizin, aber eigentlich mehr wie eine Droge. Ein Höhepunkt, wie in Watte gepackt, wie durch weiche Filter erlebt.
Ich konnte es nicht beschreiben. Es war ein Höhepunkt anders als alle, die ich je zuvor gehabt hatte. Nicht unbedingt intensiver, nein genau im Gegenteil. Entrückter.
Und als er so verklang, als er abebbte, da überkam mich eine schwere Trauer. Denn ich wusste, dass ein solches Gefühl nicht mehr wieder kommen würde. Was ich in diesem Moment erlebt hatte, war etwas Singuläres, das man nicht wiederholen konnte, das sich nicht reproduzieren ließ.
Eine weitere Träne lief mir die Wangen hinunter.
Und dann hielt Liz mir ihre Hand hin. Sie hatte zwischen meinen Beinen geruht, als der Höhepunkt über mich gespült war.
Sie war noch feucht und roch nach meinen Säften. Ich streckte meine Zunge aus und leckte sie ab, schmeckte die salzige Flüssigkeit, keine Erregung, keine Hingabe. Es war eine Geste der Unterwerfung, aber in erster Linie der Dankbarkeit.
Dieser Geschmack!
Als sie ihre Hand wegnehmen wollte, hielt ich sie fest, hielt sie an meine Nase. Der Geruch ihrer Haut und der Geruch meiner Begierde verbanden sich in ihr.
Sie beließ sie dort und streichelte meinen Kopf mit der anderen.
Ich kann mich nicht erinnern, mich jemals so geborgen und zufrieden gefühlt zu haben.
„Ruhen Sie sich aus. Alles ist gut.“, waren ihre letzten Worte, bevor ich einschlief.
Als ich aufwachte, war sie verschwunden. Draußen war es dunkel. Ich war allein. Eine einzelne Kerze brannte und spendete mir ein wenig Licht. Ich versuchte aufzustehen, aber sobald ich mich auf den Po setzte, kamen die Schmerzen wieder. Dumpf pochend.
Es dauerte ein wenig, bis ich aufstehen konnte, und ich musste mich vorsichtig und umständlich aufrichten.
Im Spiegel im Flur, wo sie mich so wild geküsst hatte, begutachtete ich meine Wunden. Ich hatte einige blaue Flecken, und einige Striemen waren noch zu sehen, aber gemessen an den Schmerzen hatte ich Schlimmeres erwartet, hatte blutige Wunden und Narben vermutet.
Ich bückte mich und hob die Krokodilklemmen auf und spielte mit ihnen.
Dann ging ich in die Küche, trank einen Schluck Mineralwasser, schüttete dann zur Hälfte Rotwein in das Glas und trank es in einem Zug aus. Dabei stand ich etwas unschlüssig in meiner Küche. Normalerweise lehnte ich mich an meine Arbeitsplatte oder setzte mich auf einen Hocker, aber beides war keine Option in diesem Moment.
Ich stand dort und trank meine Rotweinschorle und fühlte mich deplatziert in meiner eigenen Küche.
Erst später sollte mir das, was in meinem Wohnzimmer geschehen war, Angst bereiten. Ja, ich machte mir wirkliche Sorgen um meinen geistigen und seelischen Zustand. Ich bekam Angst wegen dem, was ich mit mir hatte anstellen lassen, ich bekam Angst ob der Gefühle, die ich verspürt hatte. Ich bekam Angst, was alles in mir schlummerte. Diese Fragen quälten mich eine Weile, aber eben nicht dort in der Küche an jenem Abend.
An jenem Abend in der Küche fühlte ich mich im Reinen mit mir. Aristoteles sprach in seiner Poetik des Dramas von der Katharsis als seelischer Reinigung. Man ging seiner Meinung nach ins Theater und hatte Freude an den grausamen Schicksalen, die den Helden widerfuhren, um sich so seelisch zu reinigen von eigenen Gelüsten nach Gewalt und Bosheit.
So ähnlich fühlte ich mich in diesem Moment.
Gereinigt.
Es war schwer zu beschreiben.
Ich verbrachte den restlichen Abend bei Kerzenschein mit Rotwein und einem Buch auf meiner Couch. Nach einer Weile hatte ich eine Position gefunden, die es mir erlaubte, mich einigermaßen bequem hinzulegen. Ich versuchte also zu lesen, aber immer wieder schweiften meine Gedanken zurück. Ich wusste, dass dieses einer dieser Tage war, die etwas bedeuteten, die man nicht wieder vergaß, die einen veränderten. Ich wusste noch nicht, in welcher Form ich verändert war, aber es gab keinen Zweifel, dass ich eine andere Frau war als noch am Morgen desselben Tages.
Ich war zwar ein wenig überrascht, als sie an meiner Haustür klingelte, aber natürlich freute ich mich. Was mich mehr überraschte, war, dass sie mich fragte, ob sie störe, ob sie herein kommen dürfe. Das war nicht ihre Art.
Ich bat sie herein und muss gestehen, ein wenig misstrauisch gewesen zu sein. So kannte ich sie nicht. Doch was ich mittlerweile kennengelernt hatte, war ihre Unberechenbarkeit. Wollte sie mich testen? Ich blieb wachsam, und auch wenn ich mir nichts anmerken lassen wollte, so war ich doch ein wenig nervös, hatte ein unbestimmtes mulmiges Gefühl und wollte mich nicht überrumpeln lassen.
Sie wartete, dass ich vorging, und ich führte sie in mein Wohnzimmer. Es war so, als wäre nichts zwischen uns, als wären wir distanzierte Bekannte ohne diese gemeinsamen Erfahrungen, ohne diese Intimitäten, die sich zwischen uns abgespielt hatten.
Ich vermutete, dass sie auf unsere intensive Begegnung vor einigen Tagen eingehen wollte.
Sie lächelte, schien guter Dinge und in einer netten Stimmung, und trotzdem traute ich dem Braten nicht.
Ich fühlte mich fast ein wenig gekränkt, dass sie mir nicht die Rolle schenkte, in die ich so gerne geschlüpft wäre. Für den Bruchteil eines Augenblicks kam mir sogar der Gedanke, dass ihre Höflichkeit darin begründet war, dass sie mit mir Schluss machen wollte. Der Gedanke brachte alte Erinnerungen hervor, und ich musste unwillkürlich an Hans denken und wie er mich in dem Café abserviert hatte. War ich nun schon wieder so weit? War sie gekommen, mir zu erzählen, dass das zwischen uns nichts werden konnte? Dass ich ihr zu alt war, dass sie eine andere gefunden hatte? Dass sie gerne meine Freundin bleiben würde?
Doch bevor ich mich in dieses Schreckensszenario hineinsteigern konnte, war der Augenblick vergangen. Wir standen in meinem Wohnzimmer, ich bot ihr einen Platz an und etwas zu trinken. Sie fragte nach einem Tee, ich musste überlegen, da ich Kaffeetrinkerin war. Ich antwortete ihr, dass ich glaube, noch einen Pfefferminztee irgendwo zu haben, aber sie meinte, ich solle mir keine Gedanken machen, sie würde auch einen Kaffee nehmen.
Ich war erstaunt über diese Antwort. Ich wäre auch in die Stadt gefahren und hätte ihr Tee besorgt.
Ich ging in die Küche, den Kaffee zuzubereiten, und sie folgte mir, sah mir zu und schwieg. Ich war dankbar, etwas zu tun zu haben, denn meine Nervosität wollte nicht nachlassen. Immer noch schwebte der Gedanke in mir, dass sie etwas im Schilde führte.
„Wissen Sie“, begann sie schließlich, „ich dachte mir, ich komme mal vorbei. Ich würde Sie gerne näher kennenlernen.“
Ich drehte mich um und sah sie an.
„Es ist doch seltsam, dass ich so wenig von Ihnen weiß. Ich meine, ich weiß so ein paar Sachen von Ihnen.“ Sie machte eine kleine Pause, und ich war froh, dass sie auf unsere Beziehung zwischen uns und meine Rolle darin anspielte.
„Aber so richtig kenne ich Sie nicht. Wissen Sie, was ich meine?“
Ich sah sie an und nickte, weil mir nichts zu sagen einfiel.
„Ich würde das gerne ändern. Ich meine, es ist doch irgendwie zu wenig, dass ich Sie einfach nur herumkommandiere und so. Nicht, dass mir das nicht gefallen würde. Aber das kann ja nicht alles sein.“
Doch es manifestierte sich ein trauriger Gedanke, den ich zuvor schon gehabt hatte, den ich aber nie mehr richtig abschütteln konnte.
Was hatten wir eigentlich gemein? Außer eben dem Sexuellen? Was verband uns? Was hielt uns zusammen?
Ich war älter als sie, hatte vollkommen andere Interessen. Keinen gemeinsamen Musikgeschmack, keine gemeinsamen Hobbys, wir hatten nur diese eine Sache.
Ich mochte sie begehren, ich mochte mich nach ihr verzehren, ich mochte mir vormachen, dass ich sie liebte. Aber nichts verband uns, als diese SM-Sache. Wir würden nie zusammen mit anderen Freunden ausgehen. Wir würden nicht zusammen ins Kino oder Konzert gehen. Wir würden nicht zusammen essen gehen.
Es war nicht die Tatsache, dass ich Probleme damit gehabt hätte, mich als lesbisch zu outen. Es war die Tatsache, dass sie eine Schülerin und ich eine Lehrerin war. Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, mit ihr zusammen in ein Restaurant zu gehen. Sie aß Döner und ging zu McDonalds. Ich war kein Gourmet, aber dieses Fastfood hatte ich hinter mir. Ich konnte einen guten Wein schätzen, ihr ging es lediglich um den Rausch. Sie hatte daran noch kein Interesse. Vielleicht würde das kommen, vielleicht auch nicht.
Ich hatte häufig genug mit Schülerinnen zu tun gehabt, die sich für mich als Person interessierten, die mit mir gesprochen und dabei versucht hatten, interessant zu wirken, und immer waren sie mir in diesen Dingen fremd gewesen, weil die Dinge, die sie dachten, die sie gutfanden nie die Dinge waren, die ich dachte und gut fand. Ich hatte damit kein Problem, es war nicht meine Aufgabe, eine Freundin zu sein.
Wir hatten keine Zukunft. Wir würden nie eine haben jenseits des Schlafzimmers. Wir waren dazu verdammt, immer im Verborgenen zu bleiben. Zumindest wenn es nach mir ging. Und nein, es gab keine Chance, dass unsere Beziehung nach außen dringen konnte. Das war vollkommen ausgeschlossen. Würde sie das tun, mich öffentlich demütigen, ich würde einschreiten müssen. In meinen Wänden konnte sie mit mir anstellen, was sie wollte, ich würde ihr gehorchen, aber außerhalb? Ich hatte einen Job zu verlieren. Ich hatte mein ganzes Leben zu verlieren, wenn dies rauskäme.
All das rauschte in den wenigen Sekunden durch meinen Kopf.
„Hatten Sie schon mal was mit einer Frau?“
„Nein, noch nie.“
„Überhaupt nichts? Ich meine gar nichts? Ich bin quasi Ihre erste?“
„Ja, ich hatte noch nie etwas mit einer Frau.“
„Ich meine nicht nur Sex oder so, sondern vielleicht auch nur einen Kuss oder so?“
Ich schüttelte den Kopf.
„Dann habe ich Sie quasi entjungfert!“
Sie lächelte dabei.
„Wenn du so willst, hast du mich entjungfert. Wie ist es bei dir? Hattest du schon viele Freundinnen?“
„Ehrlich gesagt auch nicht. Sie sind auch meine erste Freundin. Ich meine, so mit dem vollen Programm und so.“
„Also habe ich dich ebenso entjungfert, wie du mich.“
„So sieht es aus. Ich hatte auch noch nie eine Freundin. Ich meine, nicht so richtig. Einmal auf einer Party wollten wir einen Typen eifersüchtig machen, der es auf mich abgesehen hatte. Meine Freundin und ich. Und wir begannen da auf der Tanzfläche zu knutschen.“
Sie machte eine Pause, wie um nachzudenken und lächelte dabei.
„Zuerst waren wir ganz vorsichtig und so, ganz scheu. Küssten uns nur auf die geschlossenen Lippen. Ganz …“
Sie suchte nach einem Wort.
„Keusch?“
„Sie sind die Lehrerin, Sie müssen es wissen. Keusch. Hmm, das ist es wohl. Ganz keusch war das. Aber dann fasten wir Mut, und ich spürte ihre Zunge an meinen Lippen. Und dann öffnete ich meinen Mund, und wir legten los.“
Sie machte wieder eine Pause. Ich goss den Kaffee ein, fragte, ob sie Milch oder Zucker wolle, und sie nahm beides, schüttete sich für meinen Geschmack viel zu viel Zucker in die Tasse, rührte um und trank dann vorsichtig.
„Es war schon komisch. Fühlte sich ganz anders an als mit Jungs. Nicht, wie Sie jetzt vielleicht meinen. So von wegen weicher und so. Aber schön. Wir legten da eine ziemliche Show hin, mitten auf der Tanzfläche.“ Sie lächelte. „Seitdem gelte ich wohl als Lesbe in der Schule. Dabei war das nur ein einziges Mal. Aber es stört mich nicht. Ich meine, ist doch egal, was die anderen denken. Scheiß drauf.“
Sie nahm einen weiteren Schluck, und mir fiel auf, wie ihre Lippen sich um den Rand der Tasse stülpten und daran zu saugen schienen.
„Aber seit dem nichts mehr. Ich glaube Sylvie, das ist meine Freundin, hatte irgendwie damit mehr Probleme. Die ging mir jedenfalls aus dem Weg für ein paar Wochen, und als wir uns mal wieder trafen, da wollte sie klarstellen, dass sie nicht lesbisch wäre.“
Liz lachte, ich wartete, dass sie sich und das Lachen erklärte.
„Ich rückte ihr auf die Pelle, trat ganz nah an sie ran, dass unsere Titten sich berührten. Sie machte immer wieder einen Schritt zurück, und ich kam hinterher, bis ich sie an die Wand gepinnt hatte. Und dann flüsterte ich mit so einer Schlafzimmerstimme: Oh Baby, das kannst du mir nicht antun! Ich bin doch so scharf auf dich! Und dann setzte ich ihr einen, fetten Kuss auf den Mund. So einen richtig feuchten, stieß sie weg und lachte.“
Sie trank wieder an ihrem Kaffee und spielte mit ihren Lippen. Ich fragte mich, ob sie das absichtlich tat, um mich anzumachen.
„Und wissen Sie was? Ich glaube sie war total enttäuscht, als ich sie weggestoßen hatte. Ich glaube, sie wollte, dass ich sie küsse und verführe und so. Ich konnte es in ihren Augen sehen. War schon komisch. Aber nee, war nicht so mein Ding, damals. Ich glaube, ich hätte sie damals haben können, wie ich jetzt Sie habe. Aber damals habe ich nicht daran gedacht. Und Sie sind auch die bessere Wahl. Von wegen höher und so. Sie verstehen. Wie ist es bei Ihnen? Nicht mal ein Kuss? Immer hetero gewesen?“
Ich nickte.
„Immer hetero gewesen. Ich hatte nie was mit Frauen. Nicht mal einen heißen Kuss in der Disco.“
„Tja, so kann’s gehen. Da sind wir beide wohl füreinander bestimmt gewesen. Gestern noch standen wir beide auf Männer, heute schon saugen wir uns gegenseitig an den Titten und lecken uns!“
Der unvermutete Wechsel ihrer Wortwahl störte mich. Gerade noch hatten wir so ein fast freundschaftliches Gespräch geführt, nun zerstörte sie die Stimmung durch ihre vulgäre Ausdrucksweise. Eine leichte Traurigkeit schwappte über mich.
„Ich will hier ja nicht blöd kommen, aber Sie müssen mal ein wenig lockerer werden.“
„Wahrscheinlich hast du recht, aber das ist einfach nicht meine Sprache. Wir unterscheiden uns da wohl.“
„Wissen Sie, ich könnte Sie ja einfach zwingen. Wie bei den Simpsons. Schreiben Sie hundertmal ‚Ich lecke Fotzen‘.“
„Das könntest du wohl tun.“
Meine Stimme war spröde und zeigte meine Abneigung. Ich wollte sie nicht provozieren, aber sie sah es mir nach.
„Keine Sorge, ich bin quasi außer Domina-Dienst heute. Vielleicht später.“
„Das ist dein gutes Recht.“
„Das ist es in der Tat. Aber ich wollte noch was anderes wissen.“
„Bitte.“
„Waren Sie schon immer so, wie nennt man das, wenn man sich rumschubsen lässt … devot?“
„Das ist wohl das Wort.“
„Waren Sie schon immer so?“
„Nein. Nie, bisher zumindest nicht.“
„Was ist mit ihrem letzten Typen. Hatte der die Hosen an?“
Ich musste an Hans denken, und ich erkannte, dass ich ihn in einer entfernten Schublade abgelegt hatte. Ich musste in meinen Gedanken kramen, um ihn hervorzuholen. Wie lange hatte ich ihn nah an meinem Herzen gehabt, erst aus wahrhaftigem Schmerz und dann aus selbstmitleidigem Masochismus? Er war Tag und Nacht in meinem Kopf gewesen für eine sehr lange Zeit. Und nun musste ich erkennen, dass ich lange nicht mehr an ihn gedacht hatte. Und an ihn zu denken fühlte sich nicht mehr an als würde ich mich mit einer rostigen Rasierklinge malträtieren.
Aber bevor ich antworten konnte, schob sie eine weitere Frage nach:
„Was macht eigentlich ihr Arsch? Geht es wieder? War es sehr schlimm? Ich habe noch gar nicht gefragt. Ich nehme an, das sollte ich tun.“
Ich mochte auch diese Frage nicht, antwortete dementsprechend auch nur knapp: „Danke, es geht wieder.“
In den Tagen danach konnte ich mich nicht richtig setzen, stand viel, und wenn ich saß, dann spürte ich die Schmerzen, die sie mir bereitet hatte. Es gab Momente, da genoss ich diesen Schmerz als Erinnerung, und dann wunderte ich mich darüber, dass ich diesen Tag im Nachhinein schöner machte, als er war. In der Retrospektive erschien mir das alles halb so schlimm. Wenn mir dieser Gedanke kam, versuchte ich schnell innerlich das Thema zu wechseln, denn auch dort lauerten Abgründe, die ich nicht genauer erforschen wollte.
Liz merkte, dass ich kurz angebunden war und beließ es bei meiner kurzen Antwort. Sie hatte diesen Nachmittag nie mehr angesprochen, und ich hatte die Vermutung, dass sie selbst weiter gegangen war, als sie wollte, dass sie mir mehr angetan hatte, als sie vorgehabt hatte und ihr das Thema unangenehm war. Gab es Dominas, die sich bei ihren Subs entschuldigten, weil sie zu weit gegangen waren? Das erschien mir eher unwahrscheinlich, obwohl ich verstehen konnte, wie leicht man die Kontrolle verlieren konnte in diesen Situationen.
Jedenfalls schwieg Liz zu dem einen Thema und wiederholte ihre Frage nach meiner Beziehung zu Hans.
„Nein, der hatte eigentlich nicht die Hosen an. Zumindest nicht so. Was wir beide miteinander machen, haben er und ich nie gemacht.“
„Nie? Sie meinen, Sie hatten vorher noch nie etwas mit einer Frau gehabt und noch nie diese Machtchose probiert? Wow! Sie sind mir ja eine! Da gehen Sie ja jetzt im Moment voll ab! Da haben Sie ja links und rechts Ihr Coming out!“
Sie lachte schief, und ich mochte es nicht.
Aber in der Tat hatten Hans und ich nie dergleichen getan. Vielleicht hatte ich mir Dieses oder Jenes mal gewünscht, aber tief in mir, tief versteckt in meiner Seele, so tief, dass es sich nicht an die Oberfläche meines Verstandes erhob. Es blieb diffus. Ich erinnerte mich an den Augenblick, da er mit mir Schluss machte. In diesem Moment, als es mir klar wurde, was er sagte, da kam mir der Gedanke, mich ihm vor die Füße zu werfen und zu flehen bei mir zu bleiben, mich nicht zu verlassen. Natürlich verwarf ich diesen Gedanken ganz schnell. Es war zu melodramatisch und hätte seinen Entschluss ohnehin nicht beeinflusst. Und natürlich wollte ich meinen letzten Rest Anstand und Ehre in diesem Moment nicht verlieren. Aber ich musste noch Wochen später an diesen winzigen Gedanken zurück denken. Und ich fragte mich in diesen eklig klebrigen Stunden der tiefsten Verzweiflung auch, ob ich es nicht doch hätte tun sollen. Und natürlich verwarf ich den Gedanken auch ein zweites oder drittes Mal. Nun erschloss sich mir ein neuer Deutungshorizont. Vielleicht hatte ich mich ihm einfach nur unterwerfen wollen.
War es das, was mir unbewusst diese Geste in den Kopf gespült hatte? Das Verlangen ihm mich so vollkommen und ganz zu schenken, selbst meine Selbstachtung und jedes Gefühl von Stolz abzugeben, wenn er mich nur nicht verließe?
Mich zu verhalten wie so eine dieser hilflosen Dummchen aus Groschenromanen?
Ich sperrte mich gegen diesen Gedanken. Er war mir unheimlich, so wollte ich nicht sein. Ich hatte meinen Stolz, und auch meine devoten Neigungen änderten nichts daran, dass es Grenzen der Selbstachtung gab. Die hatte es mit Hans gegeben, die gab es mit Liz. Daran bestand kein Zweifel.
Ich war eine moderne Frau mit einem eigenen Willen, mit Prinzipien und eigenen Plänen. Ich hatte mich damals nicht unterwerfen wollen, und ich wollte es auch heute nicht.
Wenn ich vor Liz auf die Knie fiele, dann mit dem Wissen, dass ich auch wieder aufstehen würde, dass ich mich im Begriff befand, eine Phantasie auszuleben. Es war eine Form der Fiktion.
Ich schüttelte den Gedanken ab.
Aber mir fielen nun andere Gesten auf. Beim Sex zum Beispiel, da hatte ich es gemocht, unten zu liegen, ich hatte mich unter ihm gewunden. Ich hatte manches Mal versucht, mich ihm zu entziehen. Ich hatte ihm meine Arme angeboten, dass er sie fixierte, und wenn auch nur mit seinen Händen. Ich hatte ihm Signale ausgesandt, mich meiner Freiheit zu berauben.
Aber Hans hatte diese Signale nie aufgenommen. Einmal, als ich mich unter ihm wand, hielt er inne und fragte mich, ob alles ok sei sei. Mitten im Akt. Frustriert hatte ich ihn damals angepflaumt, dass alles in Ordnung sei. Und er hatte weitergemacht, und ich hatte stillgehalten, damit er nicht wieder auf den Gedanken kam, zu unterbrechen.
Waren das alles Zeichen meiner devoten Haltung? Zeichen, die ich selbst nicht richtig gedeutet hatte? Ich wusste es nicht. Vermutlich.
Was ich allerdings wusste, war, dass ich Liz davon nicht erzählen wollte. Sie sollte nichts wissen von meiner verflossenen Beziehung. Es ging sie nichts an, und es war etwas Abgestandenes und Schales in meinen Augen. Ich hatte mich weiter entwickelt, weshalb sollte ich mich mit diesen Fragen beschäftigen? Es brachte mir nichts.
„Was ich mich gefragt habe, ist, was Sie dabei fühlen, wenn Sie sich vor mir erniedrigen. Ich meine, was gibt Ihnen da den Kick, wenn Sie sich von mir rumkommandieren lassen?“
Wieder eine dieser Fragen, die ich nicht mochte. Ich hatte gedacht, dass dies ein netter Plauderstündchen zwischen zwei ungleichen … ja was waren wir …? Wie auch immer. Ich hatte ein harmloses Schwätzchen erwartet, und nun konfrontierte sie mich mit all diesen intimen Fragen. Mitten in meiner Küche und jenseits aller Machtspielchen.
Jenseits aller offensichtlichen Machtspielchen jedenfalls.
Ich könnte natürlich einfach die Antwort verweigern. In einem Gespräch zwischen Gleichberechtigten konnte man das. Liz tat so, als wäre sie in dieser Rolle in meiner Küche. Aber als ich meinem Unmut gegenüber ihrer Wortwahl Ausdruck verliehen hatte, da hatte sie sofort mit einer verklausulierten Drohung reagiert. Wir waren nicht gleichberechtigt. Selbst in dieser Situation nicht.
Liz war nicht so harmlos, wie sie sich gebärdete. Was sie tat, geschah voller Absicht. Sie war die Katze und sie spielte mit der kleinen Maus.
Ich war unsicher, wie ich weiter verfahren sollte. Sollte ich in die devote Rolle schlüpfen, darin Zuflucht suchen und damit meine Erniedrigung legitimieren und genießen? Oder sollte ich, was mir näher lag, meine Abneigung ausdrücken, Rückgrat zeigen und mich der Fragen verweigern?
Liz merkte, dass ich zögerte.
„Nun?“
„Ich mag es einfach. Es ist schön.“
„Jetzt veräppeln Sie mich aber. Sie haben all diese schicken Wörter, aber Ihre Antwort ist: Es ist schön? Kommen Sie, das können Sie besser!“
Ich hörte aus ihrer Stimme hinter dem Humor, den sie transportieren sollte, diesen dumpfen drohenden Oberton. Scheinbar waren wir auf dem Weg in die gewohnten Rollen zu fallen. Liz merkte das wohl auch und milderte ihren Appell ab, in dem sie selbst antwortete.
„Ich erkläre Ihnen, was ich daran finde. Ich habe gelesen, dass Leute, die ganz viel Macht und Verantwortung in ihrem Job haben, dazu neigen, devot zu sein in ihrer Freizeit und sich zu unterwerfen, weil sie dann mal loslassen können und so. Und auf der anderen Seite müssten ja dann diejenigen, die in ihrem richtigen Leben keine Macht haben, Lust darauf haben, dominant zu sein, weil sie in ihrem richtigen Leben ja nichts zu sagen haben.“
Ich nickte, ich hatte auch schon davon gehört.
„Nun, das könnte auf uns ja zutreffen. Ich meine, Sie sind doch jemand mit viel Verantwortung und Macht und so. Sie können Noten geben, wie Sie wollen und müssen ständig kluge Entscheidungen treffen. Kann ich verstehen, dass es manchmal stressig ist Lehrer zu sein.“
Ich nickte wieder, aber lediglich zu ihren Ausführungen zum Stress des Lehrerberufes, nicht zu meinen devoten Neigungen, die sie aus meinem Job ableitete.
„Aber ich glaube, auf mich trifft das nicht zu. Ich meine, so theoretisch bin ich ja die, die keine Macht hat, und Sie haben alle Macht in der Welt. Aber ich fühle mich gar nicht so. Ich bin noch jung und Schülerin und so, da kann ich gar keine Macht haben später. Aber Sie können sicher sein, dass ich mich nicht rumkommandieren lasse. Ich lasse mir nichts gefallen. Ich brauche niemanden, der schwach sein will, damit ich mich stark fühlen kann. Ich bin stark. Auch ohne Sie. Verstehen Sie?“
Innerlich musste ich lächeln. Offensichtlich hatte diese Theorie, von der sie gelesen hatte, sie beleidigt. Aber ich gab ihr recht. Ihr Auftreten war geprägt von Souveränität. Wahrscheinlich konnte man sie wirklich als eine dieser Alpha-Mädchen bezeichnen, von denen man schon mal las.
„Ich mag es einfach, wenn die Dinge so laufen, wie ich das gerne hätte. Ich meine, Sie liegen mir zu Füßen. Sie sind so geil auf mich, dass Sie alle möglichen Unannehmlichkeiten auf sich nehmen. Dass sie sogar Schmerzen ertragen und sich demütigen lassen. Nur damit Sie die Gelegenheit bekommen, meine Aufmerksamkeit zu haben. Das ist ein geiles Gefühl. Ich meine, wie geil müssen Sie mich finden?“
Sie schwieg und sah mich an, als erwarte sie eine Antwort. Als ich gerade irgendetwas antworten wollte, nur um etwas zu sagen, da fuhr sie selbst fort und sagte etwas unerwartet Böses und Gemeines.
„Natürlich ist es nicht ganz so. Es liegt wahrscheinlich nicht so sehr an mir, wie ich das gerne hätte. Sie würden jedem hinterherrennen, der sie erniedrigt und wie Scheiße behandelt. So sind Sie einfach.“
Sie sah mich prüfend an. Ich hatte einige Mühe mich von diesem Tiefschlag zu erholen. Es traf mich einfach so hart, weil ich nicht darauf vorbereitet war, dass sie mich so verletzen wollte.
„Habe ich Recht?“
Ich schluckte. Ich wollte diese Fragen nicht beantworten. Dieses ganze Gespräch wollte ich nicht. Sie tat so harmlos, wie sie da in meiner Küche saß, an ihrem Kaffee nippte und immer wieder dieses kleine Spielchen mit ihren Lippen und der Tasse vollzog. Aber ihre Fragen waren alles andere als harmlos, sie gingen direkt ins Herz der Finsternis und verlangten von mir, mich mit all dem auseinanderzusetzen, was ich gar nicht wissen wollte.
Und sie tat das absichtlich. Es war ihr Weg mit mir zu spielen. Sie wollte, dass ich mich vor ihr entblößte. Seelisch, nicht nur innerhalb dieser Spielchen, die wir trieben. Sie wollte mich demütigen im realen Leben.
Es war nicht das erste Mal, dass ich mich fragte, ob ich ihr vertrauen konnte. Aber es war das erste Mal, dass ich richtige, genuine Zweifel verspürte.
Ich versuchte, den Gedanken wegzuwischen, aber es gelang mir nicht. Die Zweifel blieben.
Ich hatte gar nicht mit ihr gerechnet und war schon auf dem Weg ins Bett, als es an der Tür Sturm klingelte. Liz war äußerst genervt. Sie knallte ihre Tasche in die Ecke, dass der Kaktus bedenklich wackelte.
„Gott, ich hatte einen Scheißtag.“
„Was ist passiert?“
„Ach, alles ist Kacke. Scheiß Schule, Scheiß Eltern, Scheiß alles. Und dann habe ich noch einer Freundin beim Umzug geholfen. Scheiß Idee. Und jetzt bin ich kaputt.“
„Oh, das tut mir leid.“
„Ja, oh! Das sollte es dir auch!“
Sie duzte wieder.
„Was kann ich für dich tun?“
„Alles. Du wischst hier und jetzt meine Scheiße weg!“
Ich musste die Reflexe unterdrücken, dazu etwas zu sagen. Scheinbar war ich aber nicht gut genug darin.
„Stört dich meine Wortwahl, Madame? Scheiße, Scheiße, verfickte Scheiße. Du bist nicht meine Mutter, du bist meine Sexsklavin, vergiss das nicht!“
Selbst wenn ich das war, dann hatte ich nicht diese Geringschätzung verdient.
Aber was sollte ich machen?
Hatte ich das Recht, ihr zu sagen, dass sie die Regeln unserer Beziehung verletzte? Natürlich nicht.
Ich war nicht gefasst auf solche Fragen und wollte auch in dieser Situation keine Diskussion starten.
„Möchtest du was trinken?“
„Wodka Redbull.“
„Oh, ich fürchte, ich habe weder das eine noch das andere.“
„Whiskey Cola.“
„Die Cola hätte ich da. Regular, Light und Zero!“
„Bier!“
„Wein?“
„Scheiße, wenn du sonst nichts hast.“
„Rot oder Weiß?“
„Jetzt nerv nicht. Mach schon.“
Ich machte einen billigen Weißen auf. Sie würde den Unterschied ohnehin nicht merken. Es war nur der Alkohol, hinter dem sie her war.
„Also, was tust du, um mir die Laune zu verbessern?“
„Wie wäre es mit einem heißen Bad? Das entspannt.“
Sie dachte nach, und merkte, wie ich in die Rolle glitt und Gefallen daran finden konnte.
„OK, aber ich will sehen, was du bist. Zieh dich aus!“
Wieder dieses Herzklopfen. Wie schnell das doch ging. Ich wunderte mich über mich selbst. Wie ein paar Worte mich sofort umkrempelten. Wie ein Hund, den man konditioniert und auf ein paar Reflexe gepolt hatte.
Ich kickte meine Schuhe quer durch den Raum, suchte ihren Blick. Aber sie konzentrierte sich lieber auf ihren Wein, kippte ihn weg, verschüttete etwas, und ich war zufrieden mit der Entscheidung, ihr einen billigen gegeben zu haben, vor allem einen Weißen.
Wieder und wieder versuchte ich ihren Blick zu finden, aber sie schien gelangweilt. Ich würde es einfach mit mehr Hingabe versuchen müssen.
Ich sah es als Akt der Verführung, sie auf mich aufmerksam zu machen.
Ich öffnete meine Bluse, legte einen Strip hin. Sah sie verführerisch an. Ich war nicht in der Stimmung, aber ich gab mein Bestes, sie zu bezircen.
Entkleidet, nackt als Zeichen meiner Dienerschaft vor ihr kniend. Egal was ihr passiert war, sie sollte merken, dass sie immer noch mich hatte. Immer noch jemanden, der sich um sie kümmerte, der ihr ergeben war.
Ich kroch zu ihr mit gesenktem Kopf und stellte mir vor, wie aus ihrer Perspektive meine blonden Haare fallen würden, wie mein Körper im warmen, gedimmten Licht schien. Ich stellte mir vor, wie meine breiten Hüften sich bewegten, verführerisch bewegten, als ich zu ihr kroch.
Wie musste es sich anfühlen, jemanden so zu sehen? Zu wissen, dass es eine Person gab, die alles für einen tat, die sich nicht zu fein war, sich zu demütigen, nur um dieser Person zu gefallen? Musste das nicht ein unglaubliches Gefühl der Befriedigung hervorrufen? Konnte es für jemanden, der darauf stand, etwas Größeres geben?
Ich streichelte über ihre Schuhe, zog sie ihr langsam aus, danach die Socken.
Dann massierte ich ihre Füße, langsam und mit großer Aufmerksamkeit, ließ sie über meine steifen Brustwarzen streifen, als Zeichen meiner Erregung. Sie sollte wissen, dass ich diese Aufgabe nicht nur mit Hingabe, sondern eben auch mit Lust vollzog. Es war ein Dienst, aber einer, der auch die Dienerin befriedigte. So stünde es bestimmt auch im Handbuch aller Butler.
Schließlich nahm ich ihre Zehen in den Mund, saugte an ihnen, leckte sie. Jeden einzelnen.
Ich hätte auch die Sohlen geküsst, aber ihr wiederholtes Zucken verriet mir, dass sie darauf keinen Wert legte.
Gab es eine größere Geste der Demut?
Wie ich dort vor ihr kniete.
Eine Bettlerin vor ihrer Königin.
Schließlich kroch ich noch näher, nahm ihren rechten Fuß und führte ihn zwischen meine Schenkel, ließ sie meine Erregung spüren, nur um wenig später die Feuchtigkeit von ihren Zehen zu lecken. Mit langen Zügen der weit herausgestreckten Zunge. War das eine obszöne Geste?
Ich strich über ihre Unterschenkel, die immer noch in der Jeans steckten. Immer wieder und wieder, rutschte dann zwischen ihre Beine und streichelte ihre Oberschenkel. Erst außen, bis zu ihrem Po, dann innen. Langsamer, mit kreisenden Bewegungen, immer näher an ihren Schoß, aber dann doch spielerisch wieder mich wegbewegend. Fast so, als würde ich sie necken. Bis ich schließlich dort angelangt war und meine Finger durch den dicken Stoff hindurch ihr Geschlecht ertastete.
Ich vergaß mich in dieser Tätigkeit, hatte meinen Kopf auf ihren Schenkel gelegt, bis sie mich plötzlich an den Haaren zog und meinen Kopf zwischen ihre Beine dirigierte.
Das war ihre erste Reaktion. Bisher hatte sie reglos auf der Couch verharrt, und da ich es vermieden hatte sie anzusehen, was ich als Zeichen meiner Demut betrachtete, konnte ich auch nicht ergründen, in welcher Form sie reagierte.
Ich setzte mich auf und steckte meinen Kopf zwischen ihre Beine. Roch den warmen Geruch ihrer Jeans, von Schweiß und glaubte auch, ihre Erregung riechen zu können. Ich rieb meine Nase an ihr.
Sie dirigierte mich dabei, schneller und schneller. Ich spürte, wie ihr Körper verspannte, ihre Schenkel an meinem Kopf zuckten, glaubte sie schwerer atmen zu hören.
Und das machte mich glücklich.
Meine Taten gefielen ihr.
Mein Buhlen gefiel ihr.
Ich gefiel ihr.
Aber dann zog sie meinen Kopf unvermittelt zwischen ihren Beinen hervor. Ich war so überrascht, dass ich zu ihr aufblicken wollte, besann mich aber noch eines Besseren und hielt die Augen weiter gen Boden gerichtet.
„Lass mir ein Bad ein!“
Ihre Stimme klang immer noch nach einer schartigen Klinge. Ich hatte gehofft, sie etwas milder gestimmt zu haben.
Ich würde mich einfach noch mehr bemühen.
Ich hatte mich schon aufgerichtet, um aufzustehen, aber hielt inne.
Am Boden war mein Platz an diesem Abend.
Ich hatte ihn selbst gewählt, dort würde ich bleiben.
Also kroch ich aus dem Wohnzimmer auf allen Vieren.
Spürte ihre Blicke auf meinen Hüften, meinem Po, meinen Schenkeln.
Gefiel ihr der Anblick?
Ich hoffte es.
Ich tat etwas dafür, hatte wieder angefangen mehr Sport zu treiben. Sie hatte mich dazu gebracht, wieder mehr Wert auf mich zu legen. Dafür dankte ich ihr.
Ich wollte ihr einen straffen Körper schenken, einen schönen.
Sie sollte niemals auf die Idee kommen, dass ich ihr zu alt war, dass mein Körper nicht mehr gut genug war für sie.
Das war ein alberner Gedanke, aber ich konnte ihn nicht verdrängen. Alles sollte für sie perfekt sein. Sie sollte keinerlei Anlass haben, an mir zu zweifeln, an meiner Hingabe, an meiner Eignung.
Ich ließ das Wasser ein, dazu vom besten Badesalz und kroch zurück, den Blick auf den Boden gerichtet.
Sie stand auf, packte mein Kinn und hob meinen Kopf, bis ich in ihre Augen sah.
Ich konnte sie nicht deuten, sie waren ausdruckslos.
„Bade mich jetzt!“
Dann zog sie mich unsanft auf die Füße.
Hatte ich ihr nicht gefallen? Mein Knien, mein Kriechen? Mein Selbstbewusstsein war angeschlagen.
Ich würde einfach noch härter arbeiten müssen.
Mich mehr bemühen.
Wer war ich, zu glauben, dass ein paar devote Gesten ihre schlechte Laune vertreiben konnten?
Jemand, der so souverän und stark wie Liz war, der ließ sich durch einen wackelnden Hintern nicht so schnell überzeugen.
Sie nahm mich bei der Hand und führte mich ins Bad.
Wieder war ich etwas verwirrt, denn ihre Hand fühlte sich weich an, als sie meine umschloss, und ihre Bewegungen waren nicht ruppig wie zuvor. War das ein Zeichen der Milde?
„Und jetzt zieh mich aus!“, sagte sie tonlos. Aber dennoch war ich zufrieden. Es war ein sexueller Befehl, und so lange sie diese gab, war nicht alles verloren.
Ich ignorierte den harschen Ton, strich über ihre Jeans, folgte den Kurven ihrer Unterschenkel, der Schenkel, der Rundungen ihres Pos, dann entlang den Bund. Ich umfasste ihre schmale Hüften, öffnete den Knopf ihrer Jeans, dann den Reißverschluss und zog langsam den störrischen Stoff ihre Hüften hinab, half ihr aus dem schwarzen Slip, dem Shirt und dem schwarzen BH.
Schließlich hielt ich ihre Hand, als sie in die Wanne stieg.
Und dann wurde sie von mir gewaschen.
Ich ging darin auf. In der Rolle der Dienerin.
Behandelte ihre Haut wie einen kostbaren Stoff, wusch ihren ganzen Körper mit dem ganzen Schwamm ab, ließ Wasser über ihren Körper laufen, überprüfte die Wassertemperatur ständig. Ich goss ihr Wein nach und brachte ihr Feuer und Aschenbecher für ihre Zigaretten.
Ich wusch ihre Haare mit Shampoo und Conditioner, massierte ihre Kopfhaut.
Ich diente und dankte ihr für all die Geschenke, die sie mir gemacht hatte.
Es war ein meditativer Akt. Wie eine Geisha in der rituellen Zubereitung von Tee Meditation fand.
Irgendwann ging es nicht mehr um irgendetwas Sexuelles. Es ging nur noch um das Dienen.
Ich war nicht ihre Sexsklavin, ich war ihr einfach ergeben.
In viel mehr Belangen als sie glaubte. In allen? Nicht in allen, aber in sehr vielen.
Ich ging darin auf, ihre Wünsche zu erkennen, und diese zu befriedigen. Es war ein unkompliziertes Sein, das nur einem Ziel galt. Ihrer Zufriedenheit. Mehr galt es nicht zu beachten.
Ich hätte nie gedacht, dass ich diese Haltung einnehmen würde. Die Haltung einer Dienenden, Fremdbestimmten, die unreflektiert gehorchte. Das waren alles Dinge, die ich meinen Schülern austreiben wollte. Und jetzt machte ich sie mir selbst zu eigen?
Was sollte das? War ich nicht mehr bei Trost?
Ich blickte ihr nicht in die Augen, blieb, wenn es ging, hinter ihr und sie sagte nichts. Daher konnte ich ihre Stimmung nicht deuten.
Ich empfand die Situation fast als romantisch. Und es war eine schöne Situation, intim, aber gar nicht so sexuell, wie man annehmen konnte.
Es schien, dass ich jenseits dieser wunderbaren weichen Haut, der seidigen Stränge ihrer Haare, dieses großartigen Körpers etwas anderes gefunden hatte.
Gehorsam und Dienen.
Waren das Werte?
Erstrebenswerte?
Erfüllende Werte?
Aber an diesem Abend erkannte ich auch etwas anderes. Düstereres, Erschreckenderes, Abscheulicheres.
In ihr und mir. Sie erzeugten Schrecken in mir und noch mehr Zweifel an ihr.
„Vertraust du mir?“
Natürlich tat ich das.
„Komm her!“
Sie stieg halb aus der Wanne und setzte sich auf den Rand.
Und für einen Moment war ich abgelenkt von der Art und Weise, wie das Wasser über ihren Körper rann, den Rundungen folgte.
Liz bugsierte mich an den Rand.
„Das werden wir ja sehen.“
Ich hätte an ihrer Stimme erkennen können, dass etwas nicht stimmte. Aber ich glaube, ich zog es vor, nichts zu merken. Ich glaube, ich wollte die Illusion behalten, dass mein Verhalten sie umgestimmt hatte.
Bevor ich jedenfalls wusste, was mit mir geschah, hatte sie mich rücklings in die Wanne gezogen, sodass meine Beine über den Rand zappelten, mein Oberkörper aber unter Wasser gedrückt war zwischen ihren Beinen. Es war eine unangenehme Position, aus der ich mich allein nicht befreien würde können. Mit wenig Kraft konnte sie mich unter Wasser halten.
„Gefällt dir der Anblick?“, hörte ich sie entfernt unter Wasser.
Ich öffnete die Augen und blickte genau von unten zwischen ihre Beine.
Ja, es wäre unter anderen Umständen ein schöner Anblick gewesen.
„Wenn du mir vertraust, wirst du dich nicht wehren!“
Ich ging häufiger schwimmen, konnte die Luft durchaus eine Weile anhalten. Auch wenn ich nicht damit gerechnet hatte, spürte ich, wie meine Lungen gut gefüllt waren mit Sauerstoff.
Ich hielt die Augen geöffnet und starrte an ihrem Schoß vorbei auf ihr verschwommenes Gesicht, das weit entfernt schien.
War das ein böses Grinsen auf ihren Lippen? Es schien so. Wie das eines Kindes, das einem Schmetterling die Flügel ausreißt, um zu sehen, was passiert.
Vertraute ich ihr?
Bei diesem Gesichtsausdruck?
Konnte ich das?
Ich schloss die Augen unter Wasser. Langsam legte sich ein leichter Druck auf meine Lungen.
War das ein Spiel?
War das ein Test meines Vertrauens?
Ich wusste es nicht.
Es war mir nicht geheuer.
Ich versuchte, ruhig zu bleiben.
Mit einer Hand hielt sie mich am Hals.
Kräftig, aber nicht schmerzhaft. Mit der anderen Hand streichelte sie über meinen Oberkörper.
Vertraute ich ihr?
Konnte ich das?
Die Frage wiederholte sich.
Ich musste es doch.
Als ihre Dienerin musste ich darauf vertrauen, dass sie sich um mich sorgte.
Die ihr ergeben war.
Der Druck in meiner Lunge wurde stärker.
Warum wollte sie so ihre Macht über mich spüren?
Ich lag dort unter Wasser, von der Realität entfernte Geräusche drangen an mein Ohr.
Was mich verstörte, war, was sie da tat. Sie spielte wirklich die Göttin, sie wollte mir wirklich zeigen, dass mein Leben in ihrer Hand lag, dass sie mich, so sie es wollte, einfach so lange unter Wasser halten könnte, bis ich mich nicht mehr regte.
Die Frage, wie krank ich sei, dass ich diese Dinge mit mir machen ließ, hatte mich immer begleitet, seit ich meiner geheimen Gelüste gewahr wurde. Aber nie zuvor war ich mir so sicher, dass die Dinge aus dem Ruder liefen wie in diesem Moment. Liz ging zu weit. Sie ging absolut zu weit. Was sie da tat, war nicht mehr erotisch, es war pervers. Was auch immer der Begriff meinte. Ich mochte ihn nicht, weil er selbstgerecht und überheblich war. Aber in diesem Augenblick benutzte ich ihn, um die Situation zu charakterisieren.
Wir hatten keine Safewords oder so vereinbart, wie man das in Sado-Mado-Kreisen zu tun pflegte. Ich hatte davon gelesen, dass das Standard war und absolut unumgänglich. Der Gedanke hatte mir nicht zugesagt. Es war zu viel Spiel in solch einem Wort. In meiner Beziehung zu Liz ging es um mehr als Sex-Spiele. Bei uns ging es nicht um Schmerz oder so etwas Profanes. Es ging um Hingabe.
War diese naive Sicht ein Fehler gewesen?
Doch bevor ich mich wehren konnte, bevor ich mich gegen ihren Griff wehren konnte, ließ sie mich Luft holen.
Ich saugte die Luft ein und meine Lungen, die leicht angefangen hatten zu brennen, entspannten sich wieder. Mein Blick war strafend, und Liz erkannte wohl auch, dass sie zu weit gegangen war. Sie lächelte mich an, strich mir übers Gesicht und lehnte sich dann über die Wanne, um mir einen intensiven Kuss zu geben. Dabei drückte sie mich nach hinten und folgte mir, sodass sie wenig später mit mir zusammen in der Wanne lag. Ich spürte unsere nackten Körper. Ihr Knie rutschte zwischen meine Beine und stieß sanft immer wieder gegen mein Geschlecht, massierte es.
Es war wie einer dieser Küsse nach einem erbitterten Streit. Voller Passion und Hingabe mit dem Willen, alles wieder gut zu machen. Ein Kuss, der um Verzeihung bat und seine ganze Liebe ausdrückte. Zumindest hätte ich diesen Kuss so interpretiert. Aber ich war mir nicht sicher, ob sie ihn auch so gemeint hatte.
Ich war mir nicht mehr sicher, wer oder was sie war.
Doch es gelang ihr in diesem Moment, meine Sorgen zu zerstreuen. Ihre Hände waren überall an meinem Körper, kneteten, streichelten, massierten. Wir lagen umarmt in meiner Wanne, umschlossen in einem ewigen Kuss.
Der Wind blies einen Staubschleier über die Ebene. Die dünne Gaze meines Kleides zerrte an mir. Es war eine Staubwolke, die mich aufmerksam machte. Der Wind trug auch sie wie einen Fetzen Stoff davon und löste sie auf, doch in ihrem Kern konnte ich bald einen Reiter erkennen, der mit irrsinniger Geschwindigkeit auf mich zukam. Das Dröhnen der Hufe erfasste den Boden und die Schwingungen breiteten sich aus, erreichten mich in Wellen, ich spürte die Vibration in meinen Füßen. Die Gestalt kam näher und näher. Ich schaute mich um. Ansonsten war die Ebene leer und kahl wie stets. Schließlich hatte die Gestalt, es war eine Reiterin, ihre schwarzen Haare wehten wie eine Flagge im Wind, mich erreicht. Der Staub umfing uns, umschloss uns für einen Moment und löste sich dann auf.
Ich schaute zu der Gestalt auf. Natürlich war es Liz. Wie stets war sie wunderschön in ihrer Ausstrahlung, und hoch auf dem Rappen wirkte sie noch majestätischer, aber auch kriegerischer.
Sie stieg ab unter dem stumpfen Klirren ihres Harnischs und kam mit schweren Schritten auf mich zu, packte mich am Arm und zerrte mich wortlos mit sich.
Wohin wollte sie? Weit und breit war kein Ziel zu erkennen. Nur Leere und Nichts. Ich folgte ihr. Der Griff um meinen Arm war fest und kompromisslos. Mir schien, dass ihre Finger bis auf meinen Knochen durchdrangen. Ich tat mein Bestes, ihr zu folgen, aber es war mühsam.
Schließlich blieb sie stehen und schubste mich nach vorne.
Ich drehte mich um, sah sie an.
Liz stand dort, breitbeinig und zeigte auf den Boden. Ich folgte der imaginären Linie ihrer Hand. Sand, der träge vom Wind herum gerollt wurde. Mehr war nicht zu sehen.
Und dann entstieg dem Boden ein Knirschen. Es war erst leise und dumpf, wurde dann aber immer gewalttätiger. Es klang, als würde die Erde schmerzverzehrt klagen und gleichzeitig grollend drohen.
Und dann konnte ich etwas erkennen. Risse entstanden im Boden, ein Rechteck bildete sich. Ungefähr in den Ausmaßen eines Grabes. Und das Grollen wurde stärker, und das Rechteck versank im Boden. Es verschwand einfach unter dem mahlenden Geräusch, senkte sich tiefer und tiefer, bis die Grube etwa einen halben Meter tief war. Liz schubste mich an den Rand dieser Grube und bedeutete mir zu schauen. Am Boden bewegte sich etwas. Es war erst schwer zu erkennen, weil es so winzig war, aber dann war es doch eindeutig. Aus dem Boden wuchsen Tropfen. Sie drangen nicht an die Oberfläche wie ein Rinnsal, sondern wuchsen. Langsam wölbten sich die silbernen Tropfen wie quecksilberne Kuppeln, wurden größer und größer, bedeckten erst eine kleine Fläche, verbanden sich zu immer weniger, aber immer größeren Flächen, bis schließlich der gesamte Boden bedeckt war. Aber auch dann hielt es nicht inne. Langsam stieg der Pegel, bis er schließlich den Rand der Grube erreicht hatte. Und dann schwankte die Flüssigkeit langsam und träge in diesem Pool, silbern und schwerer als Wasser. Künstlich. Wie erfundenes Wasser. Die Sonne spiegelte sich in dieser Flüssigkeit, klar und wuchtig, obwohl ein Blick an den Horizont mir denselben ausdruckslosen Himmel offenbarte, aber keine Sonne.
Liz bedeutete mir wortlos, dass ich in diese Grube steigen sollte. Ich zögerte kurz, blickte sie an, aber ihre Augen duldeten keinen Widerspruch, und ich ergab mich ihrer Entschlossenheit. Was hatte ich ihr entgegenzusetzen?
Ich setzte meinen Fuß an den Rand und tauchte langsam in diese Flüssigkeit ein. Sie war warm. Angenehm von der Temperatur, fühlte sich aber schwer an. Sie schien sich um meine Zehen zu schmiegen, an meinem Fuß hinauf zu kriechen wie eine lebendige Kreatur. Ich tauchte gegen den Widerstand meines Verstandes mein gesamtes Bein hinein, ließ es verschwinden in der Flüssigkeit. Es schien darin eine andere Farbe anzunehmen, auszubleichen, Auch hatte ich das Gefühl, als kribbele es, als schäume es, wie Wasserstoffperoxyd auf einer Wunde schäumt. Es gab objektiv keinen Grund, Angst zu empfinden, und dennoch war das Gefühl beunruhigend.
Schließlich stand ich mit beiden Beinen in der Grube, und Liz befahl mir mit einem Fingerzeig, mich zu setzen. Ich gehorchte, beugte die Knie, ließ auch meine Oberschenkel von der Flüssigkeit umfangen.
Als mein Unterleib eintauchte, geschah erneut etwas Seltsames. Das Wasser begann zu pulsieren. Es war, als wollte die Flüssigkeit in mich eindringen, als würden die Moleküle erregt durch mein Geschlecht darum kämpfen, meine zarte Haut auseinander zu pressen und in mich einzudringen.
Ich setzte mich schließlich, ließ auch meinen Oberkörper in der Flüssigkeit verschwinden. Als sie meine Brüste umschloss wühlte das silbrige Wasser sich wieder auf, reizte meine Nippel und brachte sie zum Erigieren.
Schließlich lag ich bis zum Hals in der Flüssigkeit.
An die seltsame Konsistenz hatte ich mich langsam gewöhnt, doch immer noch kribbelte die Flüssigkeit an meiner Haut, an meinen Nippeln, versuchte in mich einzudringen.
Das Kribbeln hörte nicht auf mich zu stimulieren. Es begann sich zu verändern. Erst waren es sanfte Wellen, die an mich brandeten, eine fast unmerkliche Strömung.
Doch bald war es nicht mehr zu ignorieren, wie die Flüssigkeit sich an mich presste mit vereinter Kraft gemeinsam wirkender Moleküle. Ein Pressen und Streben.
Dazu das Schäumen um meine Brüste, das Spritzen und Zischen der winzigen Tropfen, die sich an meinen Brustwarzen reiben wollten.
Beseelt.
Von guter Natur?
In dieser kalten Umgebung?
Und das Pochen in meinem Schoß. Das Liquid, das eindringen wollte in mich, in mein Inneres wollte.
Sollte ich nachgeben? Sollte ich ihm nachgeben?
Wie es sich in meiner Scham verirrte und wogte. Kribbelnd und betörend.
Es begann seine Wirkung zu tun. War ich zunächst noch unsicher, so ließ mein Widerstand nach. Ich begann auf die Flüssigkeit zu hören, ich begann ihre Nachricht auf mir zu verstehen, und ich lauschte ihr. Es war ein Drängen, animalisch, aber auch verwirrend. Wie der beschwörende Tanz einer Kobra.
Lass uns in dich.
Lass uns hinein.
Öffne dich!
Wir wollen dir keinen Schaden zufügen.
Lass uns hinein.
Unsere Absichten sind gut.
So flüsterten sie. Leise, aber unüberhörbar.
Und die Flüssigkeiten meines Körpers reagierten.
Sie drängten mich auch, nachzugeben, drückten ihre Erregung aus, ihre Geilheit.
Und ich sank dahin, ergab mich dem multiplen Liebesspiel. Es war schön, es war zweifellos.
Lange hatte ich die Augen geschlossen, um mich auf die Flüssigkeit zu konzentrieren. Als ich nach einiger Zeit hinauf blickte, stand dort am Rand der Grube Liz kriegerisch und furchteinflößend.
Sie schien in Verbindung zu stehen mit den Flüssigkeiten, die nun weiter stiegen, meinen Körper umschmeichelten und silbern glänzten. Sie erreichten den Ansatz meines Halses, und ich räkelte mich, streckte den Kopf nach hinten, öffnete den Flüssigkeiten meinen Körper.
Und sie stiegen höher und höher, erreichten mein Kinn.
Gib dich uns hin.
Gib dich her.
Wir haben Gutes im Sinn.
Es ist etwas Gutes.
Gutes.
Gutes.
Gutes.
Die Stimmen waren hypnotisierend, ich schloss die Augen, ließ die sanften Stimmen auf mich wirken. Die silberne Flüssigkeit hatte meine Ohren erreicht, sie umspült. Das Geräusch klang nun noch viel sanfter und wahrhaftiger. Ich war bereit, ihr zu glauben, wenn Liz es befahl. Zweifellos. Wie konnte Gefahr von solch schönen Stimmen ausgehen?
Die Flüssigkeit streichelte meine Wangen. Es war sanft und zart wie das Streicheln einer Geliebten.
Ich blickte auf. Liz stand dort majestätisch und erhaben in voller Montur weit über mir.
Sie hatte die Flüssigkeit zum Stillstand gebracht. In sanften Wellen, die sich selbst bewegten, um mich zu liebkosen und zu streicheln. Die Wellen und Strömungen umspielten meinen gesamten Körper, strichen zwischen meinen Schenkeln, kreisten um meine Brüste, fuhren meine Schenkel hinauf. Ich spreizte meine Beine, um ihr den Zugang zu mir zu gewähren. Es waren Liz‘ Liebkosungen. Sie kontrollierte die Flüssigkeit.
Sie sah erwartungsvoll auf mich herab und wartete, dass ich ihr meinen Konsens gab, dass ich zustimmte und der Flüssigkeit, die meine Lippen liebkosten, die Erlaubnis gab, in mich zu dringen.
Ich sah Liz an, erwartete eine Regung, wollte einen Rat von mir, war mir nur noch ein winziges Wenig unsicher ob der seltsamen Flüssigkeit.
Doch in ihrer Miene, weit, weit über mir, konnte ich keine Regung erkennen. Starr starrte sie zu mir herab. Ich konnte ihr Gesicht nicht lesen und beschloss daher, dass sie es gut meinte, beschloss einen sanften Zug um ihre Lippen auszumachen, beschloss, dass ich mich ihr hingeben konnte.
Und gab meine Zustimmung.
Keine Sekunde später stieg die Flüssigkeit wieder in der Grube, umschloss meine Lippen und floss nun warm und vorsichtig in meinen Mund, umspülte meine Mundhöhle und drang tiefer und tiefer in meinen Schlund. Ich spürte sie in meinen Körper eindringen.
Ich sah Liz an, und nun glaubte ich mir sicher zu sein, ein Signal der Zustimmung in ihren Augen zu erkennen.
Die Flüssigkeit ergoss sich in mich, breitete sich in mir aus, schien gar meine Adern zu infiltrieren und jede Zelle meines Körpers zu erreichen. Ich spürte dieses wohlige Gefühl der Wärme, das mich erfüllte. Wie in Watte gelegt, entrückt und dennoch wach, geborgen und sicher.
Ich war mit mir im Reinen, ich war zufrieden, wie ich es nie zuvor gewesen war. Im Angesicht meines Zustands der vollkommenen Erfüllung hatte ich das Wort Glück zuvor immer falsch verwendet.
Ich sah zu Liz auf, und sie nickte zustimmend und ich sah, wie ihre Mundwinkel sich zu einem breiten Lächeln ausbreiteten. Sie war zufrieden mit mir, und damit war ich glücklich. Es gab nichts, an dem mir mehr lag als an ihrer Zustimmung.
Ihr Lächeln wurde breiter.
Die Mundwinkel zogen sich auseinander, nun sah es spöttisch aus und überlegen.
Ich dankte ihr dafür, dass sie so weit über mir stehend immer noch deutlich machte, wie unsere Rollen verteilt waren und mit welcher Hoffart sie das Recht hatte, mich zu behandeln.
Breiter wurde das Lächeln.
Nun erschien es langsam surreal und unnatürlich mit ihren Mundwinkeln, die von einem Ohr zum anderen reichten.
Breiter immer noch wurde das Lächeln.
Ich war irritiert.
Etwas veränderte sich.
Veränderte sich in mir.
Ich spürte es.
Liz öffnete den weiten Mund und lachte nun, und bleckte Dutzende von Dutzenden Zähnen, alle fein säuberlich geschliffen zu kleinen Dolchen. Ihr Gesicht war nun zu einer Fratze entstellt.
Und in diesem Moment änderte sich die Flüssigkeit in mir. Sie wurde spitz und scharf wie die Liz‘ Zähne, durchbohrten mich, alles in mir, jede meiner Zellen. Ein Schmerz so unerträglich man ihn sich nicht vorstellen konnte, explodierte überall in meinem Körper gleichzeitig.
Und wie die Flüssigkeit steif und hart wurde, versteinerte auch mein Körper mit den gespreizten Beinen und dem nach hinten gebogenen Rücken, der meine Brüste obszön in die Luft recken ließ.
Steinerne Kälte breitete sich aus, und das letzte, das ich sah, bevor mein Körper vollständig erstarrte in einem unmenschlichen Schmerz war, wie Liz sich zufrieden abwandte und lachend von der Grube trat und mich sterben ließ.
Ich war schweißgebadet und mein Herz schlug Stakkatos in meiner Brust. Ich atmete tief ein und aus, um wieder die Kontrolle zu erhalten.
Was hatte ich da geträumt?
Ich stand auf, da ich wusste, dass ich nicht mehr würde einschlafen können, und ich hatte zu viel Angst, dass dieser Traum zurückkehren könnte.
So lief ich ziellos durch meine Wohnung, trank ein Glas Orangensaft in der Küche und lief weiter durch die Wohnung, schaltete den Fernseher an, der mir sagte, dass es halb Drei in der Nacht war. Ich flippte zwischen einigen Sendern hin und her, um dann das Fernsehen auszuschalten und ins Bad zu gehen. Ich schüttete mir kaltes Wasser ins Gesicht und wurde durch mein Spiegelbild zur Rede gestellt.
Was sollte ich aus diesem Traum lernen? Ich hatte die anderen Träume genossen, hatte mich am nächsten Tag über die Surrealität gewundert, aber diese hingenommen. Ich hatte die Erotik bewundert und war überrascht gewesen, dass ich feuchte Träume hatte. Etwas, das ich seit Jahren nicht mehr erlebt hatte.
Und nun dieser Traum? Nicht sehr schwer zu entschlüsseln, auch wenn ich nicht die größte Psychoanalytikerin der Welt war.
Dieser Traum stellte eine Warnung dar. Mein Unbewusstsein sagte mir, dass ich Liz nicht vertrauen konnte, dass sie nicht gut für mich war, dass es ihr nur um sie selbst ging und sie bereit war, mich zu opfern auf dem Altar ihrer Eitelkeit.
Diese Analyse kam mir nicht so fremd vor. Ich war nicht allzu überrascht.
Aber sollte es mir zu denken geben? Ich wollte es nicht. Ich wollte mich nicht mit dem Gedanken beschäftigen, wie schädlich sie für mich sein könnte. Und wie sehr schadete sie mir wirklich, wenn ich an all die guten Zeiten dachte, an den intensiven Sex und diese großartigen Gefühle, die ich nie zuvor gespürt hatte?
Ich konnte einfach nicht von ihr lassen. Sie war wie der Honigtopf für die Biene oder das Crack für den Abhängigen. Nein, so dann doch nicht.
Ich sah in den Spiegel und dort ein Gesicht, das ein Recht hatte auf Glück und Geborgenheit und sich nichts einreden lassen wollte, auch nicht von seinem törichten Gewissen, das sich außer in Träumen nicht ausdrücken konnte oder wollte.
Ein weiteres Mal schüttete ich mir Wasser ins Gesicht und ging dann zu Bett.
Doch schlafen konnte ich nicht. Immer wieder wälzten sich die Fragen hin und her in meinem Kopf.
Und auch in den nächsten Tagen sollte sich dieses nagende Gefühl, dass ich einen Fehler beging, nicht abschalten lassen. Immer wieder zerrte es an mir.
Einige Tage lang hatte Liz nichts von sich hören lassen, und in diesem Fall war ich darüber auch nicht undankbar. Die letzte Zeit war zu intensiv gewesen und die letzten Begebenheiten hatten mich erschüttert in meinem Glauben an sie. Insofern war ich froh, die Gelegenheit zu erhalten, ein wenig Luft zu schnappen und mich anderen Dingen zu widmen. Meine Arbeit hatte zwar nicht gelitten während unserer gemeinsamen Zeit, aber es hatte schon etwas Befreiendes, sich wieder vollkommen dem Beruf hinzugeben.
Trotzdem war ich glücklich, als Liz sich eine Woche später bei mir meldete, und alle Zweifel waren mal wieder davon gewischt. Stattdessen stellte sich wieder das Herzklopfen ein, das ich in unseren ersten Tagen gespürt hatte, und ich war gespannt, was sie sich nun für uns ausgedacht hatte. Die Ahnung, dass ich wie ein Junkie ihr verfallen war und nicht von ihr loskam, streifte nur kurz meine Gedanken.
Sie hinterließ mir kleine Nachrichten. Sie steckten hinter meinem Scheibenwischer, im Briefkasten, erreichten mich via SMS, einmal las ich, als ich in einen Klassenraum kam quer über die Tafel geschrieben:
„Das Wochenende wirst du nicht vergessen!“ und darunter war ein riesiges Herz gemalt, das von Stacheldraht umschlungen war.
Ich wusste, dass dies eine Nachricht von Liz war, weil sie einmal bei einem Liebespiel, bei dem sie mich mit Handschellen an das Bett gefesselt hatte, mir mit einem Edding dieses Symbol auf den Bauch gemalt hatte.
Ich erinnerte mich gerne an die betreffende Nacht zurück und hätte am liebsten die Nachricht auf der Tafel belassen und abfotografiert.
So wischte ich die Nachricht mit Wehmut fort.
Hinter meinem Scheibenwischer steckte ein kleiner Zettel mit nur einem Satz: „Nehmen Sie sich für das Wochenende nichts vor. Sie gehören mir!“
Per SMS erhielt ich die Nachricht: „Freitag 19 Uhr bei mir. Sie dürfen zwei Kleidungstücke und Schuhe tragen.“
Eine weitere SMS: „Bringen Sie so eine Papiertüte mit, in die man den Biomüll wirft!“
In meinem Briefkasten ein winziger Brief: „Sie werden das nächste Wochenende nicht vergessen.“
Am Donnerstag ziemlich genau um Sieben: „Noch 24 Stunden bis zur geilsten Nacht Ihres Lebens!“
Was mich aber wirklich berührte, war, dass überall diese kleinen Herzchen waren. Ich interpretierte dies als Zeichen ihrer Verbundenheit, ja sogar als Zeichen von Liebe. Das Herz war zweifellos das Symbol dafür und der Stacheldraht deutete lediglich unsere besondere Beziehung an.
Sie buhlte um mich, bemühte sich um mich. Das war ein Zeichen ihrer Zuneigung und ihrer Wertschätzung. Ein Satz hätte gereicht, und ich wäre zu ihr gekommen und hätte ihr gedient. Aber sie schickte mir all diese Nachrichten, radelte zu meinem Haus, nur um eine Nachricht im Briefkasten zu hinterlassen. Sie bemühte sich um mich. Konnte ich mehr verlangen?
Sie musste verstanden haben, dass sie mich bei unserer letzten Begegnung verletzt hatte, und nun wollte sie es wieder gut machen. Welche bessere Form hätte sie finden können?
Eine „Domina“ entschuldigte sich nicht bei ihrer „Sklavin“. Ich verstand das, aber ich erwartete es auch nicht, diese Zeichen der Zuneigung, was konnte ich mehr erwarten, was wollte ich mehr?
Mit diesem Gefühl sehnte ich mich des Wochenendes entgegen, räumte im Vorfeld so viel Arbeit aus dem Weg, wie ich nur konnte, und achtete auf mich. Ich besuchte den Friseur und die Nagelpflege und brachte mehr Zeit als notwendig und angemessen damit zu, mich zu fragen, welche zwei Kleidungsstücke ich tragen sollte.
Ich war gewillt, sie zu überraschen. Warum nicht nur ein einziges? Warum nicht nur ein luftiges Kleid, das sich hob, wenn ich Pirouetten drehte, meine Beine entblößte und vielleicht sogar mehr?
Wie wäre es mit meinem langen schwarzen Ledermantel und nichts darunter? Hans hatte ihn nie gemocht, hatte spöttisch gemeint, ich sähe darin wie eine Gestapo-Agentin aus, und so hatte ich aufgehört ihn zu tragen.
Ich stellte mir den Anblick vor, wenn ich nur mit diesem Mantel bekleidet in ihrer Wohnung stand, den Gürtel öffnete, sodass er langsam meine Nacktheit ihren Blicken enthüllte.
Schließlich entschied ich mich jedoch gegen diese radikale Variante. Ich wusste nicht, was sie vorhatte, und wenn sie mich in die Öffentlichkeit schickte, war nur dieser eine Mantel zu viel oder besser zu wenig des Guten. Meine eigene Courage ging mir verloren bei dem Gedanken, was sie wohl mit mir vorhatte.
Ich wählte eine Kombination meiner Ideen. Für das Sommerkleid und den schweren Mantel. Ich machte eine ausgiebige Anprobe, lief in meiner Wohnung nur mit dem Kleid bekleidet herum, spürte wie der Stoff meine Brustwarzen streichelte und stimulierte und den Luftzug an meinem Geschlecht, als ich auf den Balkon ging, wo eine kleine Brise wehte.
Als ich nach Sonnenuntergang noch zum Briefkasten musste, wagte ich mich gar kurzentschlossen nur mit diesen beiden Kleidungsstücken auf die Straße, genoss meinen latenten Exhibitionismus, das Gefühl auf der Haut, meine spärlich verhüllte Verletzlichkeit.
Ich hatte Schwierigkeiten in diesen Tagen, die Hände bei mir zu behalten, und doch wollte ich keusch bleiben für sie. Es war vermutlich irgendein Aberglaube, der mich dazu brachte zu glauben, dass ich dadurch erregter würde oder mehr Hormone oder Endorphine oder was auch immer produzierte.
Ich wollte jedenfalls meinen Teil zu diesem Abend beitragen.
Dazu gehörte auch, dass ich mir die Schere und den Rasierer schnappte und mich bis zu einen kleinen Streifen rasierte. Es war etwas, das ich bisher nicht getan hatte, weil es mir seltsam vorkam, mich daran erinnerte, wie ich als kleines Mädchen ausgesehen hatte. Aber Liz war vollkommen rasiert, wie es wohl die meisten Mädchen waren, und ich empfand Spaß daran, so zwischen meinen Schenkeln nach Haaren zu fahnden und dort zu werkeln.
Und mein Anblick im Spiegel gefiel mir. Ausgiebig betrachtete ich mich, wie lange nicht mehr, vielleicht zuletzt in der Pubertät, um zu ergründen, wie Liz mich sah und um mich mit ihr zu vergleichen.
Meine kürzlich gefundene Homosexualität hatte mich dazu gebracht, mich mehr mit der Anatomie des anderen Geschlechts zu befassen. Ich war nie diejenige gewesen, die dafür ein besonderes Interesse gehegt hatte, hatte im Schwimmbad in der Dusche oder in der Sauna nie anderen Frauen besonders nachgeschaut. Doch mit dem Eintritt Liz‘ in meine Sexualität hatte sich mein Interesse an der weiblichen Physis sehr geändert, und ich hatte einen Anreiz gefunden, mein Aussehen in diesem Angesicht neu zu untersuchen.
Ich besorgte die Papiertüte und stellte sie auf den Wohnzimmertisch und fragte mich, was es damit auf sich hatte, was sie im Schilde führte und was sie darin aufbewahren wollte.
So hatte mich ein neuer Frühling ergriffen und eine neue Verliebtheit. Ich war bereit, Liz zu verzeihen, hoffte auf eine neue Stufe unserer Beziehung.
Aber so genau wollte ich in diesen Gedanken nicht eintreten.
Es war vollkommen ausgeschlossen, dass wir unsere Beziehung offiziell machen könnten, dass die Öffentlichkeit davon erführe. Ich wollte mich diesem Druck nicht aussetzen, nicht wissen, dass man hinter meinem Rücken redete, keine versteckten Sanktionen ertragen müssen. Ich wollte nicht, dass man meine Eignung Lehrerin zu sein infrage stellte. Ich war in dieser Beziehung mit mir im Reinen. Liz war nicht meine Schülerin, sie war zufällig an der Schule, an der ich auch war. Das war alles. Nie hatte ich einem Schüler oder einer Schülerin, die ich unterrichtete, nachgeschaut, nie einen unzüchtigen Gedanken gehegt. Aber ich wusste auch, dass eine solche Differenzierung in der Öffentlichkeit keine Bedeutung hätte. Man würde mich verurteilen und meinen Lebensstil verurteilen. Man würde mich als eine Gefahr ansehen und meine Homosexualität automatisch in die Nähe der Perversion und der Pädophilie rücken.
Es gab einfach keine Möglichkeit, zu diesem Zeitpunkt in die Öffentlichkeit zu gehen. Liz und ich hatten lediglich eine Zukunft hinter verschlossenen Türen und innerhalb von vier Wänden.
Aber diese Gedanken belasteten mich in diesen Tagen nicht, wenn ich auch nicht verhehlen kann, dass sie es in manch anderer Nacht getan hatten.
Mein Auto hatte ich um die Ecke geparkt aus Gründen der Diskretion. Es waren nur ein paar Hundert Meter. Eine spontane Eingebung war es mehr gewesen als eine konkrete Sorge. Ich war ein paar Minuten zu früh dort gewesen, war ein wenig die Straße auf und abgelaufen und klingelte um Punkt 19 Uhr. Ich wollte höflich sein und ihr meinen Respekt zeigen. Ich achtete ihre Anweisungen und befolgte sie auf die Minute genau.
Kurz nachdem ich geklingelt hatte, hörte ich auch leise durch die Tür das Läuten einer alten Standuhr. Ich lächelte zufrieden. Hatte Liz nicht auf die Uhr geschaut, so wusste sie nun doch, dass ich pünktlich war.
Liz lebte mit ihren Eltern zusammen in einer der besten Wohngegenden. Einem Stadthaus neben dem nächsten in einer Allee mit ganz alten Häusern. Ich wusste nicht, was ihre Eltern beruflich machten. Liz erzählte nicht von ihnen, und ich fragte nicht.
Das Thema war mir unangenehm.
Ich hatte sie noch nie gesehen, ein einziges Mal hatte ich einen etwas älteren Jaguar in der Einfahrt stehen sehen, und obwohl ich keine Ahnung von Autos hatte, assoziierte ich das Gefährt mit einer alten, konservativen Familie, die vor vielen Jahren sich mal aus eigener Kraft hochgearbeitet hatte und das nun auch zeigen wollte, aber sich eben ein wenig im Geschmack vergriff. Neureich eben. Aber meine Gedanken waren zusammenfantasiert und ein wirkliches Urteil wollte ich mir nicht bilden.
Liz sprach nicht von ihnen, erwähnte nur hier und da ein paar Probleme, die ich aber unter den typischen Teenager-Problemen verbuchte.
Noch nie war ich in dem Haus gewesen, ein paar Mal aber daran vorbei geradelt.
Nun stand ich da in meiner Kleidung, die von Weitem seriös und nicht besonders interessant aussah, aber eben meinen nackten Körper nur mit wenigen Kleidungstücken verbarg.
Ich hörte Liz durch die geschlossene Tür eine Holztreppe hinunter stürmen und sah sie dann im gleichen Augenblick durch das geschliffene Glas, das in die schwere Haustür eingelassen war.
Ihre Haare flogen hinter ihr her und sie lächelte.
Und ihr Lächeln machte mich glücklich.
Als sie die Tür öffnete, fiel sie mir direkt um den Hals und küsste mich so stürmisch, dass ich einen Schritt zurück machen musste, um nicht rücklings hinzufallen.
Sie lachte, als wir fast das Gleichgewicht verloren, ließ mich los, sah mich an, lachte aufgeweckt, erschrak dann ein wenig, trat an mir vorbei und sah nach draußen auf die Straße, schaute nach links und rechts, ob uns niemand gesehen hatte, und zog mich dann in das Haus mit den Worten:
„Schön dich zu sehen!“
Sie sah mich an, lachte wieder, fiel mir erneut um den Hals, küsste mich und drückte dabei ihren Körper an meinen. Ich spürte ihre Brüste durch meinen Mantel und legte meine Hände um ihre schmale Taille.
Es waren warmherzige Gesten und sie berührten auch mein Herz.
In diesem Moment hätte ein entfernter Beobachter uns für zwei gute Freundinnen halten können. Nun vielleicht nicht ganz, vielleicht waren wir bei diesem Kuss eine Spur zu intim und nah.
Doch dieser Satz: „Schön dich zu sehen“, klang in meinen Ohren so vertraut, auch so harmlos, dass er für mich fast wie eine Liebeserklärung galt.
Liz war in einer guten Stimmung, duzte mich in einer vertrauten Art und Weisem, nicht abschätzig, sondern gleichberechtigt, und als ich sie ansah und in ihre leuchtenden Augen blickte, da fragte ich mich, womit ich so jemanden wie sie eigentlich verdient hätte.
Als sie sich von mir löste, hielt sie meine Hände fest und sprach:
„Lass mich dich ansehen!“
Und so musterte sie mich, aber eben nicht von oben herab, sondern wie eine Freundin, die sich interessiert und einen Aufhänger für ein Kompliment sucht. Und in der Tat kam es auch.
„Du hast aber einen verdammt schicken Mantel an! Den habe ich an dir noch nie gesehen!“
„Danke, ich habe mir gedacht, dass er dir gefällt!“
„Dieses schwere, glänzende Leder und darunter diese superschöne Haut deines Ausschnitts! Du machst mich ganz wuschig!“
Ich wusste nicht, was ich sagen sollte, so perplex war ich. War das ihr erstes Kompliment? Nein, ich erinnerte mich an andere zuvor, aber dennoch war es das erste in einer Art und Weise, die ich nicht genau bestimmen konnte.
Sie löste den Gürtel meines Mantels und öffnete ihn, dann musterte sie mein Kleid darunter.
„Auch nicht schlecht!“
Ihre Hände glitten unter dem Mantel nun an meine Taille und hielten mich fest.
„Vielen Dank. Und wie du befohlen hast, nur zwei Kleidungsstücke!“
Ich zwinkerte ihr zu, lächelte und war über meine eigene Wortwahl ein wenig erstaunt. Das „befohlen“ passte nicht in unsere Konversation, und dem beiläufigen Beobachter, den ich mir ausmalte, wäre dieses Wort sicherlich aufgefallen.
Liz zog mich wieder an sich heran und küsste mich erneut.
Es fühlte sich einfach nur richtig an.
Schließlich zog sie mich in Richtung Wohnzimmer, und ich erhaschte nur einen kurzen Blick auf die Eingangshalle, die feudal und edel aussah. Weiße Wände, Stuckverzierungen und dunkle Holzmöbel. Ich sah in die geöffnete Küche, wo ein paar Flaschen Cola und Bier auf der Arbeitsplatte standen und ein paar Tüten Chips und Knabbereien lagen. Ich schloss aus ihrer Stimmung und den Indizien also auf einen gemütlichen Abend vor dem Fernseher, ein oder mehrere DVDs und dann ...
Vielleicht ein paar lesbische Pornofilme? Ich musste bei dem Gedanken grinsen. Noch nie hatte ich dergleichen gesehen. Es hatte mich bisher nicht interessiert, und als ich einmal im Internet nach lesbischen SM-Videos gesucht hatte, war ich nur fündig geworden mit ganz groben, unerotischen, brutalen Videos, die keinerlei Erotik, sondern nur Degradierung und das Zufügen von Schmerzen thematisierten. Mein Interesse war ganz schnell abgekühlt. Aber vielleicht hatte sie ja mehr Expertise auf diesem Gebiet und kannte ein paar gute Filme, die es ja schließlich auch geben musste.
Sie zog mich hinter sich her zu der Couch, streifte mir den Ledermantel ab und fiel dann über mich her.
Ihre Hand griff grob in meinen Schritt, vielleicht um zu prüfen, ob ich wirklich nichts unter meinem Kleid anhatte. Ich öffnete ihr mich und meine Beine und war erstaunt darüber, wie schnell sie zur Sache kam.
„Weg mit dem Fetzen!“, flüsterte sie anzüglich und zog mir dann das Kleid in einer schnellen Bewegung über den Kopf und warf es hinter die Couch. Dann schubste sie mich auf das Sofa. Das Leder fühlte ich kühl auf meiner Haut und irgendwie unangenehm, umso wärmer waren ihre Lippen. Ich konzentrierte mich auf letztere, und in der Tat schaffte sie es, meine Gedanken wegzuschwemmen.
Etwas irritierte mich. Es war wohl die fremde Umgebung, die mich unsicher machte. Bisher hatten wir uns immer bei mir getroffen und dort gespielt. Nun war ich nicht mehr in der Sicherheit meiner eigenen Wohnung, sondern in einer fremden. Der Gedanke war etwas albern, und doch beschäftigte er mich und sorgte dafür, dass ich mich nicht gleich so fallen lassen konnte, wie ich das eigentlich gerne getan hätte.
Vielleicht war es auch der Gedanke, dass ich in der Wohnung einer Schülerin war, dass ihre Eltern, wenn auch nicht anwesend, immer präsent waren und mir die Umgebung ein schlechtes Gewissen einredete, weil ich mit der Tochter der Hausherren, einem halben Kind noch in deren Augen, solche Dinge trieb.
Ich schob den Gedanken beiseite. In diese Richtung wollte ich auf keinen Fall gehen.
Der Gedanken verblasste erst langsam, dann war er verschwunden.
Stattdessen konzentrierte ich mich auf das Knarren des alten Leders und Liz Berührungen. Sie streichelte mich, küsste mich, dirigierte mich, führte mich.
Und ich gab mich ihr hin wie einer Droge. Ich konnte nicht genug bekommen, lechzte nach ihr, nach jeder Berührung. Es war schön, wie es immer schön war, und ein Gedankenfetzen flog an meinem Verstand vorbei, der mir sagte, dass meine Sorgen unbegründet wären.
Ich glaubte mir.
Und es war immer anders. In diesem Augenblick hatte ich das Gefühl, dass sie sich besondere Mühe gab. Mich zu stimulieren und erregen. Als starre sie von Zeit zu Zeit auf die Uhr, gar als wären ihre Bewegungen mechanischer Natur, als klapperte sie routiniert all meine ihr bekannten erogenen Zonen ab, streichelte mich mal zwischen den Schenkeln, küsste dann meine Brüste, strich über meinen Haaransatz und dann über meinen Bauch.
Ich war erst irritiert, dann gefiel mir der Gedanke, dass sie mich wie ein Objekt manipulieren konnte, mich einfach durch ihre Kenntnis meines Körpers dazu bewegen konnte, Dinge zu fühlen und zu empfinden, dass ich keinen Einfluss hatte und mich nicht gegen ihre Manipulationen wehren konnte. Und in der Tat konnte ich mich in dieser Phantasie einleben, konnte fühlen, wie sie nicht bei der Sache war, wie ihre Gedanken anderswo weilten, sie mich aber mechanisch streichelte und manipulierte. Wie eine Gynäkologin, die vielleicht eine Patientin stimulieren müsste, um eine bestimmte Untersuchung durchführen zu können. Sie würde das ebenso klinisch und steril tun, ohne selbst involviert zu sein.
Ich mochte den Gedanken, für sie nichts als ein Stück Fleisch zu sein, welches man nach Belieben hierzu und dorthin bringen konnte, formen konnte. Wie ein dressiertes Hündchen, das Mätzchen machte, wenn man es von ihm verlangte, eine Art My Fair Lady, nicht mehr!
Traf es das nicht auch perfekt? Was war ich mehr als ihr kleines Hündchen?
Wo mochten ihre Gedanken nun wirklich sein? Ich wusste es nicht, ich war auch nicht in der Lage, diese Dinge zu durchdenken. Es waren nur kleine Gedanken-Inseln in einem Meer von Reizen.
Was mich beherrschte, waren ihre Hände, war ihr Körper auf meinem, waren ihre langen Haare, die mir über das Gesicht strichen und mich streichelten, kitzelten, elektrisierten. Was mich beherrschte war ihr nackter Bauch auf meinem. Sie hatte ihr Shirt hochgeschoben, und so spürte ich ihre raue und harte Jeans auf meinen Schenkeln, den metallenen Gürtel, der sich in meine Hüften bohrte, ihr weicher, aber gleichzeitig muskulöser Bauch auf meinem, der so viel Wärme abgab.
Darüber eben das ständige Knarren des alten Leders und sein etwas muffiger Geruch.
Ich hätte in diesem Augenblick vergehen können, hätte sterben können, wenn nur immer dieser Moment mir bleiben könnte.
Als es an der Tür klingelte, erschrak ich. Ich hatte das Läuten zuvor schon gehört, vor vielleicht einer Stunde, die mir nun aber wie eine Ewigkeit vorkam. Aber da hatte ich vor der Tür gestanden und das Geräusch nur gedämpft wahrgenommen. Nun erschreckte es mich.
Liz blieb hingegen ganz ruhig und schien nicht überrascht. Wen wunderte es auch, schließlich war es ihr Zuhause und sie hatte das Türklingeln schon Hunderte Male gehört.
Sie richtete sich auf, sah mich einen Moment an mit einem verschmitzten, vielleicht sogar etwas missgünstigen Lächeln auf den Lippen, das ich ansonsten aber nicht deuten konnte.
„Komm, ich verstecke dich!“
Damit stand sie auf, zog mich von der Couch und zog mich hinter sich her.
Mein nackter Körper schrie vor Frustration. Gerade noch waren wir so eng ineinander verschlungen gewesen in einem dieser Momente, die niemals enden durften, und nun wurden wir durch diese vermaledeite Türglocke so rabiat gestört.
Wir zwei kleine Schulmädchen liefen wir Hand in Hand durch das große Haus, wenn ich dabei nicht nackt gewesen wäre und der Luftzug zwischen meinen feuchten Schenkeln nicht meine Erregung grausam gekühlt hätte.
Liz zog mich eine Treppe hinunter in den Keller des Hauses, dann einen Gang entlang, doch statt in den Raum zu laufen, der vor uns schwach beleuchtet war, öffnete sie eine schwere Metalltür und schubste mich unsanft in einen kleinen Raum.
Ich war zu verwirrt, um zu reagieren, sah sie nur fragend an.
Doch sie sagte nur:
„Hier ist es am Sichersten. Wer weiß, wer da klingelt. Man weiß ja nie!“
Dann schloss sie die Tür mit einem lauten Knall, und ich war allein in diesem kleinen, dunklen Kellerraum. Nur durch das Schlüsselloch und einen Spalt unter der Tür fiel ein wenig Licht hinein. Doch ich hatte gerade noch einen Lichtschalter gesehen, als Liz die Tür zugeschlagen hatte, und so tastete ich mich daran, diesen in der Dunkelheit zu finden. Und in der Tat fand ich ihn auch und konnte eine kalte Neonröhre an der Decke zum Leuchten bringen.
Ich war in dem Heizungsraum der Villa. Eine große Anlage mit allerlei Technik, die ich nicht verstand, und zwei großen Boilern stand dort, auf der anderen Seite eine Waschmaschine und ein Wäschetrockner. Sonst befand sich nichts in diesem Raum.
Liebe Leser,
verzeihen Sie bitte, dass ich Sie aus dem Lesestrom reiße und mich hier zu Wort melde.
Sie haben bis hierhin gelesen und sehen an den wenigen verbleibenden Seiten, dass diese Geschichte bald zu Ende gehen muss. Bevor ich weiterschreibe, muss ich etwas aus meinem Herzen bekommen. Vielleicht haben Sie diese Geschichte als erotisch und anregend empfunden, vielleicht hatten Sie gar Freude an der Lektüre. Es würde mich freuen, wenn dem so wäre.
Das ist aber nicht der Grund, weshalb ich sie aufgeschrieben habe, zumindest nicht der Hauptgrund.
Ich habe sie geschrieben, um sie loszuwerden, um sie von meiner Seele zu bekommen. Ich kann sie niemandem erzählen, weil das das Ende meiner Karriere wäre. Niemand hätte Verständnis für die Dinge, die ich bis hierhin getan habe. Ich hätte es vorher wissen müssen, ich hätte mich nicht auf diese wilde Liebelei einlassen sollen.
Im Nachhinein ist man so viel klüger. In diesen Momenten jedoch lässt man sich von den Reizen und seinen Sehnsüchten verführen.
Ich möchte mit dieser Geschichte die schönen Seiten und die schlimmen Seiten meiner Liaison mit Liz darstellen. Die schönen habe ich versucht so zu beschreiben, dass ich mich gerne daran zurück entsinne. Die schlimmen Seiten habe ich bisher moderat gehalten.
Wenn Sie an den schönen Seiten Freude gefunden haben, freut es mich. Wenn es das ist, was Sie an einer Geschichte interessiert, dann habe ich ein Anliegen an Sie:
Legen Sie das Buch beiseite. Lesen Sie nicht weiter. Es mag wirr klingen, dass eine Autorin rät, ihr eigenes Buch nicht zu Ende zu lesen, doch vertrauen Sie mir.
Die schönen Seiten dieser Geschichte sind zu Ende. Keine Erotik wird mehr folgen, in den letzten Seiten finden Sie nichts als Erniedrigung und Scham.
Die letzten Seiten sind nur noch für mich bestimmt, sie sollen mir helfen, aufzuarbeiten, was von nun an passierte.
Ich hoffe, dass mir das gelingt, denn mir zittern bereits jetzt die Finger, da ich nur daran denke, was folgen wird.
Bitte haben Sie Verständnis, ich danke Ihnen.
Ich sitze in einer anderen Wohnung in einer anderen Stadt und versuche das Ende zu schreiben. Ich habe mir vorgenommen, alles aufzuschreiben, wie es passiert ist. Aber es ist schwer, und es wird immer schwieriger. Ich muss längere und längere Pausen machen.
Falls ich es nicht schaffe, haben Sie bitte Verständnis.
Ich schaute mich um und war perplex. Die Situation kam mir surreal vor. Einige Minuten zuvor noch war ich voller Glückseligkeit gewesen, und nun stand ich hier in einem grauen Kellerraum vollkommen nackt und musste spüren, wie meine Lust und Geilheit schockgefroren wurde. Meine Arme umschlungen meinen Körper, nicht weil mir körperlich kalt war, sondern weil ich seelisch fror.
Ich stand unschlüssig da und wartete, was passieren würde. Liz würde an die Tür gehen, sich das Anliegen des Klingelnden anhören, ihn abwimmeln und zu mir zurück kommen, um mich zu erlösen aus dieser kalten Umgebung.
Ich wäre ihr dafür unendlich dankbar, würde ihr die Füße küssen und ihr dienen, wie sie es für richtig hielt.
Umso erstaunter und schockierter war ich, als es eben nicht so kam, ich hörte Stimmen. Jugendliche Stimmen und davon viele. Es war schwer zu sagen, wie viele genau, es mochte ein halbes Dutzend sein, vielleicht mehr.
Es waren fröhliche Stimmen, laut und ausgelassen, junge Stimmen dazu, meist weibliche, ich hörte aber auch ein paar männliche.
Sie kamen die Treppe herab und näher und näher. Ich hörte ihre Schritte auf den knarrenden Holzstufen.
Panik stieg in mir hoch. Mein Herz begann zu rasen.
Was waren das für Leute, warum führte Liz sie hier die Treppen hinunter?
Mein Verstand raste. Wie ein Tier in einem Käfig fand ich mich. Ich suchte nach einem Versteck in dem kleinen, kahlen Raum, aber außer der beschriebenen Einrichtung gab es keinen Ort, an dem ich mich hätte verstecken können. Ich war so in Panik, ich fragte mich gar, ob ich mich in die Waschmaschine zwängen könnte. Welch ein aberwitziger Gedanke!
So kauerte ich mich schließlich hinter die Tür, zog die Knie an und umschlang sie mit meinen Armen, um ein wenig meine Blöße zu verbergen.
Die Stimmen wurden lauter, ich konnte nun einige unterscheiden, es waren junge Stimmen, Freundinnen und Freunde aus der Schule zweifellos.
Die Stimmen kamen näher, wurden lauter, klangen ausgelassen.
Dann waren sie ganz nah. Doch sie hielten nicht an. Sie warteten nicht, dass jemand die Tür öffnen würde um mich bloßzustellen. Sie gingen weiter, und ich hörte laut Liz Stimme:
„Das wird ein geiler Abend! Let’s get this party started!“
Ich empfand ihre Stimme zu angestrengt und laut, als hätte sie mir eine Nachricht zukommen lassen wollen. Als wäre ich ihre Adressatin, als wollte sie, dass ich sie hörte. Dann lachte sie und anderen stimmten ein.
Als alle weitergegangen waren, atmete ich flach und leise aus.
Liz hatte wohl zu einer Party eingeladen. Vermutlich war das Licht, das ich gesehen hatte, ein Partykeller.
Und mich hatte sie nackt in diesen Raum gesperrt.
Warum?
Was wollte sie?
Wollte sie mir nur Angst einjagen?
Ich musste daran denken, was sie am Handy einer ihrer Freundinnen gesagt hatte, dass sie mich zur Schau stellen wollte.
War es nun so weit? War ich fällig? Wollte sie ihren Freunden zeigen, welchen Fang sie gemacht hatte? Wollte sie mich so nackt und beschämend ihren Freunden und Freundinnen zur Schau stellen?
Ich sah es vor meinen Augen, wie sie die Tür aufstieß und ein Dutzend Augen mich anstarrten, mit dem Finger auf mich zeigten und mich auslachten. Ich sah sie ihre Handys zücken und mich fotografieren. Ich sah mich schon auf Youtube oder auf einer Amateur-Porno-Seite im Internet ausgestellt. Bis zum kommenden Montag wäre die Story überall im Internet verbreitet. Ich würde mich in der Schule nicht mehr sehen lassen brauchen. Man würde mich zum Direktor beordern und ich würde mich rechtfertigen müssen. Und ich würde keine Rechtfertigung haben.
„Ich habe Glück gesucht. Ich habe die Liebe gesucht.“ Das würde ich sagen, und ich würde hoffen, dass ich verstanden werde, aber mehr als ein Kopfschütteln werde ich nicht ernten.
Wie hatte ich es nur so weit kommen lassen? Die Zeichen waren da gewesen, Liz hatte es immer mal wieder angedeutet, sie hatte mir immer wieder Grund zum Zweifel gegeben, und ich hatte ihn immer wieder ignoriert, hatte mir eingebildet, dass alles gut sei.
Nun hatte ich das Ergebnis.
Nun hatte ich, was ich verdiente.
Ich hätte es mir denken können.
Ich hatte mich ihr unterworfen und sie nutzte meine Loyalität, wie sie wollte. Eigentlich konnte ich mich nicht beschweren. Mit Geschenken kann man tun, was man will. Sie hatte sich dazu offenbar entschieden, mich zu zerstören.
Oder wollte sie etwas anderes? Wollte sie mich gar nicht zur Schau stellen? Wollte sie mir einfach nur Angst machen? Wollte sie mir zeigen, wie sehr sie über mich herrschte?
Aber war das nötig? Gab es dafür wirklich einen Grund, meine Loyalität zu testen? Hatte ich ihr nicht immer und immer wieder gezeigt, wie ergeben ich ihr war, wie sehr ich ihr vertraute, mich ihr anvertraute?
Ich kauerte immer noch dort in diesem kargen Raum, hatte immer noch die Beine angezogen und versuchte mir ein wenig Wärme zu schenken.
Aus dem Partykeller dröhnte Musik und über die Musik brach Johlen und Jubel aus.
Ich stellte mir vor, wie sie dort ausgelassen tranken, wie auch Liz trank und tanzte und ihre Hemmungen abbaute. Vielleicht hatte sie es nicht vorgehabt, aber der Alkohol würde ihr zusetzen, würde sie vielleicht auf Gedanken bringen. Sie hatte da diesen Goldschatz im Heizungskeller eingepfercht. Wie sehr könnte sie ihre Reputation in der Gruppe steigern, wenn sie ihre Trophäe zur Schau stellen würde? Vielleicht würde ihr Gewissen ihr diesen Schritt jetzt noch verwehren. Aber wie lange noch, bis der Alkohol seine korrodierende Kraft entfaltete und sie überzeugte?
Ich spürte, wie sich meine Augen füllten, und dann liefen mir warm die Tränen die Wangen hinunter, bis zu meinem Kinn hinab und tropften schwer auf die angezogenen Knie.
Ich schluchzte, der Kloß in der Kehle war zu groß.
Als wieder ein Johlen aus dem Partykeller drang, konnte ich es nicht mehr halten und weinte bitterlich.
Ich weinte um Mitleid und Vergebung und darum, dass das Schicksal mich wegbeamen möge in mein Wohnzimmer oder ans Ende der Welt, jedenfalls weg von diesem Ort. Aber ich weinte vergebens, den Kopf zwischen meinen Knien, mein warmer, feuchter Atem, der meine Schenkel ein wenig wärmte.
Niemand würde mich retten.
Es mochten zwei Stunden vergangen sein oder vielleicht auch nur ein paar Minuten, da hatte ich mich wieder so weit unter Kontrolle, dass ich zumindest ein wenig nachdenken konnte.
Die Tür zum Heizungskeller war nicht verschlossen, so weit ich wusste. Ich vergewisserte mich, dass kein Schlüssel im Schlüsselloch steckte.
Jeden Moment konnte jemand hereinkommen. Ein Paar auf der Suche nach einem ruhigen Plätzchen für ein paar Knutschereien, ein Verirrter auf der Suche nach der Toilette. Ein Neugieriger. Was auch immer.
Ich kroch an die Tür und lehnte mich gegen sie. Es war das einzige, das ich tun konnte.
Und so begann ich zu denken, was ich tun konnte.
Ich konnte warten, was auch immer das Schicksal in Gestalt von Liz sich für mich überlegt hatte. Oder ich konnte versuchen, das Schicksal in die eigene Hand zu nehmen. Ich konnte versuchen zu fliehen. Ich konnte versuchen mich aus dem Heizungskeller zu stehlen, konnte versuchen, die Treppe hochzulaufen, konnte mein Kleid und meine Jacke oben im Wohnzimmer greifen und dann fliehen.
Aber aus dem Partykeller konnte man den Gang einsehen, und immer wieder hörte ich Schritte hin und her laufen. Leute gingen nach oben, in die Küche oder zur Toilette oder rauchen oder sonstwohin. Die meisten hielten sich, soweit ich das beurteilen konnte zwar im Partykeller auf, aber eben nicht alle. Konnte ich wirklich mit Gewissheit einen Punkt finden, an dem ich mir sicher war, dass niemand oben wäre? Nur eine einzige Person würde mich sehen müssen, und alles wäre aus. Ich gehörte nicht zu den Menschen, die so wahnsinnig mutig waren. Ich war ein vorsichtiger Mensch. Sollte ich dieses Risiko auf mich nehmen? Es war Wahnsinn.
Und war es das Risiko überhaupt wert? Verließe ich den Raum auf eigene Faust, ich würde riskieren, was Liz vielleicht gar nicht für mich auserkoren hatte. Was, wenn sie mir nur Angst einjagen wollte, wenn sie nie vor hatte, mich zu desavouieren? Dann hätte ich mich selbst gerichtet.
Aber traute ich ihr?
Ich wusste es nicht.
Nein, das tat ich nicht.
Niemand, dem man vertraut, verlangt solch eine Tat. Niemand fordert einen solch hohen Preis.
Ich war nicht Abraham, von dem Gott verlangte, dass er ihm seinen eigenen Sohn opfert.
Ich war so in Gedanken, als es an der Tür knallte. Es ging mir durch den Rücken in alle Glieder.
Draußen hörte ich Liz mit einem Jungen.
„Gehorchst du mir?“, fragte sie ihn.
„Was?“
„Gehorchst du mir? Tust du alles, was ich sage?“
Was sollte das?
„Baby, für dich tue ich alles!“
Ich drehte mich um und schaute durch das Schlüsselloch.
Dort sah ich Liz und diesen Jungen. Ich kannte ihn nicht, er schien ein wenig älter als sie zu sein. Nur ein paar Jahre.
Der Junge verstand nicht, was sie von ihm wollte.
„Küss meine Füße!“
„Baby, für dich immer!“
Er versuchte sie zu küssen, doch sie wehrte ihn ab, schob ihn von sich. Er verstand nicht, was sie von ihm wollte. Immer wieder versuchte er sie zu umarmen und an sich zu ziehen.
Was sollte das?
Wollte Liz mich eifersüchtig machen? Oder war das ihre Art mir zu zeigen, dass sie machen konnte, was sie wollte, mit wem sie wollte?
Ich war zu weit in meinem Schock, um wirklich eifersüchtig zu werden. Es interessierte mich nicht mehr, was sie da tat und mit wem. Mein ganzes Sein war nur noch auf den Wunsch ausgelegt, zu verschwinden, weg zu kommen und heil aus dieser schrecklichen Lage herauszukommen.
Liz hatte so fundamental mein Vertrauen zertrümmert, dass es mir egal war, was sie tat.
„Ich will jetzt was trinken. Hol mir einen Sekt. Oben habe ich einen Prosecco nur für uns versteckt!“
Er versuchte immer noch, sie zu betatschen und zu küssen, aber sie hatte offensichtlich ihr Interesse an ihm verloren. Er murrte ein wenig, kam dann aber schließlich doch ihrem Wunsch nach.
Als er die Treppe hochgegangen war, trat Liz an die Tür heran.
Ich konnte gerade noch zur Seite rutschte, dann öffnete sie die Tür auch schon und trat herein.
In diesem Moment fluteten so viele Gedanken meinen Verstand, dass mir schwindelig wurde. Ich musste ihr verständlich machen, dass, was immer sie im Schilde führte, vollkommen jenseits jeder Diskussion war. Mir war klar, dass dies vielleicht meine Chance war, das Unheil abzuwenden. Doch bevor ich etwas sagen konnte, handelte sie.
Sie trat an mich heran und umarmte mich.
Ich roch den Alkohol in ihrem Atem und den kalten Gestank des Nikotins.
Ihre Augen waren glasig und sie lächelte breit wie jemand, der zwar nicht vollkommen betrunken war, aber auch nicht mehr alles unter Kontrolle hatte.
„Dieser Typ ist eine Pfeife. Der wird es nie zu einem so folgsamen kleinen Sklaven machen, wie du!“
Sie streichelte mir über den Rücken und drückte mir einen Kuss auf den Mund.
Aber ich stand dort starr wie ein Baumstamm, gab nicht ihren Bewegungen nach und stemmte mich gegen all ihre Intimitäten.
Es dauerte eine Weile, bis Liz meine Körpersprache verstand, zurücktrat und mich ansah.
Und dann sprach ich:
„Ich will das nicht. Bitte fass mich nicht an. Ich will das nicht. Was du hier mit mir tust ist vollkommener Wahnsinn. Das ist kein Spiel hier. Ich möchte, dass du sofort meine Kleider holst, damit ich von hier verschwinden kann. Ich habe dir vertraut! Ich kann das alles nicht mehr ertragen. Bitte hole mir jetzt meine Sachen!“
Ich sah sie stumm an.
Sie war erstaunt und sagte nichts. Ich sah, dass ihr Verstand arbeitete. Sie versuchte den Rausch zu unterdrücken und klar zu denken und suchte nach einer Antwort.
Für einen Augenblick glaubte ich so etwas wie Verständnis in ihren Augen zu entdecken, aber ich konnte nicht sicher sein.
Schließlich riss sie sich zusammen, und in ihrer Aussprache merkte ich, dass sie sich Mühe gab, ihre Worte klar auszusprechen und den Eindruck zu verwischen, dass sie betrunken war.
Sie stemmte die Hände in die Hüften, und da wusste ich schon, dass nichts Gutes zu erwarten war:
„Jetzt hören Sie mir mal zu! Ich weiß nicht, was Sie glauben, wer Sie sind. Aber ich habe Sie in der Hand! Sie machen, was ich will, und wenn Sie hier noch weiter so große Töne spucken, dann rufe ich hier und jetzt die ganze Truppe zusammen, und dann reden wir weiter! Ich muss mir das von Ihnen nicht gefallen lassen “
Sie schwieg und sah mich an, doch bevor ich ihr antworten konnte, setzte sie noch etwas nach, das ihr wohl gerade noch eingefallen war:
„Sie könnten mir ruhig ein wenig mehr vertrauen! Ich habe das hier alles geplant. Ihnen wäre nichts passiert. Ich hätte hier ein wenig Show gemacht und dann wäre das alles locker für Sie gelaufen. Aber wenn Sie so kommen und so wenig Vertrauen haben, dann können wir das auch anders durchziehen. Sie haben die Wahl!“
Sie griff an die Gesäßtasche ihrer Jeans und zog die zusammengefaltete Papiertüte heraus, die ich hatte mitbringen müssen und warf sie mir vor die Füße. Wir sahen uns einen Augenblick gegenseitig an, und ich war überrascht, einen ganz anderen Menschen vor mir zu haben. Nicht, weil sie sich so anders benahm, sondern weil ich sie plötzlich ganz anders wahrnahm. Sie hatte nichts mehr, für das ich sie bewundert hatte und, mir schien allein das Wort schon fehl am Platz, sogar geliebt hatte.
Doch der Moment wurde zerschnitten durch die Stimme des Jungen, mit dem sie sich vor der Tür beschäftigt hatte. Er rief:
„Liz? Wo bist du, ich habe das Gesöff gefunden!“
Wir standen uns noch einen Augenblick gegenüber wie in einem Western die Duellanten, dann drehte sie den Kopf und rief laut, dass er durch die geschlossene Tür hören konnte:
„Geh schon mal rein, ich komme sofort!“ Und dann wandte sie sich wieder mir zu und sprach mit einem beherrschten und drohenden Ton:
„Überlegen Sie sich gut, was Sie sagen. Eigentlich hatte ich vor, Ihnen die Tüte zu lassen. Aber wenn Sie hier noch weiter Ihren Zwergenaufstand machen, dann können wir das auch ohne machen! Dann können die alle Ihr Gesicht sehen und wissen, wer Sie sind! Wenn ich gleich wiederkomme, dann will ich, dass Sie auf dem Boden knien und mir die Füße küssen. Überlegen Sie es sich gut!“
Wir sahen uns noch einen Augenblick stumm an, dann drehte sie sich ohne ein Wort zu sagen um, öffnete die Tür nur so weit, dass sie durch den Spalt hinaus schlüpfen konnte und zog sie hinter sich zu. Auf dem Gang konnte ich die Stimme ihres Freundes hören.
„Mit wem hast du da gequatscht?“
„Habe ich dir nicht gesagt, du sollst reingehen? Gehorchen ist nicht so dein Ding, was?“
„Mit wem hast du da gequatscht? Ich hab doch Stimmen gehört.“
„Wirst du gleich sehen, geht dich nichts an! Los, komm wir gehen, ich will den Prosecco jetzt!“
Dann verschwanden die Stimmen und wurden von der lauten Musik aus dem Partykeller verschluckt, und ich stand wieder allein in meinem Verlies.
Ich hob die Papiertüte auf und entfaltete sie. Liz hatte drei Löcher hineingeschnitten, zwei für die Augen, einen für den Mund. Darüber hatte sie mit einem schwarzen Edding das Wort „Sklavin“ geschrieben,
Ich drehte die Tüte in meinen Händen. Sie war wirklich wahnsinnig geworden, wenn sie glaubte, dass ich mich auf dieses Spiel einlassen würde, dass ich mich vor ihren Freunden zeigen lassen würde nur mit dieser Papiertüte über dem Kopf, ansonsten vollkommen nackt und schutzlos einer Meute betrunkener Jugendlicher ausgeliefert. Sie würden die Tüte nicht akzeptieren, einer nur müsste sie mir vom Kopf ziehen, dann wäre ich aufgeflogen und mein Leben vorbei.
Und selbst wenn sie das nicht taten, viele dieser Jugendlichen sah ich fast jeden Tag in der Schule, einige unterrichtete ich selbst. Man konnte einen Menschen, einen nackten Menschen nicht nur anhand seines Gesichts identifizieren.
Ich sah auf meine linke Hand. Dort prangten die drei Muttermale gut sichtbar. Hans, mein Ex-Freund, hatte mich damit immer aufgezogen. Er fand, dass die drei Muttermale angeordnet waren wie die drei schwarzen Punkte auf einer Blinden-Manschette. Wenn ich mal irgendetwas verlegt hatte, zeigte er stets auf meine Hand und meinte spöttisch so etwas wie: „Meine kleine Blinde hat wieder was verloren!“
Meist hatte ich es ihm nicht übel genommen, einmal war ich jedoch ausgerastet und hatte eine riesige Szene gemacht. Ich erinnerte mich noch gut, es war in einem Restaurant gewesen, ich hatte mein Handy verlegt und die anderen Gäste sahen irritiert zu unserem Tisch herüber und mussten mich für vollkommen durchgedreht halten.
Ich war mir sicher, dass auch Schülern schon diese Male aufgefallen waren.
Die Tränen überwältigten mich wieder, und wieder heulte ich mir die Seele aus dem Leib. Wenn Liz mich so sah, sie konnte nicht allen Ernstes ihren Plan fortsetzen. Wenn sie nur einen Funken Verstand und Herz und Mitleid besaß würde sie von ihrem verachtungswürdigen Plan Abstand nehmen, sie würde einsehen, dass sie zu weit gegangen war.
Aber ich konnte mir dessen nicht sicher sein, ich hatte kein Vertrauen mehr. Es war alles zerstört, komplett und vollkommen.
Ich ging zur Tür, horchte. Alle Stimmen schienen aus dem Partykeller zu kommen. Alle schienen ausgelassen zu sein. Konnte ich auf eine unbemerkte Flucht hoffen?
Ich öffnete die Tür einen Spalt. Mehr Schall und Lautstärke drangen nun an mein Ohr.
Konnte ich es wagen? Es waren fünf Meter bis zur Treppe, zehn Meter von da zum Wohnzimmer und der Couch, hinter der meine Kleider waren, hinter der ich mich zur Not auch verstecken könnte. Fünf Meter von da zur Eingangstür, Zweihundert Meter von da zu meinem Auto. Meine Wohnung war vielleicht drei Kilometer entfernt. Sicherheit war weit weg.
Aber welche Wahl hatte ich?
Aus dem Partykeller drang ein neuer Song.
Supervixen von Garbage.
Es war eines dieser Lieder, die mit den Sujets spielten, die Liz und ich ausgelebt hatten.
War das Zufall oder ihr Signal, dass die Show beginnen sollte? Die Musik dröhnte in meinen Ohren. Ich musste raus. Ich konnte es nicht länger ertragen, stülpte mir die Tüte über den Kopf, um wenigstens einen Hauch von Schutz zu haben. Und dann öffnete ich die Tür und rannte, konnte praktisch nichts sehen, durch die Augenschlitze und die Tränen.
Und die Musik verfolgte mich.
Come to my house
Stick a stone in your mouth
You can always pull out
If you like it too much
Make a whole new religion
The falling star that you cannot live without
And I’ll feed your obsession
There’ll be nothing but this thing
That you’ll never doubt.
Bow down to me.
Bow down to me.
Bow down to me.
Und das Gejohle aus dem Partykeller hinter mir.
Und das Geschrei.
Diese schrille Stimme, die immer wieder in meinem Gedächtnis schritt :
„Ey guckt mal! Wer ist das denn da? Ein splitternacktes, geiles Miststück! Los Leute, hinterher!“
Mein Herz raste, ich stürmte halb blind von den Tränen in meinen Augen voran
…
…
…
Es tut mir leid, ich kann es nicht. Ich kann es nicht zu Ende erzählen.
Es tut mir leid.
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